"Bietet den Männern öfter die Stirn!"

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Frauen aller Konfessionen vereinigt euch - so hätte das Motto der Studientagung 1999 von Missio Austria lauten können.

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Frauen aller Konfessionen vereinigt euch - so hätte das Motto der Studientagung 1999 von Missio Austria lauten können.

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Auf der erstmals ökumenischen Veranstaltung in St. Gabriel in Mödling zum Thema "Vom Rand in die Mitte. Frauen in der Verkündigung" forderten Frauen aus aller Welt eine Reform christlicher Kirchen. Ein Gespräch mit der feministischen Theologin Reinhild Traitler-Espiritu.

dieFurche: Sie bezeichnen Frauen als letzte Kolonie unserer Zeit. Warum?

Reinhild Traitler-Espiritu: Weil Frauenleben abgeleitetes Leben ist - abgeleitet von Rollen, die mit der Geburt und der Erhaltung des Lebens zu tun haben. Abgeleitet aber auch, weil Frauen ökonomisch, emotional und kulturell von Männern abhängen und immer mehr von Gewalt bedroht sind.

dieFurche: Gibt es Ihrer Meinung nach auch Gewalt innerhalb der Kirchen?

Traitler-Espiritu: Die Kirchen tun sich selbst den allerschlechtesten Dienst, indem sie die Menschen, die am treuesten zur Kirche stehen und die Kirche am meisten lieben - und das sind mehrheitlich die Frauen - von gewissen Ämtern ausschließen. Ich kann doch nicht aus biologischer Verschiedenheit eine soziale Diskriminierung ableiten. Das ist eine Form von Gewalt!

Außerdem wird in Sprache und Symbol dafür gesorgt, daß Frauen unsichtbar sind. Frauen aus allen christlichen Kirchen weisen das einseitig männliches Gottesbild und die emotionale Dürre der herkömmlichen Liturgie zurück.

dieFurche: Manchmal hat man aber den Eindruck, daß feministische Alternativliturgien die Spielwiese einer kleinen Exklusivgruppe sind. Frau tanzt um den Altar der Göttin, wird von den Kirchen aber nicht ernstgenommen.

Traitler-Espiritu: Die Großkirchen sind in ihrem Kerngeschäft tatsächlich wenig vom Feminismus berührt. Dabei sollten sie fragen: Warum machen denn die so einen Lärm? Gibt es da Defizite? In solchen Randgruppen ist soviel verlorengegangenes Wissen gespeichert. Die feministischen Theologinnen erfinden ja nichts Neues. Wir nehmen nur die Fülle christlicher Tradition in Anspruch.

dieFurche: Welchen speziellen Beitrag können Frauen für Kirche und Gesellschaft leisten?

Traitler-Espiritu: Wir müssen eine politische Spiritualität für das Leben entwerfen und uns für Liebe in Gerechtigkeit einsetzen, nach dem Motto: Was gut ist für arme und unterdrückte Frauen ist gut für alle. Frauen können eine ganzheitliche, ja synkretistische Spiritualität für das Leben entwickeln. Mit Synkretismus meine ich nicht ein esoterisches Mischmasch. Ich meine damit, daß wir das gemeinsame geistliche Erbe der Menschheit aus anderen Religionen und Kulturen ernstnehmen sollten. Globalisierung besteht ja nicht nur daraus, daß alle Coca-Cola trinken. Es gibt ja auch eine Globalisierung guter Gedanken.

Frauen dürfen außerdem ihren Körper in die Waagschale werfen, das heißt Spiritualität auf die Erde holen, wieder auf den Rhythmus des Körpers hören.

dieFurche: Aber ist das nicht genau wieder das Klischee: Frauen sind ganzheitlich und körperbetont, der Mann ist Geist?

Traitler-Espiritu: Wir wollen das ja nicht nur für Frauen. Auch den Männern würde es nicht schaden, sich ihrer Körperlichkeit und Endlichkeit bewußt zu werden. Wir wollen insgesamt zu einem neuen und viel partnerschaftlicheren Geschlechterverhältnis. Es ist doch weder eine Perspektive, Sklavin noch eine Perspektive, Herr zu sein! Die Defizite von Männern und Frauen sind heute nur spiegelverkehrt:Wir Frauen müssen dieses kleinkarierte und provinzielle Denken ablegen, das sich nur auf die Gestaltung des kleinen Alltags konzentriert. Wir müssen uns trauen, bei der Gestaltung der Welt mitzutun und auch Macht auszuüben. Den Männern würde es umgekehrt sehr gut tun, nicht immer nur durch die Welt zu flitzen, sondern zu sehen, wie zeitaufwendig und mühsam Frauenarbeit ist. Es denkt sich eben leichter, wenn man sich nicht dauernd um die Scheiße der Kleinkinder kümmern muß!

dieFurche:Haben Sie Tips für Frauen, die Gesellschaft und Kirche neu gestalten möchten?

Traitler-Espiritu: Was ich vor allem gelernt habe, war der Satz: Es ist möglich. Es ist möglich, der Kultur der Gewalt und der zerstörerischen Macht die Spiritualität des Lebens entgegenzusetzen. Die christlichen Frauen Europas werden etwas bewirken: stet und beharrlich.

Für meine Studentinnen habe ich einige Strategien formuliert, die bitte mit einem Augenzwinkern aufzufassen sind: * Habt keine Angst, Emanzen zu sein! Besser Haare auf den Zähnen als Pistolen in der Hand.

* Bietet den Männern nicht immer die Brust, sondern öfter die Stirn!

Das Gespräch führte Angelika Walser.

ZUR PERSON Feministin mit Leib und Seele Die in Österreich geborene Protestantin Reinhild Traitler-Espiritu war langjährige Mitarbeiterin im Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf. Heutet leitet sie den Studien- und Bildungsbereich im Evangelischen Tagungs- und Studierzentrum Boldern in der Schweiz. Sie arbeitet in ökumenischen Gremien wie dem Ökumenischen Forum christlicher Frauen in Europa mit. Weiter ist Traitler-Espiritu Ko-Präsidentin des "European Women's College" und Gastreferentin an der Harvard Episcopal Divinity School, Cambridge, USA.

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