Bewegung in der Kirche

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Zu den kirchlichen Erneuerungsbewegungen zählt auch die Cursillo-Bewegung, die in Österreich Tausende Katholiken geprägt hat.

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Zu den kirchlichen Erneuerungsbewegungen zählt auch die Cursillo-Bewegung, die in Österreich Tausende Katholiken geprägt hat.

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Wenn wir nicht in dieser Zeit beim Cursillo erfahren hätten, was Kirche wirklich bedeutet, dann würden wir heute wahrscheinlich auch das Handtuch werfen und sagen: Diesen alten Herrn, die da heute in der Kirche an den Hebeln der Macht sitzen, denen folgen wir nicht gerne oder gar nicht nach", erklären Helga und Wilfried Breitler. Das Ehepaar aus Niederösterreich ist schon seit 1975 in der Cursillo-Bewegung engagiert. Damals haben sie auf die Empfehlung ihres Pfarrers hin den dreitägigen Glaubenskurs besucht, der - wie sie sagen - ihre Leben entscheidend mitgeprägt hat.

Er ist in die Jahre gekommen, der "kleine Kurs" - so die deutsche Übersetzung des spanischen Wortes "Cursillo". Dieser Tage feiert die Erneuerungsbewegung ihren 50. Geburtstag. Ihren Anfang nahm sie im Jänner 1949 im Kloster San Honoratio am Berg Randa von Mallorca. So lautet zumindest das "offizielle Datum", das sich in der gesamten Literatur über die Bewegung findet. Eigentlich begann es aber bereits ein paar Jahre zuvor, berichtet Pater Josef G. Cascales, der langjährige Leiter des Cursillo in Österreich. "Im Jahre 1994 haben wir - inoffiziell im Kreis von Freunden - in Cala Figuera auf der Insel Mallorca das 50jährige Jubiläum der Cursillos gefeiert. Wir feierten den ersten Cursillo, der vom 19. bis 22. August 1944 dort gehalten worden war. Und wir trafen dort Cursillistas, die ihren Cursillo im Jahre 1944 mitgemacht hatten."

Wie auch immer, seit damals haben mehr als zehn Millionen Menschen auf der ganzen Welt den dreitägigen Glaubenskurs mitgemacht, der von einem Team aus Priestern und Laien gehalten wird. "Der Cursillo will zuerst das Erlebnis des Eigentlichen, des Grundlegenden des Christentums", so Pater Josef: "Unser Christentum ist zu sehr verkopft, wir haben viele Dogmen, wir möchten aber viele Herzen haben". Dennoch legt man bei der Cursillo-Bewegung großen Wert darauf, nicht einer rein emotionellen Frömmigkeit das Wort zu reden, sondern ein "bewußtes Christentum" zu leben.

"Cursillo will nicht selber Bewegung sein, sondern die Kirche in Bewegung halten. Er hat auch seinen Platz in der Gemeinde, um dieses Erlebnis dort einzubringen und weiterwirken zu lassen", erklärt Pater Engelbert Jestl, Diözesanleiter des Cursillo in Wien. "Rückgrat der christlichen Gemeinden und Sauerteig für die ganze Welt", nennen es Helga und Wilfried Breitler: "Die Rechnung unseres Pfarrers damals ist voll aufgegangen. Wir sind vom Cursillo heimgekommen, sind zu ihm hingegangen und haben gesagt: Herr Pfarrer, wo brauchen Sie uns? Aufgaben hat es in der Pfarre jede Menge gegeben. Der Cursillo hat uns damals ausgestattet, daß wir endlich mündige Christen geworden sind, daß uns bewußt wurde, wir haben die Fähigkeiten, und wir sind auch gerne bereit sie einzusetzen."

"Unruhe des Konzils" Daß sich der Cursillo in seiner bewußten Verankerung im alltäglichen Pfarrleben von anderen kirchlichen Erneuerungsbewegungen jüngeren Datums unterscheidet, liegt vielleicht auch daran, daß er, obwohl vorher entstanden, bereits "die Unruhe des Zweiten Vatikanischen Konzils in sich trägt", wie es Cascales ausdrückt. Er sei im Sinne des christlichen Sauerteigs in unserem Land, im deutschen Sprachgebiet und in Europa wirksam geworden, so würdigt ihn Kardinal König in seinem Vorwort zu einer Festschrift zum 70. Geburtstag von Pater Josef unter dem Titel "Mitarbeiter Eurer Freude" (Hermagoras Verlag, 1998).

