Franz Küberl: Beruf Katholik

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Er ist ein öffentliches Gesicht der katholischen Kirche in Österreich. Aber was macht Franz Küberl, den Katholiken, aus? Ein Gespräch.

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Er ist ein öffentliches Gesicht der katholischen Kirche in Österreich. Aber was macht Franz Küberl, den Katholiken, aus? Ein Gespräch.

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Am 22. April feiert Caritas-Präsident Franz Küberl den 60er. Bereits am 19. April findet in Wien ihm zu Ehren das Symposium "Christliches Engagement in einer pluralen Gesellschaft" mit prominenten Referenten - von Heiner Geißler bis Rudolf Hundstorfer - statt (15 Uhr, Österr. Nationalbibliothek, Josefsplatz 1). Zuvor schon traf ihn die FURCHE zum Gespräch.

DIE FURCHE: Manche sprechen despektierlich von einem "Berufskatholiken". Sie sind auf jeden Fall ein öffentliches Gesicht der katholischen Kirche Österreichs. Wie lebt es sich damit?

Franz Küberl: Eigentlich ganz gut. Ich bin vor vielen Jahren gefragt worden, ob ich Priester werden möchte. Ich habe da für mich entschieden, dass ich als Laie mithelfen möchte, der Katholizität und dem Evangelium zum Ausdruck zu verhelfen. Die Kirche hat ja eine Menge diesseitiger Wurzeln. Ich bin über die Jahre überrascht gewesen, was man im guten Sinn da alles beitragen kann.

DIE FURCHE: Die Liste Ihrer Funktionen ist lang: Diözesansekretär der Katholischen Arbeiterjugend in Graz, Bundessekretär der Katholischen Jugend in Wien. Dann wieder Graz beim Katholischen Bildungswerk, danach bis 1994 Generalsekretär der steirischen Katholischen Aktion...

Küberl: und in dem Moment, als ich gesagt habe, jetzt ist es Zeit ins raue Gebläse des wirtschaftlichen Lebens hinüberzusteigen - ich hab dafür schon alles ausgemacht gehabt - ist dann mein damaliger Bischof Johann Weber zu mir gekommen und hat gesagt, er bräuchte mich in der Caritas. Da hat sich dann eine Welt aufgetan, an die ich überhaupt nie gedacht habe. Sowohl in der steirischen Caritas als auch auf Österreichebene - Leopold Ungar und dann Helmut Schüller -s tand bis dahin immer ein Priester an der Spitze.

DIE FURCHE: Das öffentliche Gesicht ist das eine. Aber wie ist der Katholik Franz Küberl? Wie kann man das vereinbaren?

Küberl: Übers ganze Leben gesehen erstaunlich gut. Wobei ich dazu sage: Bei den Dingen, die ich gemacht habe, ist es fast immer um etwas Öffentliches gegangen, das war beim Bildungswerk nicht anders als jetzt bei der Caritas. Das habe ich bei der Katholischen Arbeiterjugend gelernt: Dort wurde einem eingebrannt, dass es um die Gestaltung dieser Welt geht. Der Katholik Franz Küberl unterscheidet sich sonst nicht von anderen Katholiken: Der Versuch, ein gläubiger Mensch zu sein, ist eine lebenslange Suche, eine Strapaze, die - das ist mir gerade in der Caritas bewusst geworden - auch zum Hadern mit dem Herrgott führen kann. Es ist ja nicht so, dass man das Leid auf der Welt versteht und sagt: Es wird eh einmal alles gut werden. Ich möchte schon, dass es für die Menschen auf dieser Welt die Dimension der Hoffnung in handfester Form gibt, und dass die Menschen sich nicht als Prügelknaben dieser Welt vorkommen. Aber da gibt es dennoch Haderungsmomente.

DIE FURCHE: Zum Beispiel?

Küberl: Ich erinnere mich an eine Ausspeisungsstätte in Gomel in Weißrussland, wo es zum Verzweifeln war, zu sehen, wie es den Leuten dort geht. Ich bin dort in die Kapelle gegangen und habe gesagt: Ich kann nicht mehr. Ich mag nicht mehr. Ich kann diese Umstände als gläubiger Mensch nicht kapieren. Ich habe dann aber verstanden: Es bleibt nichts übrig, als die Ärmel aufzukrempeln und zu versuchen, die Lage zu verbessern - selbst wenn man nur ein paar Millimeter weiter kommt.

DIE FURCHE: Sie sind mit dem II. Vatikanum groß geworden. Wie wichtig war und ist das Konzil für Sie?

Küberl: Ich bin in Wirklichkeit ein doppeltes Glückskind. Ich gehöre jener Generation an, die nie ein Problem hatte, Arbeit zu finden: Uns sind immer alle Türen offen gestanden - das ist heute unvorstellbar! Und kirchlich bin ich ein Glückskind wegen des Konzils, das mir den Weg gezeigt hat, gemeinsam um die Gestalt der Kirche und des Glaubens zu ringen.

