Alois Kothgasser - © APA-FOTO: NEUMAYR / Berger S.

Erzbischof Alois Kothgasser: "Brauchen 'Schubser' vom Hl. Geist"

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Der Salzburger Erzbischof im FURCHE-Weihnachtsinterview.

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Der Salzburger Erzbischof im FURCHE-Weihnachtsinterview.

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Seit Jänner 2003 ist Alois Kothgasser als Erzbischof von Salzburg im Amt. Ein Gespräch über die Besonderheiten der Kirche von Salzburg und die Wichtigkeit der Pfarren für die Vermittlung des Glaubens. Als Caritas-Bischof stellt sich Kothgasser erneut hinter die kirchliche Sozialorganisation und würdigt das Sozialwort der Kirchen auch als ökumenische Großtat.

DIE FURCHE: Anfang 1998, als neuer Bischof von Innsbruck, haben Sie der Furche gegenüber gemeint, Sie wollten ein Tiroler werden. Nun sind Sie seit Jahresbeginn Erzbischof von Salzburg: Werden Sie jetzt ein Salzburger?

Erzbischof Alois Kothgasser: Teilweise bin ich Tiroler geblieben, denn das Tiroler Unterland, gehört ja zur Erzdiözese Salzburg . Aber ich bin daran, mich in Salzburg einzuleben und zu inkulturieren, denn Salzburg ist eine beachtliche Kulturstadt und zugleich eine offene Stadt.

DIE FURCHE: Ist die Kirche von Salzburg anders als die Kirche von Innsbruck?

Kothgasser: In Innsbruck war die Diözese doch sehr jung, während ich in Salzburg der 90. Bischof bin! Salzburg hat eine große Tradition - mit ihren Vorteilen, denn das, was die Fürsterzbischöfe von Salzburg aufgebaut haben, steht vielfach heute noch. Aber es hat auch Nachteile: Denn wo Kirche zu sehr in der rein säkularen Herrschaft steht, dort bleibt manches an Lasten der Geschichte zurück. Salzburg ist auch stark von der Wirtschaft geprägt. Das geht zu Gunsten vieler Menschen. Aber vieles ist auch sehr stark auf das Geschäft und eher auf das Materielle konzentriert. Die geistigen Werte bleiben dann leicht zurück.

DIE FURCHE: Welche konkreten Akzente möchten Sie da setzen?

Kothgasser: Wir planen ähnlich wie in Wien eine "Stadtmission" oder "Stadtpastoral" - wie wir sie nennen werden. Wir wollen dabei in Salzburg-Stadt die christlichen Werte, die ja da sind, bewusster machen aber auch auf Menschen zugehen, die diesen Zugang zum Glauben nicht mehr haben.

DIE FURCHE: In Wien wurde diese "Stadtmission" ja ganz bewusst von bestimmten geistlichen Bewegungen, so genannten Movimenti, getragen. Wird das auch in Salzburg so sein?

Kothgasser: Hier wollen wir eng mit den Pfarrgemeinden zusammenarbeiten. Wenn eine solche Mission oder Pastoral nicht durch die Pfarrgemeinden gestützt wird, dann fürchte ich, dass es nur ein kurzlebiger Aufbruch ist; wenn das jedoch in die Pfarrgemeinden selber, in diese Grundstruktur übergehen kann, dann hat es mehr Zukunft und kann langfristiger wirken.

DIE FURCHE: Sie haben sich als österreichischer "Caritas-Bischof" auch zur Flüchtlingspolitik zu Wort gemeldet. Wie sind Sie jetzt damit zufrieden?

Kothgasser: Es bahnen sich neue Weg an: Wenn das verwirklicht wird, was beschlossen wurde, nämlich dass der Bund 60, das Land 40 Prozent der Kosten übernimmt, dann sind das positive Wege der Zusammenarbeit. Das wird es der Caritas auch erleichtern, manche der Flüchtlinge und Asylanten aufnehmen und weiter begleiten zu können - vor allem in den Wintermonaten, wo es besonders schwer ist -, weil eine gewisse Grundsicherung notwendig ist, wobei ich glaube, man muss sehr wohl darauf achten, dass die Kriminalität nicht indirekt gefördert wird. Aber auch wenn das Asylverfahren verkürzt wird, darf man über den Menschen nicht drüberfahren, sondern der Mensch muss seine Würde behalten.

