Bauernsohn und Prophet

19451960198020002020

Giuseppe Alberigo zeichnet ein vielschichtiges Bild vom Leben und Wirken des Konzilpapstes.

19451960198020002020

Giuseppe Alberigo zeichnet ein vielschichtiges Bild vom Leben und Wirken des Konzilpapstes.

Werbung
Werbung
Werbung

Ein "Buch zur Seligsprechung" hätte es werden können, ein hymnischer Abgesang auf jenen Mann, der 1881 als Angelo Giuseppe Roncalli und viertes von zwölf Kindern auf einem Bauernhof nahe Bergamo geboren wurde - und in den letzten fünf Jahren vor seinem Tod 1963 als Johannes XXIII. der Kirche zu einem neuen Konzil und zum mutigen "Aggiornamento" verhalf. Doch Giuseppe Alberigo, anerkannter Historiker und Experte für das Zweite Vatikanische Konzil, bietet in seiner Papst-Biographie mehr als eine Huldigung auf 255 Seiten. Er kündigt eine "geschichtswissenschaftliche Durchleuchtung des ganzen Lebenslaufes von Roncalli" an - und hält mit zahlreichen Hintergrundinformationen und Zitaten aus dem "Geistlichen Tagebuch" des jüngst selig gesprochenen Papstes, was er im Vorwort verspricht. Allein die fehlende Zeittafel trübt die Leselust.

Alberigo rekonstruiert klar, stringent und nicht unnötig detailverliebt die Etappen auf Roncallis langem Weg von Bergamo nach Rom: seine Verwurzelung in der von ländlicher Frömmigkeit geprägten Großfamilie, mit der er sich stets verbunden wusste und bis zu seinem Lebensende in regem Briefkontakt stand; seine Studien in Rom und die Zeit als Sekretär Bischof Radini Tedeschis in Bergamo, durch die sein kritischer Geist geschult und für die Idee des "Aggiornamento", des Aufbruchs der Kirche und die Beschäftigung mit den "Zeichen der Zeit" begeistert wurde; sein Bemühen um die Einheit der Kirche als päpstlicher Gesandter in Sofia und Istanbul; und schließlich seine Wahl als anvisierter "Übergangspapst" im Jahr 1958, der nicht erst 90 Tage nach Beginn seines Pontifikates durch die Konzilsankündigung für Aufbruchsstimmung (oder Missmut) sorgte, sondern schon bei seiner Namenswahl Akzente setzte: Nicht nur sein Vater und der Evangelist standen dafür Pate. Vor allem über jenes dunkle Kapitel der Kirchengeschichte im 15. Jahrhundert sollte das Schweigen gebrochen werden, als sich im Zwist zwischen Rom und Avignon der dritte, Pisaner Papst den Namen Johannes XXIII. gab und diesen damit in Verruf brachte.

Doch der Johannes XXIII. des 20. Jahrhunderts brach nicht bloß langjährige kirchliche Tabus: Enzykliken wie "Mater et Magistra" (1961) und "Pacem in Terris" (1963) zeugen von seiner pastoralen Sorge um die Zukunft und das Heil der Menschen. So blieb er auch, trotz seines Amtes, stets leidenschaftlicher Seelsorger - oder, wie er es als Kardinal von Venedig einmal ausdrückte: "Ich bin Josef, euer Bruder".

Neben dem Sendungsbewusstsein Johannes des XXIII., nicht "die alten Schläuche mit neuem Wein" zu füllen, sondern eine radikale Rückbesinnung auf die tragenden Elemente des Christentums zu wagen, rückt Giuseppe Alberigo vor allem Roncallis Bescheidenheit in den Mittelpunkt, die in einem Grundsatz wurzelt, die sein Leben prägte: "Gott ist alles."

Samuel! Samuel! Alexandrinische Predigten.Von Henri Boulad. Übersetzt nach den französischen Originalkassetten von Hidda Westenberger. Otto MüllerVerlag, Salzburg 2000. 160 Seiten, geb., öS 218,-/e 15,84 Johannes XXIII. - Leben und Wirken des Konzilpapstes. Von Giuseppe Alberigo, aus dem Italienischen von Ansgar Ahlbrecht. Grünewald-Verlag, Mainz 2000. 255 Seiten, geb., öS 296,-/e 21,47 Engel im Aufwind. Gottes Boten auf der Spur. Hg. von Hermann Kochanek. Verlag St. Gabriel, Mödling 2000. 328 Seiten mit Farbbildern, geb., öS 365,-/e 26,53

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung