Burgenländisch = Kroatisch

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Seit 1923 findet in Mariazell die Kroatenwallfahrt statt. Am letzten Augustwochenende kommen sie aus dem Burgenland, aber auch aus kroatischen Gemeinden jenseits der österreichischen Grenze.

Hier wird auch an die ungarischen Kroaten gedacht, die ungarischen Kroaten aus dem Burgenland": Die Kommentatorin tut sich hörbar schwer, als die Kamera in der Basilika über eine Gedenktafel schwenkt, die an die erste Mariazeller Wallfahrt der Burgenländischen Kroaten im Jahr 1923 erinnert. Es ehrt den ORF, dass im Fernseh-Vorprogramm der "Wallfahrt der Völker" auch diese Volksgruppe erwähnt wird, die die für Bosnien bestimmten Glocken auf dem Festgelände mitfinanziert hat.

Und die Assoziation mit Ungarn hat durchaus ihre Berechtigung, gehörte das Burgenland doch bis 1921 zu Ungarn und findet die damals durch eine willkürliche Grenzziehung getrennte Volksgruppe seit 1989 schrittweise wieder zusammen. An nicht weniger als sechs österreichischen Grenzübergängen passiert der Reisende zumindest auf einer Seite der Grenze Ortschaften mit kroatischer Bevölkerung: bei Klingenbach und Schachendorf auf der österreichischen Seite, bei Deutschkreuz und Eberau auf der ungarischen, bei Marchegg auf der slowakischen und bei Kittsee gar an beiden Seiten. Wenn eines Tages die Schengengrenze fällt und nicht mehr nur die Fernstraßen ausgebaut werden, kommen noch etliche kroatische Ortschaften hinzu, die die aufgerissene Naht wie eine Klammer zusammenhalten.

Europäische Union

Im traditionell mehrsprachigen Kittsee habe er beim EU-Erweiterungsfest am 1. Mai den Eindruck gehabt, als würden in erster Linie die Kroaten feiern, erzählt Peter Tyran, der sich als Chefredakteur der Hrvatske novine schon vor der Wende für eine Intensivierung der Kontakte eingesetzt hat. Das Wochenblatt wurde 1910 in der Bischofsstadt Raab (GyÝor) gegründet und später nach Wien transferiert, als der Großteil der Kroaten mit dem Burgenland zu Österreich kam. Etwa ein Viertel der kroatischen Diaspora in diesem Raum, die auf eine Neubesiedlung verlassener deutscher Ortschaften im 16. Jahrhundert zurückgeht, verblieb damals bei Ungarn, ein kleiner Teil gelangte, zuletzt durch einen Gebietstausch mit ungarischen Dörfern im Jahre 1947, an die Tschechoslowakei. Tyran schätzt die Anzahl der Kroaten im Burgenland auf Grund von Umfragen (Volkszählungen geben oft schon auf Grund der Fragestellung ein verzerrtes Bild wieder) auf derzeit 35.000, jene in Ungarn auf 10.000, die in der Slowakei auf 4.000 bis 5.000 und die in Tschechien auf unter 1.000. Hinzu kommen 10.000 bis 15.000 Burgenlandkroaten in Wien.

Tschechien

Den Kroaten in Südmähren, konzentriert in mehreren Dörfern an der Thaya nordöstlich von Laa, hat die Geschichte am übelsten mitgespielt; nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sie in andere Teile Mährens umgesiedelt - jede Familie in ein anderes Dorf, sodass kaum mehr Eheschließungen innerhalb der Volksgruppe erfolgten. Das jüngste Mitglied des Kroatenverbandes in der Tschechischen Republik zählt 45 Lenze, und der alljährlich in JeviÇsovka (Fröllersdorf) abgehaltene Kroatenkirtag lässt nur mehr nostalgische Gefühle aufkommen.

Slowakei

Wenig aussichtsreich erscheint auch der Überlebenskampf der Kroaten im slowakischen Devínska Nová Ves (Theben Neudorf, kroatisch Devinsko Novo Selo), wo die Kommunisten den dörflichen Ortskern mit Plattenbauten eingekreist haben und die Verwandtschaft der slawischen Sprachen die Assimilation fördert. Ein harter Kern kroatischer Intellektueller hält immerhin an seiner Identität fest und veranstaltet auch nach dem Ausbleiben der früher reichlich geflossenen Subventionen alljährlich ein Folklorefestival, zu dem Mitwirkende und Besucher auch aus Österreich und Ungarn herbeiströmen. Eine Partnerschaft mit Neudorf bei Parndorf stärkt den Kroaten den Rücken.

