Bayern wartet auf den Papst

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Viel Heimweh und so manches heiße Eisen: Benedikt XVI. besucht vom 9. bis 14. September seine Heimat.

Ein Jahr nach dem triumphalen Weltjugendtag in Köln besucht Papst Benedikt XVI. vom 9. bis 14. September erneut Deutschland. Seine Reise gilt allerdings ausschließlich Bayern; die anderen Bundesländer und die Hauptstadt Berlin lässt er dagegen links liegen. München, Altötting, Marktl am Inn, Regensburg, Freising - der 79-Jährige kehrt an die Orte zurück, denen er seit Jahren verbunden ist und die mit seiner Lebensgeschichte, vor allem seiner Kindheit und Jugend, eng verknüpft sind. Es soll allerdings keine Nostalgiereise werden.

Dramatischer Umbruch

Doch wie sieht es im katholischen Deutschland aus, das Benedikt besuchen wird? Die meisten Diözesen befinden sich in einem mehr oder weniger dramatischen Umbruch, der von vielen in den Gemeinden als Abbruch empfunden wird. Pfarren werden zunehmend aufgelöst und zu größeren Einheiten zusammengelegt, die sich "Seelsorgeeinheiten", "Pastoralverbünde" oder sogar "Fusionen" nennen. Kirchengebäude werden aufgegeben, umfunktioniert oder sogar abgerissen. Stellen und Mitarbeiter werden abgebaut, ganze Einrichtungen geschlossen. Eine schlechte Konjunktur, hohe Arbeitslosigkeit, die demografische Entwicklung und die Folgen der Steuerreform (in Deutschland ist die Höhe der Kirchensteuer an die Lohn-und Einkommenssteuer gekoppelt) sorgen dafür, dass die Kirchensteuereinnahmen stark zurückgehen und Sparpakete geschnürt werden müssen, etwa in Berlin, Hamburg, Paderborn, Essen, Trier, Bamberg, Passau oder Eichstätt, aber auch in den Ost-Bistümern. Die Finanzen sind allerdings nicht die einzige Sorge: Auch ein - inzwischen etwas gebremster - Mitgliederschwund macht der Kirche zu schaffen. Glaubt man Umfragen, dann wissen viele in Ost und West nicht mehr, was zu Pfingsten, Himmelfahrt oder Ostern gefeiert wird. Von den gut 82 Millionen Deutschen sind nur noch rund 26 Millionen katholisch, in Bayern immerhin noch mehr als sieben von 12,5 Millionen. Hinzu kommt der stetig zunehmende Priestermangel, und auch bei den Laien, in Deutschland traditionell stark in Verbänden und Vereinen organisiert, bröckeln Einfluss und Engagement.

Doch wahr ist auch: Obwohl sich an diesen nüchternen Zahlen trotz aller Bemühungen um Nachhaltigkeit nach dem Weltjugendtag nicht viel geändert hat, so hat sich doch zumindest die Stimmung in Deutschland zugunsten Benedikts gedreht; in Bayern war sie allerdings schon immer freundlich bis enthusiastisch. Der Landsmann auf dem Stuhl Petri hat in den "Tagen von Köln" nicht nur weithin die Bürger, sondern ebenso die Kommentatoren der deutschen Medien für sich eingenommen. Kritik ist seitdem selbst in eher kirchenkritischen und säkularen Medien mit der Lupe zu suchen. In den Analysen der Zeitungen von West bis Ost und Süd bis Nord überwiegen ebenso wie im Radio und beim Fernsehen Anerkennung und Lob. Selbst die hartnäckigsten Katholizismuskritiker würdigen den bescheidenen Stil des Papstes, dem der Personenkult eher unangenehm ist und der nicht mehr als strenger Glaubenswächter oder gar als unduldsamer "Panzerkardinal" erscheint, sondern als gütiger Hirte und Seelsorger.

Deutschland entdeckt, so scheint es manchmal, wieder, dass Glaube Freude macht. Bestätigt wird dieser Eindruck durch das jüngste Interview, das Benedikt XVI. mehreren deutschen Fernsehsendern gab. Dort ließ der sehr charmant, umgänglich und offen wirkende Papst keinen Zweifel daran, dass er bei seinem kommenden Besuch das Positive der christlichen Botschaft herausstreichen, Freude und Zuversicht am Glauben vermitteln will. Das will er bei seinem Heimatbesuch in Ansprachen entfalten. In München, Altötting und Regensburg wird er Messen unter freiem Himmel und Vespergottesdienste in den Kathedralen feiern.

In Regensburg will Benedikt XVI. mit Vertretern der Ökumene zusammenkommen sowie in der Universität eine Rede vor Wissenschaftern halten. In Freising, wo der Papst einst zum Priester geweiht wurde, ist eine Begegnung mit Priestern und Diakonen aus ganz Bayern vorgesehen. Ein kurzer Besuch gilt auch dem Geburtsort Marktl am Inn.

