6720234-1965_09_08.jpg
Digital In Arbeit

Bruder im Herrn

Werbung
Werbung
Werbung

Den in den getrennten Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften geborenen Menschen ist die Schuld an der Trennung nicht anzulasten. Sie stehen durch den Glauben an Christus und die Taufe in einer gewissen, nicht vollständigen Gemeinschaft zur katholischen Kirche und werden von den Katholiken als Brüder im Herrn (Augustinus) anerkannt. Sie erfreuen sich gewisser äußerer und innerer Güter, wie der Bibel, Gnade, göttlicher Tugenden und Gaben des Heiligen Geistes, die von Christus ausgehen und zu Ihm hinführen. Der Zugang zu der Fülle und dem Segen der Heilmittel steht unzweifelhaft der katholischen Kirche Christi zu.

Der Ökumenismus strebt unter dem Wehen der Gnade des Heiligen Geistes, „um durch Gebet, Wort und Werk wieder zu jener Fülle der Einheit zu gelangen, die Jesus Christus will“ (4). Er bemüht sich, der Gerechtigkeit und Wahrheit nicht entsprechende Worte, Urteile und Taten auszumerzen. Ferner vermittelt Er durch von wohlunterrichteten Sachverständigen geleitete Dialoge allen Beteiligten eine bessere Kenntnis der Lehre und des Lebens jeder von beiden Gemeinschaften und eine gerechtere Würdigung derselben. Die Zusammenarbeit in den Aufgaben des Gemeinwohls, das gemeinsame Gebet unter Aufsicht der Hirten sowie die Erneuerung der katholischen Familie fördern die Einheit. Der Katholik soll, die wahrhaft christlichen Güter aus dem gemeinsamen Erbe anerkennen und hochschätzen. Die Landessekretariate für die Einheit — von der Frühjahrskonferenz der österreichischen Bischöfe 1964 ist in Österreich die Catholica Unio damit betraut — legen Einzelheiten fest.

Der Weg zur Verwirklichung der Einheit ist vielfältig. Die Seele der ökumenischen Bewegung sind Erneuerung der Kirche, Bekehrung des einzelnen und Gebet. Es ist der geistliche Ökumenismus. Die dauernde Erneuerung der Kirche im sittlichen Leben, in der Kirchenzucht oder in der Weise der Lehrverkündigung hat recht- und pflichtgemäß zu erfolgen. Die innere Bekehrung, Selbstverleugnung, . Demut und Liebe haben wir zu erbitten. „Auch von Sünden gegen die Einheit gilt das Zeugnis des heiligen Johannes:“,Wenn wir sagen, wir hätten nicht gesündigt, so machen wir Ihn zum Lügner und Sein Wort ist nicht in uns (1. Jo., 1, 10). In Demut bitten wir also Gott und die getrennten Brüder um Verzeihung, wie auch wir unseren Schuldigern vergeben'“ (7). Gemeinsames Gebet bei ökumenischen Versammlungen ist erlaubt und erwünscht, aber keine Kultgemeinschaft.

Die Kenntnis der Lehre, Geschichte und Sinnesart der getrennten Brüder, ihres geistlichen und liturgischen Lebens ihrer religiösen Psychologie und Kultur in umfassenderem Ausmaß ist dem Vorgebildeten empfehlenswert. Zusammenkünfte von Sachverständigen mit kirchlicher Gesinnung eignen sich zur Behandlung theologischer Fragen, bei denen ein jeder mit dem anderen auf der Ebene der Gleichheit spricht. Die Ausbildung der Priesterkandidaten in der Theologie und den Geschichtsfächern in ökumenischer Sicht ist für die künftige ökumenische Arbeit bedeutsam. Die ganze Lehre soll auf klare und verständliche Weise dargelegt werden.

Die Zusammenarbeit im sozialen Bereich für die Förderung des Friedens und der Würde der menschlichen Persönlichkeit, die Pflege von Wissenschaft und Kunst aus christlichem Geist, gegen Hunger, Armut, Analphabetismus und ungerechte Güterverteilung sind einheitsför-dernd.

