Wie klingt Gott? - © iStock/GeorgePeters (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger)
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Bibelwissenschaftlerin Birnbaum: „Zu fragen, wie Gott klingt, galt lange als unangemessen“

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Anton Bruckner (1824 bis 1896), der große Meister der sakralen Musik, hätte am 4. September seinen 200. Geburtstag gefeiert. Ein Interview mit der Bibelwissenschaftlerin und Sängerin Elisabeth Birnbaum, über die Frage, wie Gottes Stimme klingen könnte und warum sich Komponisten vieler Epochen gescheut haben, seine Stimme zu vertonen.

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Anton Bruckner (1824 bis 1896), der große Meister der sakralen Musik, hätte am 4. September seinen 200. Geburtstag gefeiert. Ein Interview mit der Bibelwissenschaftlerin und Sängerin Elisabeth Birnbaum, über die Frage, wie Gottes Stimme klingen könnte und warum sich Komponisten vieler Epochen gescheut haben, seine Stimme zu vertonen.

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DIE FURCHE: Sie haben sich als Bibelwissenschaftlerin und ausgebildete Sängerin wissenschaftlich mit der Frage nach der Stimme Gottes beschäftigt. Wie klingt Gott?

Elisabeth Birnbaum: Das ist eine interessante Frage. Lange Zeit wollte man sich ihr in der Musik gar nicht stellen. Ob es angemessen ist, Gott selbst sprechen oder singen zu lassen, wurde zum Beispiel vom großen Reformator des Oratoriums, Apostolo Zeno, im 17./18. Jahrhundert klar verneint. Seinem Beispiel folgten einige Zeit lang viele andere Musikschaffende. Von Gott wurde gesprochen, seine Worte zitierten andere, meist der „testo“, der „Erzähler“ beziehungsweise „Evangelist“, doch die direkte Rede fehlte. Berühmtestes Beispiel dafür ist Joseph Haydns „Schöpfung“, der den Bibeltext der Schöpfungserzählung in den Rezitativen wörtlich zitiert.

DIE FURCHE: Hat sich das im Laufe der Zeit geändert?

Birnbaum: Als man später Gott doch als Einzelperson zu Wort kommen ließ, wurde er meist als wuchtiger Bass vertont. Zum Beispiel in bekannten Oratorien der Romantik wie dem „Buch mit sieben Siegeln“ von Franz Schmidt (1938). Die Reaktion auf Gottes Rede könnte pompöser nicht sein: Ein vielstimmiger Chor stimmt ein ausgedehntes Halleluja an, das neben Händels Halleluja aus dem Messias wohl eindrucksvollste der Musikgeschichte.

In der Frühromantik gewinnen die Oratorien noch an Dramatik. Auch die Zurückhaltung der Komponisten, Gottes Stimme hörbar zu machen, schwindet nach und nach wieder. Das Problem einer musikalisch würdigen Ausgestaltung bleibt jedoch. Einige Kompositionen umgehen das Problem und lösen es damit zugleich: Sie besetzen Gott durch einen Chor. Dabei entstehen oftmals musikalisch interessante Effekte. Die ansonsten nicht weiter auffällige Kantate von Bernhard Klein, „Hiob“ (1820), lässt Gott durch einen einstimmigen Männerchor mit Posaunenklang sprechen.

DIE FURCHE: Wurde Gott immer männlich vertont, oder gibt es Beispiele, wo Gott etwa durch eine Frauenlage gesungen wird?

Birnbaum: Es muss nicht immer ein Männerchor sein. Felix Mendelssohn Bartholdy wählt in seinem „Paulus“ (1836) einen besonderen Zugang: Er lässt den himmlischen Jesus durch einen vierstimmigen Frauenchor wiedergeben. Die ruhigen, strahlenden Holzbläserdreiklänge lassen das Bekehrungserlebnis des Saulus zu einem friedvollen, beinahe zärtlichen Geschehen werden.

Die Vielstimmigkeit als Darstellung der Stimme Gottes erlebt einen besonderen Höhepunkt in der Oper „Moses und Aron“ (1932) von Arnold Schönberg. Die musikalische Darstellung ist äußerst eindrucksvoll und geprägt vom Begriff „unvorstellbar“, der die Oper durchzieht. Gleich zu Beginn der Oper bezeichnet Moses Gott als „einzigen, allgegenwärtigen, unsichtbaren und unvorstellbaren“ Gott. Die Berufung des Mose am Dornbusch ist dementsprechend umgesetzt: Die „Stimme aus dem Dornbusch“ wird hier nicht von einer Person gesprochen oder gesungen, auch nicht von einem Chor alleine, sondern von einem Sprechchor und sechs Solostimmen zeitgleich.

Der Zusammenklang von gesungenen Frauen- und Männerstimmen einerseits, die polyphon versetzt erklingen, und dem durchwegs zeitgleich skandierenden, ebenfalls gemischten Sprechchor erzeugen einen eindrücklichen Klangteppich, der dennoch Textdeutlichkeit ermöglicht. Gott spricht eindringlich, lautstark, auffordernd und fordernd. Seine Stimme lässt sich nicht festlegen auf Mann oder Frau, hoch oder tief, gesungen oder gesprochen. Im Dialog mit Mose, einer Sprechrolle, übertönt er diesen an Lautstärke und Suggestivkraft. Der Unvorstellbare wird dadurch in seiner Uneindeutigkeit und seinem Geheimnis belassen.

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