Problem "Donum Vitae"

Zündstoff könnte beim Besuch des Papstes erneut das Thema "Donum vitae" bieten. "Donum Vitae" (Geschenk des Lebens) wurde 1999 von katholischen Laien nach dem Ausstieg der Bischöfe aus dem gesetzlichen Beratungssystem gegründet. Der Verein wählt bei der Beratung von Schwangeren in Konfliktsituationen einen Weg, den Papst Johannes Paul II. unmissverständlich abgelehnt hat: Die Mitarbeiter geben nach der Beratung den vom Gesetzgeber geforderten Schein aus, der den Zugang zu einer straflosen Abtreibung eröffnet. Nach einer Entscheidung der deutschen Bischöfe dürfen kirchliche Angestellte seit neuestem nicht bei der Schwangerenhilfsorganisation mitarbeiten. In einer vom Ständigen Rat der Bischofskonferenz in Würzburg vor wenigen Wochen verabschiedeten Erklärung wurden Mitglieder kirchlicher Gremien "ersucht", zum "Zwecke der größeren Klarheit des kirchlichen Zeugnisses" auf eine leitende Mitarbeit in "Donum Vitae" zu verzichten, das "eine Vereinigung außerhalb der katholischen Kirche" sei.

Bischofskonferenzsekretär Hans Langendörfer erklärte daraufhin, die Bischöfe wollten niemanden verletzen oder zurückstoßen; die Umsetzung des Beschlusses sei Sache der Bistümer. Mit anderen Worten: Wie der einzelne Bischof damit umgeht, das ist seine Sache. Ob der deutsche Papst allerdings mit einer solch typisch "katholischen Lösung" zufrieden ist, bleibt die Frage. Gut möglich, dass er dieses Thema bei seinem Besuch ansprechen wird. Erzkonservative und traditionalistische Kreise in Deutschland gehen jedenfalls fest davon aus, dass "ihr" Papst nicht nur in dieser Beziehung Tacheles reden wird. Mit ihren ständigen Anfragen, Denunziationen und Beschwerden in Rom erwecken sie dort seit vielen Jahren den Eindruck, sie verträten die Mehrheit der deutschen Katholiken. Jetzt hoffen sie darauf, dass Benedikt XVI. die CDU/CSU zur Ordnung rufen und massiv an ihre christliche Ausrichtung erinnern wird und überhaupt alle Laschen, Liberalen und Widerspenstigen in ihre Schranken weist.

Gespannt sind in Deutschland und Bayern auch viele, wie Ratzinger sich zu dem vor wenigen Monaten eskalierten Streit zwischen dem Zentralkomitee und dem Enfant terrible der Bischofskonferenz, dem Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller, um die Neuordnung der Laienvertretung in seinem Bistum verhalten wird. Der Oberhirte hatte den von Laien gewählten Diözesanrat und die Dekanatsräte aufgelöst und stattdessen einen Diözesanpastoralrat sowie ein Diözesankomitee mit Vertretern aus Verbänden und geistlichen Gemeinschaften eingesetzt. Das ZdK wirft dem Bischof Rechtsbruch vor. Der bekam allerdings Rückendeckung von oberster Stelle: Die vatikanische Kleruskongregation erklärte die umfassende Neuordnung des Rätewesens in Regensburg für rechtens und betonte in einem Dekret, Müller habe in voller Übereinstimmung mit dem Kirchenrecht gehandelt. Im deutschen Laienkatholizismus halten sich angesichts der Vorgänge Befürchtungen, es könne Kräfte in Rom geben, die eine generelle Änderung des Rätewesens nach Regensburger Vorbild wollen.

Ökumene: Kaum Bewegung

Und wie steht es um die Ökumene? Bei der evangelischen Kirche ist man von Benedikts erstem Amtsjahr wenig begeistert. Zwar habe das Oberhaupt der katholischen Kirche in einer programmatischen Erklärung gesagt, dass er sein Amt ökumenisch verstehe, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), Bischof Wolfgang Huber, kürzlich in Bild am Sonntag. Doch könne man aus dem ersten Jahr nicht ableiten, "dass Fortschritte im ökumenischen Miteinander zu erwarten wären". Diese Einschätzung teilt auch das Ökumene-Institut der evangelischen Kirche in Bensheim. Das jüngste Fernsehinterview habe der evangelischen Kirche keine neuen Perspektiven für den Dialog der Konfessionen eröffnet, vielmehr habe der Papst die bestehenden Differenzen zwischen den Kirchen erneut deutlich gemacht, erklärte der Geschäftsführer des Konfessionskundlichen Instituts der EKD, Walter Fleischmann-Bisten. Zu wenig Bewegung registriert die evangelische Kirche auch in der Frauenfrage. Und die katholische Ökumenikerin Dorothea Sattler (Münster) äußerte kürzlich in einem Interview mit dem Verfasser dieser Zeilen die Einschätzung, solange es in der katholischen Kirche nicht zu mehr Reformen komme, werde sich auch in der Ökumene mit der evangelischen Kirche wenig bewegen.

Heiße Eisen, die der Papst bei seiner Visite ansprechen könnte, gibt es also genug. Doch viele gehen davon aus, dass er sie - ganz auf der Linie seiner jüngsten Spanien-Reise - höchstens hinter verschlossenen Türen, nicht aber in der Öffentlichkeit thematisieren wird. Ob sich Benedikt XVI. an den Besuchsrhythmus seines Vorgängers hält, der alle vier und zuletzt alle zwei Jahre seine Heimat besuchte, wird sich weisen. Klar ist aber: Bei seinem nächsten Deutschlandbesuch wird er auch Berlin seine Aufwartung machen müssen.

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