Bischof des weiten Horizonts

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Erinnerungen an einen väterlichen Freund. Metropolit Michael Staikos zum 3. Todestag von Kardinal König.

Kardinal Franz König. Nicht nur ein Name, sondern vielmehr ein Begriff. Er fehlt mir sehr, als Vater und Freund. Ich habe ihn fast 40 Jahre gekannt. Zuerst war er ein Vater und später hat er mich zu seinen Freunden gezählt. Er war eine Leitfigur, die mein Leben und Wirken, besonders geprägt hat. Er war eine Schule, wo man in der Praxis sehen konnte, was Verantwortung und Konsequenz im Umgang mit dem Anderen und mit dem Anderssein bedeuten. Er war ein wahrer Kirchenfürst im Geiste des Dienstes für das Volk Gottes, die Ökumene und das interreligiöse Gespräch.

Ich habe den Kardinal aus nächster Nähe erlebt und viele Erinnerungen aus gemeinsamen Reisen im Dienste der Ökumene werden mich für immer begleiten und seine Vorgangsweise, besonders bei heiklen Missionen, wird mich stets inspirieren. Da war sein Glaube zum spüren, die Aufrichtigkeit und der Respekt vor seinen Dialogpartnern, seine Demut und seine große Fähigkeit, sich der jeweiligen Situation anzupassen, ohne etwas von seiner Würde zu verlieren. Im Gegenteil, er ist dadurch in den Augen seiner Gastgeber oder Gäste gewachsen. Für viele Orthodoxen war seine Persönlichkeit repräsentativ für den ökumenischen Geist des II. Vatikanischen Konzils und der Wende in der Haltung der römisch-katholischen Kirche der Orthodoxie gegenüber.

Erster Besucher im Phanar

Pro Oriente hat nicht nur seine Unterschrift getragen, sondern wurde als "seine" Stiftung betrachtet und entsprechend behandelt und geschätzt. Sie wurde schließlich zum einmaligen "Laboratorium" der christlichen Einheit und sowohl für das Ökumenische Patriarchat als auch für die anderen orthodoxen Kirchen die Öffnung der Orthodoxie zum Westen.

König hatte als erster Kardinal den Ökumenischen Patriarchen Athenagoras inoffiziell besucht und bis zu seinem Tod war er ein stets willkommener und hoch geschätzter Gast im Phanar. Diese Wertschätzung dem unvergesslichen Kardinal gegenüber führt während dieser Tage den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. nach Wien, um aus Anlass des dritten Todestages seiner zu gedenken und den von der Stiftung "Communio et Progressio" ihm verliehenen Kardinal-König-Preis zu empfangen. Eine Geste, die nichts mit Formalitäten zu tun hat, sondern vielmehr aus der Liebe des Herzens entspringt.

Die Ökumene war für den Kardinal ein Herzensanliegen. Wir sind Gott dankbar, dass wir in Österreich in einer "paradiesischen" ökumenischen Situation leben. Und nach Gott verdanken wir dies Kardinal König, denn sein Geist, seine Gesinnung, seine Einstellung waren bahnbrechend und sie verpflichten uns, den Weg, den er eingeschlagen hat, weiterzugehen.

Dialog mit allen Menschen

Es wäre jedoch ungerecht, die Größe und Wichtigkeit der Persönlichkeit von Kardinal König nur auf Grund seiner Verdienste um die Ökumene zu bemessen. Alle haben den großen Kardinal Franz König nicht nur als den Förderer der Ökumene, sondern auch als den besorgten Oberhirten der Erzdiözese Wien, den verdienten Diplomaten im Kalten Krieg, den weit vorausblickenden Konzilsvater und späteren Kurienkardinal, den profunden Religionswissenschaftler, den Bischof des weiten Horizonts und des Dialoges mit allen Menschen gekannt. Überall, wo die Kirche ihn gerufen und gebraucht hat, hat er vorbildlich gearbeitet, Geschichte geschrieben und bleibende Erinnerungen hinterlassen. Diejenigen, die ihn näher kennen lernen konnten oder durften - ich hatte diesen großen Segen - wissen, dass er in erster Linie ein Mensch des Gebets war. Die tägliche Feier der heiligen Eucharistie war die Quelle seiner geistigen und spirituellen Nahrung und das Brevier war sein "Freund und Wegbegleiter", während der letzten Jahre in den Abendstunden am Dach seines Wohnheimes und zuletzt im Krankenbett.

Ich weiß, wie sehr Kardinal König für die Kirche, für alle Menschen, für die Ökumene gebetet hat. Das Gebet war ihm ein Bedürfnis, aber auch eine Ausdrucksform seines erlebten Glaubens an Gott und an die Gemeinschaft mit Jesus Christus, "denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen" (Joh 15,5).

Das Gebet hat ihn gestärkt, sein Kreuz als Mensch und Bischof würdig und christlich auf den steilen Weg zu seiner persönlichen Auferstehung und Erlösung zu tragen. Durch das Gebet ist er schließlich zur befreienden Erkenntnis gekommen, dass man den Tod ins Auge fassen und ihn geistig überwinden muss, um den eigentlichen Sinn des Lebens bewusst erfahren zu können.

Der Kardinal suchte im Himmel das Heil und die Freude, besonders jene Freude, die ihm die Kirche und die Welt nicht immer schenken wollten oder konnten. Er hat tatsächlich das Ewige und die Freude in Gott gesucht und gefunden. Der Kardinal war glücklich und sehr selten habe ich Menschen gesehen, die angesichts des Todes so erlöst und befreit waren wie er.

Die Blumen der Ökumene

Kardinal König hat die Freude und die Erlösung der Auferstehung erlebt. Und aus diesem Grund war es ihm ein Anliegen, stets vom Auferstandenen Herrn und von der Auferstehung zu sprechen. Es war ihm zuwenig, dass nur in der Osternacht das Geheimnis unseres Glaubens, die Auferstehung, im Mittelpunkt der Predigt steht. Er wollte und wünschte sich, dass die Kirche mehr von einem Gott der Menschenliebe, der Barmherzigkeit und der Erlösung sprechen soll, als von einem strafenden Gott. Er meinte: "Christus ist doch in die Welt gekommen, um den Menschen zu retten und nicht ihn zu richten, und seine Auferstehung bedeutet, dass wir Christen nicht wie die anderen sind, die keine Hoffnung haben." Und in diesem Sinne hielt er die Umbenennung der "Entschlafenen" in "Toten" in der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift für einen großen Fehler.

Viele Erinnerungen und Erlebnisse aus einer sehr langen Zusammenarbeit und Freundschaft. Aber auch eine bleibende Aufforderung. Als ich ihn nämlich mit Kardinal Schönborn und einem kleinen Kreis ihm vertrauter Personen am Krankenbett besucht habe, lautete sein "Testament" an mich persönlich: "Sage den Menschen, die Ökumene muss weitergehen."

Zum seinem dritten Todestag tragen die Blumen der Ökumene an seinem Sarg in der Gruft seiner Bischofskirche die Schleife mit dem Versprechen: "Lieber Herr Kardinal, die Ökumene geht weiter".

Der Autor ist griechisch-orthodoxer Metropolit von Austria.

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