Brunnen: ein Ort der Kirchen

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Was ist der Ort der Kirchen in unserer Gesellschaft? Gerlinde Busse, eine engagierte evangelische Christin aus Innsbruck, erzählt: Es war beim "Christentag" vor drei Jahren. Im Innsbrucker Dom wartete man auf den Zustrom der Besucher. Er blieb mager. Die Menschen drängten sich am nahe gelegenen Adventmarkt. Da fragte einer der beteiligten Pfarrer: Sind wir nicht am falschen Ort? Aus dieser Erfahrung entstand die Initiative der evangelischen und katholischen Kirche, im dez-Einkaufszentrum einen "Brunnen" einzurichten. Ein Raum der Stille, ein Raum für Gespräche, die Möglichkeit der Begegnung und der Beratung. Am Brunnen können Menschen Kraft schöpfen, sich ausruhen und miteinander in tiefere Gespräche kommen als vor bunten Auslagen.

Sind wir nicht am falschen Ort? Die Frage nach ihrem Ort in der Gesellschaft müssen sich die Kirchen heute stellen. Es gibt verschiedene und kontroverse Antworten dafür: Die einen sagen, Kirchen stehen als Wächterinnen der Gesellschaft und dem Staat gegenüber. Aber werden sie damit nicht zunehmend belanglos und marginalisiert zu frommen Nischen? Andere wieder meinen, die Kirchen sollen sich gesellschaftspolitisch wie andere Akteure der Zivilgesellschaft auch engagieren. Aber werden sie damit nicht austauschbar und unkenntlich?

Das Projekt des "Brunnen" in Innsbruck zeigt einen dritten Weg: Mitten am Ort des Konsums, in einer der "Kathedralen" moderner Urbanität, in der der säkularen Religion des Marktes gehuldigt wird, setzen Kirchen ein Zeichen. Sie stellen sich also nicht außerhalb, als distanzierte Zuschauer, die moralische Bewertungen abgeben, die ohnedies meist wirkungslos bleiben. Es ist ein Zeichen für jenes Andere, für das die Kirchen stehen und das es in einem Einkaufszentrum sonst einfach nicht gibt.

Dieses Andere sichtbar zu machen und als Erfahrungsmöglichkeit den Menschen anzubieten ist die Tiefe des Brunnens.

Ich freue mich, dass der "Brunnen" heuer mit dem Diakoniepreis der Evangelischen Kirche ausgezeichnet wurde.

Der Autor ist Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche A.B.

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