Der Cursillo bemühe sich, prophetisch zu sein, so Cascales, "die Zeichen der Zeit zu beobachten, zu interpretieren und zuzupacken". Der christliche Glaube müßte viel mehr aktualisiert werden, meint der langjährige Motor der Cursillo-Bewegung in Österreich, "schon in der Darstellung, in der Art wie man ihn verkündet". In dieser Hinsicht sei der Cursillo durchaus als kritisch zu verstehen.

Auch hier unterscheidet sich der Cursillo von manch anderer Erneuerungsbewegung, meint das Ehepaar Breitler: "Also, auf konservativer Seite steht der Cursillo sicher nicht. Er orientiert sich an Jesus Christus und solange Christus der Mittelpunkt ist, wird diese Bewegung auch nicht konservativ sein, sondern immer wieder den Weg mit ihm gehen. Dieser Weg wird sicher auch immer lebendig und spontan sein und nicht verknöchern, verhärten und verkrampfen, sondern offen für das Wirken des Heiligen Geistes."

Mit dieser Haltung hat sich der Cursillo auch in Österreichs Kirche nicht nur Freunde gemacht. Daß man bei den Kursen schon von Beginn an die Laienpredigt pflegte und Frauen eine gleichberechtigte Rolle spielen, hat bei manchem Kirchenvertreter durchaus Irritation hervorgerufen. Auch daß Pater Josef Cascales vor einem Jahr eine Unterstützungsaktion für den romkritischen Brief des Tiroler Altbischofs Reinhold Stecher, startete und dabei von Priesterkollegen über 1.000 Unterschriften bekam, wurde nicht nur goutiert. Manche "Cursillistas" sehen in dieser Aktion einen Grund dafür, daß die Cursillo-Bewegung nicht zum Salzburger Delegiertentag zum "Dialog für Österreich" eingeladen wurde, während Vertreter viel kleinerer Gruppierungen von den Bischöfen entsandt wurden. Immerhin haben in Österreich ca. 70.000 Menschen in den letzten 40 Jahren einen Cursillo besucht.

Eine beachtliche Zahl, doch die "fetten Jahre" des Cursillo scheinen vorbei zu sein: Die Kurse sind heute nicht mehr so voll, wie in der Anfangszeit des Cursillo, es werden auch im Laufe eines Jahres nicht mehr so viele gehalten, wie einst, und um den Nachwuchs in der Bewegung ist es nicht gerade üppig bestellt. Für Jugendliche direkt war der Cursillo nie gedacht, wohl aber für junge Erwachsene, um bewußt eine Glaubensentscheidung nach diesem Kurs zu treffen. Doch die strömen nicht gerade in Scharen zum Cursillo, bedauern auch Helga und Wilfried Breitler: "Wir überlegen bei den Mitarbeitertreffen, woran es liegt, daß immer weniger junge Menschen bereit sind, so einen dreitägigen Glaubenskurs zu machen."

Gescheiterte kommen Einer der Gründe sei, so vermuten sie, daß sich junge Menschen "heute oft nicht mehr verbindlich irgendwo Zeit nehmen wollen", um für einen Cursillo freiwillig drei Tage des Urlaubs zu opfern. Dafür kämen immer häufiger jene, die in ihrem Leben gescheitert seien, die vor Scherben stehen, die keinen Ausweg mehr sehen.

Es werde immer schwieriger Menschen zu begeistern, meint auch Pater Engelbert Jestl, "gerade auch in der Situation der heutigen Kirche". Von der Aufbruchsstimmung des II. Vatikanums sei heute in der Kirche oft nur mehr wenig zu spüren. Das mache sie für junge Menschen nicht gerade anziehend. Doch, so Pater Jestl, "die Kurse selber sind von einer derartigen Lebendigkeit getragen, und auch bei den Mitarbeitern ist nach wie vor eine Begeisterung da, die nicht umzubringen ist".

In einem Punkt stimmen die meisten "Cursillistas" überein: Was bei einem Cursillo passiert, ist - wie jede lebendige Erfahrung - nur schwer zu beschreiben. Am besten, so die häufige Antwort, man erlebt es selbst.

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