Beim Besuch des Sonnensteins

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Auf dem Sonnenstein bei Pirna in Sachsen wurden in den Jahren 1940 und 1941 in der nationalsozialistischen Tötungsanstalt insgesamt rund 15.000 Menschen umgebracht. Es waren vorwiegend psychisch Kranke und Menschen mit geistiger Behinderung, am Ende auch politische Häftlinge aus dem nahe gelegenen KZ Buchenwald, darunter der frühere Salzburger Polizeichef Ludwig von Bechinye.

Seit dem Jahr 2000 gibt es dort eine kleine Gedenkstätte, die von einem Team engagierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geführt wird. In der Ausstellung liegt ein Gästebuch auf. Aus aller Welt kommen die Menschen hierher und äußern ihre Betroffenheit über die Unmenschlichkeit der Verbrechen, aber auch über die Folgenlosigkeit für die meisten Täter.

Mir sind drei Arten von Eintragungen im Gedächtnis:

* Zuerst die vielen Schülerinnen und Schüler. Ein bisschen unpassend schreiben sie, dass es ihnen hier "gefallen" hat und was sie in der Gedenkstätte "super" finden. Doch zwischen den Zeilen ist ihre Fassungs- und Sprachlosigkeit über das Gesehene zu spüren.

* Dann die Eintragungen von den Nachkommen der Opfer. Sie stammten ja auch aus der unmittelbaren Umgebung. Da steht dann: "Endlich wissen wir, wo unsere arme Oma ihre letzten Atemzüge machte." Nicht wenige der Hinterbliebenen kommen immer wieder, manche arbeiten ehrenamtlich mit. Unter diesen Eintragungen im Gästebuch steht der Name, manchmal auch eine Adresse. Ein wichtiger Teil der Arbeit des Gedenkstättenteams dient dazu, die Opfer endlich der Anonymität zu entreißen und ihnen wieder einen Namen zu geben.

* Aber dann die dritte Art der Eintragung. Sie ist anonym. Auf der letzten Seite des Buches ist ein großes Hakenkreuz zu sehen. Daneben steht: "Wir kommen wieder." Auch an einem heißen Sommertag kann es kalt werden.

Der Autor ist Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche A.B.

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