DIE FURCHE: Die Caritas agiert da aber schon im Sinn der Bischöfe?

Kothgasser: Die Caritas hat die Unterstützung der Bischöfe, denn sie ist die Caritas der Kirche Österreichs. Ich lege sehr viel Gewicht darauf - auch in den Diözesen, dass es etwa die Caritas der Erzdiözese Salzburg ist und nicht eine unabhängig agierende Institution. Denn ihr Auftrag kommt von der Kirche und vom Evangelium her.

DIE FURCHE: Vor kurzem wurde das Ökumenische Sozialwort veröffentlicht. Welche Bedeutung hat dieses?

Kothgasser: Ein Sozialwort ist immer eine schwierige Angelegenheit, denn wenn es geschrieben ist, ist es teilweise schon veraltet. Darum kann Aufgabe eines Sozialwortes nur sein, grundlegende Aussagen über den Menschen und seine Würde klar auszusprechen und in der Gesellschaft bewusst zu halten.

DIE FURCHE: Im Sozialwort heißt es auch: "Die Botschaft der Kirchen ist dann glaubwürdig, wenn sie durch das eigene Engagement gedeckt ist."

Kothgasser: Wir werden sowohl in der Caritas-Direktoren-Konferenz als auch in der Erzdiözese Salzburg das Sozialwort genau durchgehen und die Konsequenzen besprechen: Ich werde immer wieder rückfragen, inwieweit dieses Sozialwort bewusst gemacht worden ist und welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Denn ich glaube, es ist eine echte Stütze zur Analyse: Wo sind bei uns Situationen, die der Würde des Menschen nicht entsprechen?

DIE FURCHE: Das Besondere am Sozialwort ist, dass es ökumenisch erarbeitet wurde.

Kothgasser: Das ist ein ganz konkreter Schritt zur Einheit der Kirchen! Gott sei Dank gibt es Bereiche, wo echte Fortschritte gemacht werden. Fast möchte ich sagen: Es ist eine Gnadenstunde, dass 14 Kirchen ein gemeinsames Wort übers konkrete Menschsein aus christlicher Sicht zustande bringen.

Das ist sehr erfreulich. Die Kirchen müssen im Angesicht der globalen Probleme und der Anforderungen des neuen Jahrtausends in der Vermittlung des Evangeliums an die Völker der Welt zusammenrücken: Da sollten wir bald so weit kommen, dass wir manche Ärgernisse überwinden - vor allem in dem Punkt, wo die Trennung am schmerzlichsten ist: das ist die Frage von Abendmahl und Eucharistie. Da bleibt noch einiges zu tun - da muss uns der Heilige Geist noch einen ganz schönen Schubser' geben.

DIE FURCHE: Das Sozialwort wäre dann ein notwendiger, aber noch kein hinreichender Schritt auf dem Weg zur Einheit?

Kothgasser: Ein notwendiger, ein konkreter Teilschritt, aber noch fehlt die Mitte - eben die Eucharistie, das Abendmahl, denn von dort geht ja dann auch der soziale Einsatz aus, wie es Paulus im ersten Korintherbrief sagt: dass es nicht geht, den Leib des Herrn zu empfangen, aber nicht Leib des Herrn zu sein im Miteinander und Füreinander. Von daher ist für Christinnen und Christen die Frage höchst dringlich. Es ist ja auch ein bleibendes Ärgernis, dass Christen das Evangelium verkünden wollen und untereinander nicht gemeinsam dieses Evangelium leben. Es ist dringlich, das, was theologisch schon erarbeitet ist - und das ist nicht wenig! -, auch auf die Ebene der Kirchenleitungen zu bringen, damit dort eine entsprechende Wegsuche erfolgt, wie man zu einer differenzierten Einheit kommen kann.

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