Joseph Ratzinger, Benedikt XVI. - © Foto: APA / AFP / Osservatore Romano

Benedikt XVI.: Ein Pontifikat im Widerspruch

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Als Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. am Silvestermorgen 2022 verstarb, gehörten weniger als die Hälfte der Deutschen einer Kirche an. Die Fliehkräfte der Säkularisierung hatte auch er nicht stoppen können.

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Als Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. am Silvestermorgen 2022 verstarb, gehörten weniger als die Hälfte der Deutschen einer Kirche an. Die Fliehkräfte der Säkularisierung hatte auch er nicht stoppen können.

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Kurz vor Weihnachten des vergangenen Jahres wurden die Daten des neuesten Religionsmonitors der Bertelsmanns-Stiftung veröffentlicht: „Die Zukunft der Kirchen – zwischen Bedeutungsverlust und Neuverortung in einer vielfältigen Gesellschaft.“ Die Vorzeichen: düster.

Als der erste deutsche Papst seit beinahe 500 Jahren am Silvestermorgen 2022 starb, befanden sich kirchlich gebundene Christen in Deutschland erstmals in der Minderheit. Eine Konstellation des kirchlichen Glaubensverlustes zeichnet sich in einem Moment ab, in dem der katholische Missbrauchskomplex die säkularisierungsbestimmten Fliehkräfte verschärft.

Kämpfer gegen jede Form des Relativismus

Im Zeichen dieses konziliaren Reformprogramms begann die einzigartige theologisch-kirchliche Karriere eines Joseph Ratzinger. Aus dem beratenden Konzilstheologen wurde der Präfekt der römischen Glaubenskongregation – und aus dem traditionsbewussten Kämpfer gegen jede Form eines weltanschaulich-kirchlichen Relativismus Papst Benedikt XVI. Mit seiner Predigt zu Beginn des Konklaves 2005, in der er programmatisch von der „Diktatur des Relativismus“ sprach, hatte er die Weichen für seine Wahl gestellt.

Sein eigenes Pontifikat dauerte nur acht Jahre, aber das Leben dieses deutschen Papstes umfasste fast ein Jahrhundert, in dem er den Weg seiner Kirche maßgeblich bestimmte. Seine persönliche zeitgeschichtliche Erfahrung spiegelt sich in der Theologie, die er vertrat. Ratzinger nahm die moderne Welt unter den Vorzeichen eines Werte- und Glaubensverfalls wahr. Das Gegengift: die unbezweifelbare Wahrheit des Glaubens an Jesus Christus, den die Kirche authentisch überliefert und verbürgt.

Auf dieser Grundlage findet sich eine Sicherheit, die jedem Relativismus standhält. Dafür bedurfte es eines theologischen Arguments, das Joseph Ratzinger in seiner Habilitationsschrift 1957 entwickelt hatte. Offenbarung „bezeichnet den Akt, in dem Gott sich zeigt, nicht das objektivierbare Ergebnis dieses Aktes. Und weil es so ist, gehört zum Begriff ‚Offenbarung‘ immer auch das empfangende Subjekt: Wo niemand ‚Offenbarung‘ wahrnimmt, da ist eben keine Offenbarung geschehen, denn es ist nichts offen geworden.“

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