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„Brauchen wir einen Papst?”

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Ein schmales Bändchen mit 71 Seiten, dessen Besprechung man üblicherweise mit zwei Sätzen an den Rand der Ankündigungen setzt. Das geht in diesem Fall nicht. Es bringt die beiden Vorträge der bekannten Papstdisputation im Kölner Rundfunk, die unter dem Reißertitel „Brauchen wir einen Papst?” am 22. Jänner dieses Jahres abgeführt wurde.

Der evangelische Sprecher, Propst Asmussen, sprach zuerst: Das Papsttum ist heute in ganz hohem Maße eine Instanz der christlichen Verkündigung (S. 17). Selbst der Kreml spürt, daß man sich ein rein negatives Verhältnis zu ihm nicht mehr leisten kann. Die landläufige katholische Begründung des Primats aus seiner Zweckmäßigkeit ist vom Standort des Glaubens und der Theologie belanglos. „Mit mir bitten unzählige evangelische Christen, uns zu sagen, in welchem Sinne das Papsttum pneumatisch unerläßlich sei” (S. 20). Die Schwierigkeit? „Wir Evangelische halten es für untragbar, wenn neben dem Glauben und der Taufe mit gleichem Gewicht noch andere Bedingungen für das Christsein gestellt werden” (S. 21). Asmussen bringt die „Vorleistung” des Glaubens an den Primat in Parallele mit der Forderung der Judenchristen auf Beschneidung als Vorbedingung für das Christsein. Die Taufe (das mit Christus Gekreuzigtsei’n) und die Bibel (das Wort Christi) sei allen Christen gemeinsam. Der Heilige Geist wirke in allen Kirchen. Man müsse katho- lischerseits den Evangelischen wahrscheinlich machen, „daß im Katholizismus das Papsttum sein Gewicht vom Glauben und von der Taufe erhalte, aber nicht umgekehrt” (S. 31). Petrus habe zweifellos einen besonderen Auftrag vom Herrn empfangen, aber das verbindende Glied zwischen diesem und den Päpsten ist nicht deutlich gegeben. Das frühe Christentum war nicht zentralistisch (S. 34). Die Uebersteigerung des Zentralismus in der katholischen Kirche „rechtfertigt das Mißverständnis (1) der Evangelischen von der Freiheit” (S. 36). Sowohl die russisch-orthodoxe Kirche wie bestimmte Kreise der Evangelischen hätten ihre Bereitwilligkeit unter Beweis gestellt, frühere kirchliche Entscheidungen zu revidieren. Vom Papsttum her müßte den Westkirchen mindestens die Freiheit gewährt werden, die den unierten Kirchen des Ostens zugestanden ist.

Sprecher der Katholiken war der Stadtdechant von Köln, Robert Grosche. Er stellt fest, daß in der evangelischen Theologie Mt. 16 heute mit einer befreienden Unbefangenheit (Oscar Cullmann besonders) betrachtet wird. Es bestehe zwischen katholischer und evangelischer Exegese eine weitgehende Uebereinstimmung über die Vorrangstellung des Petrus vor und nach der Auferstehung des Herrn. Die katholische Kirche hat immer von hier aus. also biblisch, den Primat begründet. Christus ist und bleibt das Haupt der Kirche. Es ist darum verkehrt, wenn auch Katholiken von einer Papstkirche sprechen. Aber Christus hütet Seine Herde weiter in der sichtbaren Kirche durch den Papst und die Bischöfe, die Nachfolger der Apostel „continua protectione”. „Mittels des konkreten Evangeliums und konkreter wirksamer Zeichen und konkreter Werkzeuge und Institutionen ist der Herr in Seinem irdischen Leib gegenwärtig” (S. 55). Nach Mt. 28 ist nicht nur Glaube und Taufe, sondern auch das dreifache Amt Einsetzung Christi. Wohl wird bei Mt. 16 nicht von der Nachfolge des Petrus gesprochen. Wenn man das vom Herrn verwendete Bild — Fundament und Kirchenbau — so preßt, daß nach Petrus der Bau ohne Fundament weitergehen soll, wird das ganze Gleichnis sinnlos. Grosche stellt die entscheidende Gegenfrage: „Wenn es sich hier nicht um ein der Sichtbarkeit der Kirche entsprechendes sichtbares Fundament handeln soll, warum hat dann Christus den Petrus überhaupt zum Fundament der Kirche bestimmt, wo er doch selbst das eigentliche Fundament ist?” (S. 57). Darum ist Jesu Wort nur dann verständlich, „wenn dieser Fels Petrus für alle Zeiten nach der Himmelfahrt die Aufgabe haben soll, den Bau, den die Pforten der Hölle nicht überwältigen sollen, zu sichern” (S. 58), dann ist auch Petrus für alle Zeiten „Garant und Symbol der Einheit der Kirche”. Mt. 16 ist nicht nur als Vorschrift, ist als Prophetie zu verstehen, und Grosche erläutert das am Beispiel, wie die Urkirche sich ihrer Berufung für die Heiden unter der Führung des heiligen Petrus erst allmählich bewußt wurde. Auf die besorgte Frage Asmussens, ob nicht durch die Lehre vom Papst der Heilige Geist ausgeschlossen werde, antwortet Grosche: „Das Amt kann nicht vom Geiste getrennt werden” (S. 64). Das erste Konzil der Apostel beginnt seine Entscheidung mit den Worten: „Es hat dem Heiligen Geiste und uns gefallen.” Dieses „u n d” ist schriftgemäß. „Wir erfahren es immer wieder, wie schwer es unseren nicht- katholischen Brüdern fällt, dieses ,und’ zu verstehen”, aber es kann von denen, die sich auf die Bibel berufen, nicht übersehen werden. — Bekommt durch den Primat Glaube und Taufe ein geringeres Gewicht? Die Geschichte schon der ersten Jahrhunderte erweist, daß der Papst Hüter der Offenbarung Jesu Christi gewesen ist, und so ist es bis heute geblieben. — Auf die Sorge Asmussens, daß durch den Zentralismus der katholischen Kirche alle Zwischeninstanzen aufgeschluckt wurden, gibt Grosche zurück: schon Newman hat in bewegten Worten über den Zentralismus geklagt, aber dieser wurde ausgelöst durch viele die Einheit der einen Kirche gefährdende Tendenzen: „Der Papst ist Garant und Symbol der Einheit der Kirche. So können wir nur sagen, daß die Kirche Christi da ist, wo der Papst ist” (S. 70). Die getrennten Brüder sind „auf Grund ihrer Sehnsucht und ihres Verlangens nach dem mystischen Leib Christi auf die Kirche hingeordnet” (ebenda) und haben insofern teil am Heiligen Geist. „Die abgeschlitterten Teile eines goldhaltigen Berges sind selber noch goldhaltig” (Pius XL). So ist auch diese Sehnsucht der getrennten Brüder nach der einen Kirche das Werk des Heiligen Geistes in dieser Weltstunde, in der durchaus nicht ketzerisch oder höhnisch, sondern im Heiligen Geiste gefragt wird: „Brauchen wir einen Papst?”

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