Buntes Bild von Völkern, Bräuchen, Sitten

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Etwa 300.000 Muslime leben heute in Österreich. Diese Zahl beruht auf Schätzungen, und erst die Volkszählung 2001 wird genauere Angaben bringen. Daher muss man also noch auf die letzte Volkszählung 1991 zurückgreifen. Allerdings sind hier keineswegs alle Muslime Österreichs statistisch erfasst, etwa Flüchtlinge, Illegale oder Muslime, die aufgrund von Verständnisschwierigkeiten keine Angaben über ihre Religion gemacht haben.

Erstmals wurde der Islam bei der Volkszählung 1981 gesondert erhoben. Deren Ergebnisse wiesen den Islam bei einer Mehrheit von römisch-katholischen Einwohnern (84 Prozent) und Österreichern evangelischen Bekenntnisses (6 Prozent) als drittstärkste Religionsgemeinschaft Österreichs aus (1 Prozent): Es wurden 76.939 Muslime gezählt.

Die Zahl der Muslime hat sich in Österreich in den achtziger Jahren mehr als verdoppelt: 1991 bekannten sich bereits 158.776 Personen zum Islam. Der überwiegende Teil davon stammte dabei aus der Türkei (118.579 Personen). Den höchsten muslimischen Bevölkerungsanteil wies Wien mit 62.305 gezählten Personen auf, gefolgt von Niederösterreich (22.411), Vorarlberg (21.957), Oberösterreich (20.390) und Tirol (14.753).

Die Muslime bilden jedenfalls eine der größten Gruppen innerhalb der ausländischen Bevölkerung in Österreich. Die "konfessionelle", nationale, ethnische, religiöse und soziale Vielfalt des Islam in Österreich zeichnet dabei das Bild eines äußerst vielschichtigen Islam. Auch hinsichtlich der religiösen Praxis ist eine Vielfalt von Praktiken, Bräuchen und Sitten festzustellen.

Wie der Islam nach Österreich kam

Kontakte zu Muslimen hat es in Österreich in der Vergangenheit wiederholt gegeben. Diese waren aber vornehmlich kriegerischer Natur: So beteiligte sich Österreich von 1147 bis 1229 an den Kreuzzügen; die spanischen Habsburger kämpften in zahlreichen Kriegen gegen den Islam auf der Iberischen Halbinsel und in den darauffolgenden Jahrhunderten bestimmten Türkenbelagerungen und ein permanenter Kleinkrieg an der Grenze zum Osmanischen Reich die Beziehungen zu Muslimen.

Mit der Okkupation der beiden Provinzen Bosnien und Herzegowina im Jahre 1878 kam zum ersten Mal eine kompakte muslimische Bevölkerung von über einer halben Million in den Herrschaftsbereich Österreichs. Die Einwohner des Staates Bosnien-Herzegowina waren bis 1908 türkische Staatsbürger, die unter österreichischer Besatzungsherrschaft lebten. Die Muslime bezeichneten sich zur Unterscheidung von den übrigen Türken als Bosniaken, dennoch wurden sie auch von den Nichtmuslimen des Landes als "Türken" betrachtet. Die Okkupation tat den Souveränitätsrechten der muslimischen Bevölkerung keinen Abbruch; die Verwaltung schützte die Gewohnheiten, die Religion, die Sicherheit der Person und das Eigentum der Muslime. Der Islam war in der Monarchie seit 1874 als Religionsgesellschaft anerkannt.

In der Zeit nach dem 1. Weltkrieg bis in die sechziger Jahre hinein war die Zahl der Muslime in Österreich äußerst gering. Es kam daher auch nie zur Bildung einer Gemeinde. Zu Beginn der sechziger Jahre waren nur rund 3.000 Muslime in Österreich anwesend, wovon etwa 500 Personen ständig im Land lebten und 40 bis 50 die österreichische Staatsbürgerschaft besaßen. Die stärksten islamischen Gruppen waren in Wien, Klagenfurt, Graz und Innsbruck anzutreffen. Bei den Muslimen handelte es sich zumeist um Türken und Bosnier, es befanden sich aber auch Albaner, Perser, Kurden, Mazedonier, Pomaken und Araber in Österreich. Die Mehrheit bekannte sich zum hanefitischen Ritus des sunnitischen Islam.

Signifikante muslimische Anwesenheit auf österreichischem Staatsgebiet gibt es erst ab den siebziger Jahren. So kamen in mehreren Wellen Arbeitnehmer ("Gastarbeiter") aus der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien nach Österreich. Durch die in Wien errichteten Sitze der UNO und OPEC waren auch Diplomaten, hohe Beamte und reiche Geschäftsleute in der Stadt, die meisten Muslime gehörten aber der Arbeiterschicht an. Angestellte und Beamte machten nur etwa 2 Prozent der berufstätigen Muslime aus. Auch heute bilden Akademiker und Diplomaten nur eine dünne Oberschicht.

Zu Beginn machte man sich im Westen über die Folgen im Hinblick auf die gesamtgesellschaftliche Entwicklung nur wenig Gedanken. So war man keineswegs darauf vorbereitet gewesen, dass etwa "Jugoslawen", Türken oder Marokkaner ihre eigenen Familien, ihre Lebensweise und Kultur und somit auch ihre Religion mitbringen könnten.

Zunächst sollten sich die Arbeiter im Westen ja auch nur befristet aufhalten - ohne ihre Familien. Tatsächlich ist die Entwicklung jedoch anders verlaufen. Entgegen den ursprünglichen Erwartungen sind die meisten Gastarbeiter geblieben und haben ihre Familien nachkommen lassen.