DIE FURCHE: Nach dem Aufbruch des Konzils ist der Rückschlag gekommen. In Österreich jedenfalls nach dem Katholikentag 1983, den letztmals alle Teile der Kirche gemeinsam getragen hatten.

Küberl: Eigentlich begann der Rückschlag schon mit dem Österreichischen Synodalen Vorgang 1974, der das Konzil umsetzen sollte. Doch die Beschlüsse, die damals österreichweit in großer Einhelligkeit gefasst wurden, waren mit einem finanziellen Vorbehalt versehen. Und es gab niemanden, auch bei den Bischöfe nicht, der gesagt hat: Wie schauen wir, wie das, was da beschlossen wird auch bewältigt werden kann? Außerdem sind dann innerkirchliche Fragen über Jahrzehnte hinweg bestimmend geworden - Zölibat für Priester, die Pille usw. Die Kirche war da so mit ihrer Positionierung in diesen Fragen beschäftigt, dass der Katholikentag 1983 mit dem Papstbesuch gerade noch ein Aufblitzen war. Damals konnte man wohl noch sehen, welche Kraft da dahinter steckte, wenn man sie denn will...

DIE FURCHE: aber man wollte sie offensichtlich nicht. Denn nach dem Rücktritt Kardinal Königs 1985 kamen die Bischofsernennungen, die ganz offensichtlich ein römischer Versuch waren, die Uhren zurückzudrehen.

Küberl: Auslöser der römischen Umschwenkung waren aber Menschen aus Österreich! Ob wirklich alle Flugzeuge nach Rom mit bestimmten Gruppen voll waren, kann ich nicht beurteilen, aber die Vernaderung der Ära König war eine innerösterreichische Entwicklung. Eine entsetzliche, für die der Katholizismus einen viel zu hohen Preis gezahlt hat. Diese Zeit war nicht einfach, um es vornehm zu umschreiben. Da war die Möglichkeit, in die Caritas zu kommen, eine Brücke für mich.

DIE FURCHE: Es setzte sich da auch eine duale Wahrnehmung von Kirche fest: die "böse Kirche", das was bestimmte Bischöfe repräsentierten, und die "gute", das war die Caritas. Sie hatten also Glück.

Küberl: Die Caritas hatte Phasen, wo sie als eine schönere Tochter der Kirche gesehen wurde. Parallel dazu haben wir aber auch unendlich viel Reibung in die Gesellschaft gebracht - Stichwort Flüchtlinge oder Armut, wo wir vielen Menschen eine unangenehme Botschaft übermittelt haben, nämlich, dass es keinen ungestörten Fruchtgenuss des Reichtums gibt. Es gibt kein Paradeisgartl, in dem der Österreicher ungestört seine Benefizien zu sich nehmen kann. Aber da kommt auch etwas anderes hinzu: Die Caritas hat durch ihr unbedingtes Engagement zugunsten der sozial Schwächeren auch Kirche in einer ganz anderen Weise gebündelt. Nur drei Beispiele - das Marienstüberl in Graz, der Canisibus in Wien oder die Tagesstätte für Obdachlose in Linz: die vielen Ehrenamtlichen, die dort mitarbeiten, die würden, wenn sie über Kirchenbilder reden, über ihr Marienbild oder über den Zölibat heftig miteinander debattieren. Aber in der Sorge, dass man den Menschen, die in Not sind, beistehen muss, sind sie sich eins. In diesem Sinn hat die Caritas auch eine kirchenstiftende Funktion.

DIE FURCHE: Was für kirchliche Perspektiven sehen Sie? Rund um die Wahl von Papst Franziskus gab es ja viele, die eine Strukturreform der Kurie verlangten.

Küberl: In einer Institution wie der Kirche stellt sich immer die Frage nach der zeitgemäßen Form des Zusammenwirkens von Laien und Geistlichen. Aber es ist ebenso wichtig, dass sich die Kirche weltweit sozialethisch bemerkbar macht. Wir müssen die Armen lieben, weil der Herrgott alle Menschen gleich liebt. Aber man muss gleichzeitig fragen, woher die Armut kommt.

DIE FURCHE: Was bedeutet das für einen gläubigen Menschen?

Küberl: Die Frage der Gläubigkeit entscheidet sich an der Frömmigkeit. Fromm heißt ja, als gläubiger Mensch lebenstüchtig zu sein. Fromm zum Leben. Diesen Kern der Frömmigkeit halte ich hoch: Die Kapazität in diesem Leben zugunsten derer, denen es nicht so gut geht, möglichst viel in die Waagschale zu werfen. Das ist die Frömmigkeit, die wir brauchen.

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