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Bis der weiße Rauch aufsteigt...

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Das große Rätselraten um die Per-on des kommenden Papstes hat bereits begonnen. Vielfach werden schon Stimmen laut, die Glauben machen

wollen, daß diesmal sicher kein italienischer Kardinal zum Papst gewählt werde. Hiebei wird auf die Zusammensetzung, des . heutigen Kardinalkol-legiumsr-wrwie*en, das unee ;83;“Miri gliedern nur 29 Italiener gegenüber 53 Nicht-Italienern zählt. 1939, beim Konklave, aus dem Pius XII. hervorging, standen noch 35 italienische Kardinäle 27 Nicht-Italienern gegenüber. Alle jene aber, die diese Betrachtungen aufstellen, vergessen auf das Konklave von l.58 hinzuweisen. Beim Tode Pius XII. zählte das Kardinalkolleg 18 Italiener und 37 NichtItaliener, die Wahl eines Nicht-Italieners wäre damals relativ leicht gewesen und erfolgte dennoch nicht! Warum? Wer dieser Frage nachzugehen sich bemüht, kommt zu der merkwürdigen Erkenntnis, daß neben den offiziellen Gesetzen für die Papstwahl, wie sie Pius X. festlegte und die folgenden Päpste ergänzten, sich im Laufe der Jahrhunderte auch ein Gewohnheitsrecht herausgebildet hat, das die Kardinäle bei der Wahl eines Papstes meistens sehr genau beachten. Dieses Gewohnheitsrecht besteht aus sechs Grundsätzen, die im folgenden kurz dargelegt seien:

1. Grundsatz: Es wird ein Kardinal gewählt.

Dieser Satz ist seit dem 14. Jahrhundert in ununterbrochener Geltung. Theoretisch könnte zwar jeder erwachsene männliche (unverheiratete) Katholik zum Papst gewählt werden, er müßte nicht einmal Priester, geschweige denn Bischof sein. Hier im Konklave ist dieser Grundsatz, der für die Wahl eines Bischofs im frühen Christentum Geltung hatte, noch wirksam. Allerdings rein theoretisch. Denn seit dem Tode Urban VI. im Jahre 13 89, der nicht Kardinal war, wurden in ununterbrochener Folge nur mehr Kardinäle zu Päpsten erwählt. Und daran wird sich auch in den folgenden Jahrhunderten kaum etwas ändern. Mit Recht, denn das Suchen nach einem geeigneten Papstkandidaten außerhalb des Kardinalskollegiums müßte notgedrungen eine unendliche Verzögerung in der Wahl eines Papstes mit sich bringen. Und eine lange Sedisvakanz war in der Geschichte der Kirche nie gut. Jedermann kann sich außerdem vorstellen, welche Chancen sich für weltliche Mächte eröffneten, dem Kardinalskolleg passende Persönlichkeiten ,,zu empfehlen“, wenn die Kardinäle auf der Suche nach einem Papstkandidaten auch ihre

Blicke außerhalb des Konklaves richten müßten.

2. Grundsatz: Es wird ein italienischer Kardinal gewählt.

scher Kardinal gewählt, der aus der päpstlichen Diplomatie kommt.

Dieses Gewohnheitsrecht ist erst relativ kurz in Geltung. Zum ersten Mal wurde nach dem Tode Pius VII. im Jahre 1823 der frühere Nuntius in Köln, Kardinal Annibale della Genga, zum Papst gewählt. Ununterbrochen, mit Ausnahme Pius X., ist dieser Grundsatz seit der Wahl Leos XIII. in Übung. Kardinal Pecci war einst Nuntius in Brüssel, Kardinal Rampolla, der „Fastgewinner“ des Konklaves von 1903, Kardinalstaatssekretär, Benedikt XV. Uditore in Madrid, Pius XI. Nuntius in Polen, Pius XII. Nuntius in München und Berlin, Johannes XXIII. Nuntius in Paris. Daß die Kardinäle einen Kandidaten bevorzugen, der aus der päpstlichen Diplomatie kommt oder zumindest zeitweilig dort Verwendung fand, hat seine guten Gründe. Jeder Kardinal, der in der päpstlichen Diplomatie tätig war, kennt die Welt und ihre Nöte, er kennt die Lage der Kirche in den verschiedensten Ländern, er spricht meistens mehrere Sprachen, er kennt vor allem auch die Kurie. Dazu kommt noch, daß fast alle Kardinäle die Diplomaten waren, große Erfahrung in der Leitung von Diözesen besitzen.

Werden doch viel Nuntien, die zu Kardinälen kreiert werden, zu regierenden Erzbischöfen ernannt. So war Leo XIII. nach seiner Tätigkeit als Nuntius Erzbischof von Perugia, Benedikt XV. Erzbischof von Bologna, Pius XL Erzbischof von Mailand, Johannes XXIII. Patriarch von Venedig.

4. Grundsatz: Es wird ein italienischer Kardinal gewählt, der aus der päpstlichen Diplomatie kommt und nicht zu jung und nicht zu alt ist.

Zu jung heißt: unter 60 Jahren, zu alt: über 80 Jahre. Leo XIII. war bei seiner Wahl 68 und ebenso Pius X., Benedikt XV. 60., Pius XL 68 und Johannes XXIII. 76 Jahre. Ein zu junger Papst — in aller Ehrfurcht sei dies gesagt — birgt die Gefahr in sich, zu lange zu regieren. Und eine zu lange Regierungszeit kann sich nur allzu leicht abnützen.

5. Grundsatz: Es wird ein italienischer Kardinal gewählt, der aus Nordoder Mittelitalien oder aus dem Gebiet des ehemaligen Kirchenstaates stammt.

Johannes XXIII., Pius XL, Benedikt XV., Pius X. stammen alle aus Norditalien, Leo XIII. aus dem Gebiet des ehemaligen Kirchenstaates, Pius XII. war Römer.

6. Grundsatz: nicht den Kardinal-Staatssekretär des letzten Papstes zu wählen, wenn grundsätzlich mit dem neuen Papst auch eine neue Linie in der Regierung der Kirche eingeschlagen werden soll.

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