Bringschuld aller Player

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Dieser Tage geht der Entwurf für ein neues Islamgesetz in Begutachtung. Trotz aller Diskussionen geht es darum, den Islam nicht per se "unter Verdacht" zu stellen.

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Dieser Tage geht der Entwurf für ein neues Islamgesetz in Begutachtung. Trotz aller Diskussionen geht es darum, den Islam nicht per se "unter Verdacht" zu stellen.

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In Zeiten, in denen nicht nur die üblichen populistischen Kulturkämpfer, sondern sogar intellektuelle Leitmedien wie die Zeit, den Islam "unter Verdacht", wenn auch mit Fragezeichen, stellen, ist es nicht einfach, für einen kühlen Kopf zu plädieren. In dieser Lage könnte es verwegen erscheinen, ein neues Islamgesetz auf den Weg zu bringen - denn allzu viele Zwischenrufer positionieren sich da, die glauben machen, man könne per Gesetz Phänomene wie die Anziehungskraft extremistischer Islamisten auf bestimmte (Jugend-)Milieus auch in diesem Lande in den Griff bekommen. Das Problem ist aber mit Law and Order nicht zu lösen, sondern bedarf einer langfristigen Strategie. Die medial hochgekochten Probleme rund um nach Syrien reisende IS-Jüngerinnen und -Jünger sind die Spitze einer Entwicklung, die nicht erst seit soeben im Schwange und von daher auch nicht stante pede zu stoppen ist.

Bislang aber führt Hilflosigkeit Regie, die alle möglichen Ideen in die Welt setzt. Deren kurioseste ist (auch wenn sie aus ministeriellem Mund kam) das Ansinnen, eine einheitliche und verbindliche deutsche

Koran-Übersetzung zu schaffen. Das Anliegen dahinter -radikale gewaltverherrlichende Koran-Interpretationen durch eine bestimmte Übersetzungspraxis in den Griff zu bekommen - lässt sich nicht staatlich verordnen, zumal jede Übersetzung des Korans, der für die Muslime nur im arabischen Original maßgeblich ist, bereits eine Quelle interpretatorischer Auseinandersetzung darstellt.

Unaufgeregte Darstellung der Rechte der Muslime

In dem der FURCHE vorliegenden Entwurf fürs Islamgesetz ist auch von einer "Einheitsübersetzung", Gott sei Dank, nicht die Rede, sondern von einer Islamischen Religionsgesellschaft wird eine "Darstellung der Lehre einschließlich eines Textes der wesentlichen Glaubensquellen (Koran und allenfalls Hadithe)" verlangt, der den Inhalt dieser in deutscher Sprache wiedergibt.

Das hier Zitierte mag als Hinweis gelten, dass der Gesetzesentwurf tatsächlich eine unaufgeregte Darstellung der Rechte der Muslime in Bezug auf ihre religiösen Bedürfnisse darstellt. Dieses Gesetz ist kein Sonderrecht (wie es manche gern hätten), das Muslime unter staatlichen Verdacht stellt. Verstöße gegen die Rechtsordnung können und sollen von dieser geahndet werden. Und dort, wo es um die Wachsamkeit vor Gewaltbereitschaft und Radikalisierung geht, greifen eher andere gesellschaftliche Instrumentarien, etwa "Deeskalationsprogramme", wie sie in Bezug aufs rechtsradikale Milieu längst angeboten werden.

Auch innermuslimischer Diskurs über religiöse Gewalt ist nötig

Kein Gesetz kann außerdem die jeweilige Bringschuld der gesellschaftlichen Player ersetzen. Genau da wäre viel zu tun: Dass religiöse Muslime im Alltag diskriminiert werden, ist weder zu leugnen noch hinzunehmen. Auch dass Religion und religiöse Praxis - nicht nur von Muslimen! - zunehmend als vernunftwidrig gelten, ist kein Ruhmesblatt für eine offene Gesellschaft, ja sogar gefährlich, weil dies die gesellschaftsstiftende Kraft der Religiösen aushöhlt.

Natürlich gibt es für die muslimische Seite auch eine Bringschuld, nämlich die Bekämpfung radikaler Tendenzen im Islam und den Diskurs darüber, warum die Legitimation von Gewalt aufgrund der eigenen religiösen Quellen möglich ist: Wenn der Islam jene friedliebende Religion des allerbarmenden Gottes ist, dann darf man von seinen Vertretern die leidenschaftliche Verteidigung dieses Religions-und Gottesbildes und des daraus resultierenden Menschenbildes erwarten. Wer aber hinschaut, entdeckt: Solch innerislamischer Diskurs scheint in Gang zu kommen. Man hofft, dass er auch öffentlich klar geführt wird.

Der Entwurf des Islamgesetzes bietet dazu Hilfen an, wenn etwa hierzulande bis zu sechs islamisch-theologische Universitätslehrposten vorzusehen sind: Der Islam beginnt dann wirklich heimisch zu werden, wenn auch der theologische Diskurs im Lande und nicht anderswo geführt wird.

otto.friedrich@furche.at

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