Bekehrung von einer falschen Wirtschaftsmentalität

Werbung
Werbung
Werbung

Nach Papst Benedikts neuer Sozialenzyklika „… hat der Markt neue Formen des Wettstreits unter den Staaten angeregt, die darauf abzielen, mit verschiedenen Mitteln – darunter günstige Steuersätze und die Deregulierung der Arbeitswelt – Produktionszentren ausländischer Unternehmen anzuziehen. Diese Prozesse haben dazu geführt, dass die Suche nach größeren Wettbewerbsvorteilen auf dem Weltmarkt mit einer Reduzierung der Netze der sozialen Sicherheit bezahlt wurde, was die Rechte der Arbeiter, die fundamentalen Menschenrechte und die in den traditionellen Formen des Sozialstaates verwirklichte Solidarität in ernste Gefahr bringt. Die Systeme der sozialen Sicherheit können die Fähigkeit verlieren, ihre Aufgabe zu erfüllen, und zwar nicht nur in den armen Ländern, sondern auch … in den seit Langem entwickelten Ländern. Hier kann die Haushaltspolitik mit Streichungen in den Sozialausgaben, die häufig auch von den internationalen Finanzinstituten angeregt werden, die Bürger machtlos neuen und alten Gefahren aussetzen.“ („Enzyklika Caritas in Veritate“ Nr. 25)

Man kann Texten der katholischen Soziallehre vorwerfen, dass sie nur Texte seien und eben die Welt nicht verändern. Der Vorwurf ist so trivial wie billig, und er stimmt immer. In der Tat befasst sich Benedikt XVI. in seiner neuen Enzyklika „Caritas in Veritate“ mehr damit, die Welt zu interpretieren. Mit diesem „bescheidenen“ Anspruch klingen einige der aufgestellten Thesen aber durchaus verändernd. Denn so bescheiden ist es wieder nicht, in der Unübersichtlichkeit der globalen wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung, Orientierung und Deutung zu geben: was der Sinn des menschlichen Wirtschaftens sei, wie Gerechtigkeit wachsen müsse, dass die Welt mehr und nicht weniger eine globale politische Regulierung der Wirtschaft benötige. Dazu erneuert dieser Text eine Forderung des Konzilspapstes Johannes XXIII. nach einer politischen Weltautorität, also einer die Finanzmärkte regulierenden, mit globalen Kompetenzen ausgeweiteten UNO.

Hier ist eine zweite kritische Frage aufschlussreich: Hat die Kirche ein Recht, in diesem großen Sinn moralische Ordnungsrahmen zu definieren? Soll man ihr überhaupt zuhören? Die katholische Soziallehre, ziemlich konsequent weiter geschrieben aus der Feder des Papstes, konstatiert, dass der Mensch dazu neigt zu vergessen, was der Sinn und Zweck des Wirtschaftens sei. Er übertrage die Verantwortung an Technik und eine, vom Papst ausdrücklich „fatalistisch“ genannte, Wirtschaftsgläubigkeit.

Die neoliberale Moral wird aufgearbeitet

Man kann mit einem gewissen Recht sagen, dass Wirtschaftsethik „boomt“. Corporate Social Responsibility, Vorträge und Symposien, und v. a. die public relations vieler Konzerne belegen es. „Was ist überhaupt Ethik in unserer globalen Ökonomie?“ – fragt mit mindestens ebenso viel Recht diese Enzyklika. Die Würde des Menschen werde in der Vorenthaltung von sauberem Wasser, medizinischer Versorgung und Nahrung mit Füßen getreten. Eine auf Gewinnmaximierung ausgelegte Ökonomie, die die Interessen anonymer Anleger privilegiert, verletzt die transzendente Würde der menschlichen Person ebenso wie den transzendenten Wert der „… natürlichen moralischen Normen. Eine Wirtschaftsethik, die von diesen beiden Säulen absähe, würde unvermeidlich Gefahr laufen, ihre moralische Qualität zu verlieren und sich instrumentalisieren zu lassen; genauer gesagt, sie würde riskieren, zu einer Funktion für die bestehenden Wirtschafts- und Finanzsysteme zu werden, statt zum Korrektiv ihrer Missstände.“ (Ebd., 45). Hier wird die Moral des neoliberalen Denkens aufgearbeitet, die die Würde des Menschen zu einer verkäuflichen Ware machen wollte.

* Der Autor ist Leiter des Sozialreferates der Diözese Linz und Europabeauftragter

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung