Beim Nicht-EU-Nachbarn weiterstinken lassen

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Solidarno´s´c-Jubiläum in Danzig, UN-Klimakonferenz in Posen – Polen ist derzeit das Tagungszentrum Europas. Doch abgerechnet wird beim dieswöchigen EU-Gipfel in Brüssel. Sollten dort die Klimaschutzforderungen zu hoch ausfallen, bleibt Polen aber immer noch ein Ausweg: Es lagert die stinkende Kohlekraft nach Weißrussland aus.

Es war nicht der Klima-Gipfel im polnischen Posen, zu dem rund 400 Jugendliche aus 44 Nationen letzte Woche nach Polen reisten. Doch sie setzten auf ihrer Fahrt quer durchs Land ein Klimaschutz-Zeichen, indem sie auf Schienen und mit dem Sonderzug „Solidarno´s´c-Express“ von Krakau nach Danzig fuhren.

Lech WaBÛesa hatte die Jugendlichen aus aller Welt eingeladen, um mit ihm, dem Dalai Lama, dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy und anderen Honoratoren das 25-Jahr-Jubiläum der Verleihung des Friedensnobelpreises an den Solidarno´s´c-Führer zu feiern – und bei der Gelegenheit über die heutigen Bedeutungen von Solidarität zu diskutieren.

Ohne ein „Fundament der Werte“ könne Europa nicht gelingen, redete der polnische Friedensnobelpreisträger den Jugendlichen ins Gewissen. Und aus dem Erfolg der Solidarno´s´c-Bewegung zog der zur Geschichts-Ikone ergraute WaBÛesa den Schluss, dass der Geist wichtiger ist als Wirtschaft, als Soldaten und Raketen. Gleichzeitig warnte er: „Wird Europa nicht auf bewährte Werte gegründet, wird der Bau zusammenbrechen.“

Oder die Welt an seiner und anderer Klima-Politik zugrunde gehen. In den Danziger Reden und Diskussionen war der Bogen zu Posen schnell gespannt. Über weltweite Solidarität zu sprechen, ist ohne Einbeziehung des Klimas nicht möglich. In keinem anderen Bereich sind die Auswirkungen der Handlungen der einen auf das Leben der anderen derartig spürbar. Ein Delegierter aus Bangladesch, Mohammas Reazuddin, brachte die Situation auf den Punkt: „Mein Land muss immer mehr gegen den steigenden Meeresspiegel unternehmen, dabei haben wir das Problem nicht verursacht.“

Kyoto läuft aus – und dann?

Auf der Konferenz in Posen beraten mehr als 10.000 Vertreter aus 187 Ländern über ein Nachfolgeabkommen für das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll. Ein neuer UN-Vertrag soll Ende 2009 in Kopenhagen unterzeichnet werden. Für das Nachfolgeabkommen strebt die EU bis 2020 eine um rund 20 Prozent niedrigere Emissionsobergrenze als 1990 an. Uneinigkeit herrscht allerdings darüber, wie diese Verpflichtung unter den 27 EU-Mitgliedern aufgeteilt werden soll.

Das Gastland Polen gehört dabei nicht zu den Vorreitern einer zukunftsweisenden EU-Klima-Politik. „Ja zum Klima, Nein zur Kohle“, skandierten deswegen 200 Greenpeace-Aktivisten vor dem Regierungsgebäude in Warschau, während drinnen der polnische Ministerpräsident Donald Tusk und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel über Sonderregeln für bestimmte Bereiche ihrer Wirtschaften beim EU-Klimapaket verhandelten. Beide erhielten daraufhin von Greenpeace ein „Fossil“ als symbolischen Preis für falsche Energiepolitik verliehen. Was besonders im Fall Polens nichts daran ändert, dass das Land 95 Prozent seines Stroms aus Kohle gewinnt und auf kostenlose Verschmutzungszertifikate für seine Kohlekraftwerke bis 2019 besteht. Polen arbeitet gleichzeitig an Alternativen, sollte es sich beim dieswöchigen EU-Gipfel nicht durchsetzen können. Zum einen will man die Atomkraft ausbauen, zum anderen die Nachbarschaft zum Nicht-EU-Ausland ausnützen: Erst dieser Tage wurde ein Abkommen zum Bau eines Kohlekraftwerks in Weißrussland unterzeichnet. Befeuert wird das Kraftwerk mit Kohle aus Polen; und der Strom fließt auch nach Polen. Nur der Dreck bleibt draußen – in der Klima-Zertifikate-Theorie jedenfalls.

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