Rechte der Muslime in Österreich

Der rechtliche Status der Muslime in Österreich ist europaweit einmalig. Einzig in Österreich ist der Islam als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt. Die Anerkennung von Religionsgesellschaften ist bereits im "Anerkennungsgesetz" von 1874 geregelt. Durch das "Islamgesetz" von 1912 wurde diese Anerkennung bekräftigt und in einigen Einzelheiten erweitert. Dieses Islamgesetz stellt die Grundlage auch für die heutige rechtliche Situation der Muslime als "Körperschaft des öffentlichen Rechts" dar.

Ab Mitte der sechziger Jahre sind bereits die ersten Ansätze für die Gründung einer islamischen Kultusgemeinde zu finden. 1979 erteilte das zuständige Unterrichtministerium per Bescheid die Genehmigung zur Errichtung der ersten Wiener Islamischen Religionsgemeinde.

Auch wurde die Verfassung der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich bestätigt. Die Muslime führten nunmehr als anerkannte Religionsgesellschaft die Bezeichnung "Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich". Daneben finden sich noch spezielle Regelungen für Muslime in Österreich, die beispielsweise Regelungen für muslimische Heeresdiener und die Feiertagsregelung für islamische Schüler beinhalten.

Die Islamische Glaubensgemeinschaft hat als Dachorganisation und oberste Religionsbehörde die zentrale Verwaltung der Muslime übernommen; die Mehrheit der Muslime in Öster-reich erkennt die Verfassung und die Richtlinien der Islamischen Glaubensgemeinschaft an. Diverse innerislamische Spannungen sind zwar vorhanden, gelangen aber

nicht immer in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Die Islamische Glaubensgemeinschaft hat sich auch stets um positive Beziehungen zu den österreichischen Behörden und Institutionen bemüht.

Die Islamische Glaubensgemeinschaft hat vor allem Verwaltungsaufgaben der Muslime in Österreich inne. In Österreich ist etwa der Religionsunterricht an öffentlichen Schulen ein Recht von anerkannten Religionsgesellschaften. Auch die Islamische Glaubensgemeinschaft macht von diesem Recht Gebrauch. Etwa 150 Religionslehrer sowie Lehrmittel werden vom Staat bezahlt.

Wie die Muslime organisiert sind

Das eigentliche religiöse Leben wird in Österreich von einzelnen Vereinen und Moscheen bestimmt. Die Begriffe Moschee und Muslimverein sind dabei meist synonym zu verwenden.

Bereits nach der staatlichen Anerkennung des Islam ist eine relativ hohe Anzahl von Vereinen gegründet worden. In der Regel schließen sich einige Privatleute zusammen und gründen einen Verein, der in der praktischen Ausführung ein Mittelding zwischen Moschee und Club ist. Die Betreiber können aber auch ein islamisches Land, eine Europaorganisation oder ein größerer Dachverband sein. Die Vereine verfügen im Allgemeinen über einen Gebetsraum, einen Freizeitclub und ein Geschäft. Als ideelle Mittel zur Erreichung des Vereinszweckes werden genannt: Veranstaltung von Gottesdiensten, Versammlungen, gesellige Zusammenkünfte. Die erforderlichen finanziellen Mittel werden durch Mitgliedsbeiträge und durch freiwillige Spenden aufgebracht. Am häufigsten finden sich türkische Organisationen, gefolgt von arabischen und iranischen Vereinen. Die türkischen Vereine sind in Wien, Tirol, Oberösterreich und Vorarlberg sehr zahlreich und aktiv. Manchmal betreibt eine Gruppe gleichzeitig mehrere Moscheen.

Unterscheiden kann man bei den türkischen Vereinen zwischen "Islamischen Kulturzentren" ("Sülemanli-Bewegung": diese verfügen über mehr als 20 gut ausgestattete Vereine mit Zentrum in Wien), "ATIB-Vereinen", die über die türkische Botschaft geleitet werden (Avusturya Türk Islam Birlik: bundesweit existieren etwa 40 Vereine), und Vereinen der "AMGT" (Auropa Milli Görüs Islam Birlik; etwa 30 Vereine). Weiters gibt es arabische Muslimvereine (Wien, Graz, Linz, Innsbruck und Bregenz), bosnische Vereine, die meist in den neunziger Jahren entstanden, Vereine der Aleviten, Pakistani, Iraner, Albaner (vorwiegend Kosovo-Albaner), Kurden sowie schiitische und Sufivereine.

Die Mehrzahl der in Österreich lebenden Muslime zeigt sich weder politisch besonders engagiert, noch fällt sie durch ihre religiöse Glaubenspraxis auf. Die Anerkennung als öffentlich rechtliche Körperschaft und die damit verbundenen Rechte und Pflichten haben wesentlich zu einer gerechten und friedlich-entspannten Situation der Muslime in Österreich beigetragen. Es finden sich zwar auch einzelne fanatische Gruppierungen und fundamentalistisch eingestellte Muslime, der Großteil der österreichischen Muslime hat aber andere Sorgen als Politik oder Islamisierung des Westens. Das Leben dieser Muslime ist vielmehr geprägt von Existenzproblemen, Glaubenskrisen und kulturellen Anpassungsschwierigkeiten. Diese Muslime, die in Frieden mit der österreichischen Gesellschaft leben möchten, geben sich meist damit zufrieden, wenn sie die eigenen religiösen Vorschriften erfüllen und einhalten können.

Die Autorin ist Theologin und Lehrbeauftragte an der Universität Graz. Ihr Buch: "Islam in Österreich. Eine religionssoziologische Untersuchung" (Frankfurt/M 1997), bislang die einzige ausführliche Publikation zum Thema, ist zur Zeit vergriffen.

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