Ein positives Bild über die getrennten Ostkirchen und die getrennten Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften im Westen anerkennt bei ihnen das gemeinsame katholische Erbe und bietet Anknüpfungspunkte für ein fruchtbares Glaubensgespräch. Die Kirche im Westen ist in Dingen der Liturgie, der geistlichen Uberlieferung und der Rechtsordnung Schuldnerin der Ostkirchen. Die Grunddogmen des christlichen Glaubens wurden auf ökumenischen Konzilen abgeklärt. „Jene Kirchen haben für die Bewahrung dieses Glaubens viel gelitten und leiden noch heute“ (14). Das apostolische Erbe fand bei verschiedener Mentalität und verschiedenen Lebensverhältnissen eine verschiedene Auslegung. Die Feier der heiligen Eucharistie ist Quelle des Lebens der Kirche und Unterpfand der kommenden Herrlichkeit. Eine gewisse Kultgemeinschaft kann unter Umständen mit Billigung des Bischofs möglich sein. Den Katholiken wird die Vertrautheit mit den geistlichen Reichtümern der östlichen Väter angeraten. Verschiedene Formulierungen gleicher Glaubensgeheimnisse ergänzen einander oft mehr als sie sich widersprechen. Die Wiederherstellung der Einheit soll in Einrichtungen und Lebensformen der Kirchen, in Gebet und Dialog über die Lehre und notwendigen Seelsorgeaufgaben durch brüderliche Zusammenarbeit und Ausschluß jeglicher Eifersucht herbeigeführt werden. Bei der Wiederherstellung der Einheit sollen „keine Lasten, die über das Notwendige hinausgehen, auferlegt werben.“ (Apg, 15„m,;,

Die getierinten Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften im Westen enthalten andere Ansatzpunkte für ein fruchtbares Glaubensgespräch. Als Grundlage und Ausgangspunkt kann das Bekenntnis zu Christus als Quelle und Mittelpunkt der kirchlichen Gemeinschaft unbeschadet der Unterschiede in der Lehre über die Menschwerdung und das Erlösungswerk des Wortes Gottes dienen. Ein ausgezeichnetes Werkzeug für das Gespräch können das auf Liebe und Hochschätzung fußende Studium und Betrachten des Wortes Gottes sein, obwohl sie kein authentisches Amt für Erklärung und Verkündigung der Bibel anerkennen. Auch die Taufe, die Eingliederung in den gekreuzigten und auferstandenen Christus sowie das Abendmahl, das private Gebet und die biblische Betrachtung, das christliche Familienleben und Gotteslob eignen sich für den Dialog. Der werktätige Glaube hat viele Einrichtungen zur Behebung der geistlichen und leiblichen Not, zur Förderung der Jugenderziehung, zur Schaffung menschenwürdiger Verhältnisse im gesellschaftlichen Leben und zur allgemeinen Festigung des Friedens hervorgebracht.

Das Dekret warnt zum Schluß vor Leichtfertigkeit und unklugem Eifer. Das Konzil „setzt seine Hoffnung gänzlich auf das Gebet Christi für die Kirche, auf die Liebe des Vaters zu uns und auf die Kraft des Heiligen Geistes“ (24).

Das Dekret über den Ökumenismus steht in der Konzilsgeschichte ohne Gegenstück da. Sein Inhalt, Ton und Form sind positiv und neuartig wie die Konzilseinrichtung der nichtkatholischen Konzilsbeobachter, die „einen entscheidenden Beitrag zum Ökumenismusdekret geliefert haben“ (Bea). Seine Ausführungen sind knapp. Die Sprache fein und gütig. Seine Absicht ist die Begegnung. Es ist die Rechtfertigung bahnbrechender Einheitsapostel im katholischen Bereich, die das Sekretariat für die Einheit beraten. Eine ökumenische Visitenkarte der Konzilsväter und ihr Kommentar zum Gebet des Herrn um die Einheit in zeitgemäßem Sprachkleid. Seine Auswirkung wird das folgende Konzil beurteilen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung