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„Ihr habt ja keine Theologen“, dieser Ausspruch eines römischen Prälaten, der es eigentlich besser wissen müßte, charakterisiert keineswegs die gegenwärtige Situation der orthodoxen Theologie. Vor allem sollte man sich gerade auf diesem Gebiet vor Pauschalurteilen hüten und die Frage nach Stand und Entwicklung der theologischen Disziplinen für jede einzelne autokephale (selbständige) orthodoxe Landeskirche gesondert untersuchen. Die Reise des Wiener Erzbischofs, Kardinal König, nach Rumänien und sein Besuch im Theologischen Institut in Bukarest, lenkt das Augenmerk auf den gegenwärtigen Stand der theologischen Ausbdidung, der Fortbildung des Pfarrklerus und der Veröffentlichung von theologischen Forschungen in der rumänischen Orthodoxie.

Die Neuorganisation des theologischen Unterrichtswesens, das in Rumänien vor zirka zwanzig Jahren erfolgte, hat in kürzester Zeit zu einer echten Belebung der Theologie geführt. Der ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Athenagoras I., äußerte wiederholt seine Hochschätzung für die theologischen Veröffentlichungen der Rumänen. Die Studien umfassen sämtliche theologische Disziplinen. Sie tragen nicht nur zur Erhellung bisher nicht hinreichend erforschter Perioden der Vergangenheit der rumänischen Kirche bei, sondern auch zur Präzisierumg der echten orthodoxen Glaubenslehre im Verhältnis zu den Standpunkten, die von den anderen christlichen Kirchen eingenommen werden.

Das rumänische Patriarchat veröffentlicht drei Zeitschriften:

• „Biserica Ortodoxa Romina“ (Die rumänisch-orthodoxe Kirche); diese monatlich erscheinende Zeitschrift will über innerkirchldche Fragen und auch Problemstellungen der Ökumene informieren.

• „Ortodoxa*; diese Schrift behandelt spezielle theologische Probleme.

• „Studii Teologice“ (Theologische Studien); diese Zeitschrift erscheint (ausgenommen die Sommerferien) monatlich und ist das Organ der Theologischen Institute im Universitätsrang.

Zu diesen drei Zeitschriften, welche für die gesamte rumänische Kirche erscheinen, sind außerdem die Zeitschriften der Metropolitan-zentren zu rechnen. Sie enthalten theologische Artikel, Buchbesprechungen, berichten über kirchliche Feiern, enthalten pastorale und homiletitische Anweisungen und informieren über Veränderungen in den Reihen des Klerus.

Zur Ausbildung des Klerus stehen folgende Unterrichtsanstalten zur Verfügung:

• Zwei theologische Institute mit

Universitätegrad (in Bukarest und Sibiu).

• Sechs Schulen für kirchliche Kantoren und theologische Seminarien.

Mißtrauen gegenüber Rom

Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil vertreten namhafte rumänische Theologen unter der Führung von Professor Stanilaoie die Ansicht, daß die Wiedervereinigung mit Rom für den Papst eine Frage der Macht sei. Die Bestrebunigen werden — vor allem in der Zeitschrift „Biserca Ortodoxa Romtaa“ — zu einer einfachen Jurisdiktionsfrage von römischer Seite und zugunsten Roms reduziert. Man behauptet wiederholt, die alten Bestrebungen Roms hätten sich nur insofern gewandelt, als die Terminologie milder und höflicher geworden sei.

Man bestritt auch den ökumenischen Charakter des Konziis und erklärte, heutzutage habe keine Kirche das Recht, ein ökumenisches Konzil einzuberufen, wenn nicht alle Bischöfe, die ihre Nachfolge auf die Apostel zurückführen könnten, daran teilnehmen würden. Das sei aber heute nicht mehr möglich. Wenn ein Konzil von der katholischen Kirche einberufen werde, so sei dies eine interne Angelegenheit der katholischen Kirche. Die Einberufung des Zweiten Vatikanums wurde damit erklärt, daß der Papst eben einen tiefen Gemeinschaftssinn habe und sich mit den Bischöfen beraten wolle. Die orthodoxe Kirche wünsche im übrigen die Einheit, wisse sich jedoch frei von Schuld am der schmerzlichen Trennung, denn sie habe alles

Gemeinsame treu bewahrt, was vor 105-1 war; dazu sollte man zurückkehren. Was nachher kam, müsse man fallen lassen — vor allem Primat und Unbefleckte Empfängnis. Das Konzil habe ferner die zentrale Macht des Papstes gestärkt. Nun wolle er seine Macht auch auf die sozialistischen Länder ausdehnen. Der Hauptfehler des Konzils sei es gewesen, daß es die Bischöfe gänzlich dem Papst unterordne und sie dadurch der Autorität des Staates entziehen wolle, des Staates, der allein das Interesse des Volkes vertrete. Das sei schließlich der Grund, warum die rumänische Kirche den Dialog mit Rom vermeide.

Tatsächlich hat es das rumänische Fatriarchat bisher bewußt unterlassen, offizielle Kontakte mit Rom aufzunehmen, ein Umstand, der besonders durch die Weigerung, Beobachter-Delegierte zum Konzil zu entsenden, zum Ausdruck kam. Man

darf vermuten, daß die rumänische Kirche, mit 16 Millionen Gläubigen die zweitgrößte orthodoxe Kirchen-gemeinschaät, darauf bedacht ist, ihre SondersteMunig zu betonen und sich als dritte Kraft zwischen Moskau und Konstantinopel ins ökumenische Gespräch zu bringen.

Allerdings haben bereits vor Jahresfrist anknüpfende Kontakte zwischen Bukarest und Rom stattgefunden. Sie fanden zwischen Patriarch Justinian und dem Apostolischen Delegaten in Großbritannien, Erzbischof Cardinale, in London statt. Auf die Frage, ob der Patriarch Vertreter des römischen Einheitssekretariates in Bukarest empfangen wolle, antwortete er, er würde sich mit dieser Bitte befassen. Später ließ der Patriarch Erzbischof Cardinale wissen, falls der Vertreter des Einheitssekretariats, etwa Kardinal Bea oder Bischof Willebrands, das Problem der linierten Kirche — das ist die mit Rom verbundene orthodoxe Kirche — in Rumänien anzuschneiden gedenke, würde er keine Antwort erhalten. Das Problem der unierten Kirche in Rumänien sei, der Auffassung von Justinian nach, bereits gelöst.

Das Problem der „Unierten“

Tatsächlich bildet die „Rückführung“ der 1,5 Millionen linierten mit ihree Bischöfen und Priestern in die Orthodoxie das Haupthindernis für die Kontakte mit der katholischen Kirche. Diese blühende Kirche der mit Rom Unierten wurde 1948 der Orthodoxie eingegliedert. Die Bischöfe waren verhaftet und zu langen Freiheitsstrafen verurteilt; alle bis auf einen, Julius Hossa — heute 83 Jahre alt —, haben die Haft nicht überlebt. Eine systematische Verfolgung der unierten Kleriker setzte ein, die meisten von ihnen

wurden verschleppt oder eingesperrt, einige gezwungen, in die Orthodoxie überzutreten.

Es ist klar, daß der Patriarch von Rumänien darüber nicht sprechen will. Wir sollten diesen Wunsch respektieren. Nicht zuletzt soll uns das Faktum vor Augen stehen, daß der Weg einer immer enger werdenden Annäherung zwischen den christlichen Kirchen, vor allem zwischen Ost- und Westkirche, nur in großer Geduld, einer Haltung des Verzeihens und des Verstehen erfolgen kann.

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