Günstiger sieht es in drei weiteren Dörfern aus, die so wie Devínska Nová Ves heute zur Stadtgemeinde Pressburg gehören: das unweit von Kittsee gelegene Jarovce (Kroatisch Jahrndorf, Hrvatski Jandrof) sowie die donauabwärts anschließenden Ortschaften Rusovce (Karlburg) und ÇCunovo. Von der Bautätigkeit der siebziger und achtziger Jahre nicht so sehr in Mitleidenschaft gezogen, kommt ihnen seit 1989 die weitgehende Autonomie der Stadtbezirke sowie die Nähe zu kroatischen Ortschaften in Österreich und Ungarn zugute. Einen Fürsprecher mögen sie auch im kürzlich angelobten slowakischen Präsidenten Ivan GaÇsparoviÇc finden, dessen Großeltern kurz vor dem Ersten Weltkrieg aus Kroatien zugewandert sind.

Ungarn

Von kroatischem Schulunterricht wie in Österreich oder Ungarn können die Kroaten in der Slowakei vorderhand freilich nur träumen, und die Kirchenverfolgung hat sie schwerer getroffen als die Kroaten im liberaleren Ungarn. Hier gelang es Kroaten aus dem Burgenland immer wieder, Mess- und Gebetsbücher in Burgenlandkroatisch über die Grenze zu schmuggeln, sodass man das Zweite Vatikanum und auch die sprachliche Entwicklung der Volksgruppe im Burgenland mitvollziehen konnte (Burgenlandkroatisch ist eine eigenständige Schrift- und Liturgiesprache). Auch lebten die Kroaten in Ungarn gleichsam in einem Cordon sanitaire: Sie waren nicht nur durch den Eisernen Vorhang von Österreich, sondern lange Zeit auch durch eine Demarkationslinie vom Landesinneren abgeschnitten.

Negativ wirkte sich in Ungarn aus, dass die Kroaten von den Kommunisten mit den Serben in einen "Demokratischen Verband der Südslawen" zusammengespannt wurden, was sowohl in der Sprache als auch in der Brauchtumspflege seine Spuren hinterlassen hat. "Es ist, wie wenn ein Tiroler plötzlich Kärntnerisch redet", illustriert dies Peter Tyran, der von stetig anwachsenden Abonnentenzahlen der Hrvatske novine in Ungarn zu berichten weiß. Auch die von Ägidius Zsifkovics (Egidije ÇZivkovi´c), dem Generalsekretär der Österreichischen Bischofskonferenz, redigierte Eisenstädter kroatische Kirchenzeitung Glasnik kann heute in Ungarn problemlos bezogen werden, und bei den von Bischof Paul Iby forcierten Kontakten mit den ungarischen Nachbardiözesen kommt den in Ungarn zumeist auch das Deutsche beherrschenden Kroaten eine besondere Rolle zu.

Burgenland

Wenn Mitwirkende des renommierten Ensembles "Kolo Slavuj" aus dem Mittelburgenland zu den Proben nach Wien fahren, nehmen sie heute auf dem Abschneider über das ungarische Sopron (Ödenburg) ihre Kolleginnen und Kollegen aus Kópháza (Kohlnhof, Koljnov) mit. Längst haben die Kroaten in Ungarn und der Slowakei die Bezeichnung "Burgenländisch" auch für sich übernommen (Burgenländisch großgeschrieben, weil es sich, so Peter Tyran, um eine Stammesbezeichnung handelt und nicht um einen geografischen Terminus). Die Verwendung des Ausdrucks entspricht ganz der Intention des Landesnamens, der sich auf jene vier westungarischen Komitate Pressburg, Wieselburg, Ödenburg und Eisenburg bezieht, in denen seinerzeit Deutsche und eben auch Kroaten siedelten. Und wenn bei der Mariazeller Wallfahrt Ende August die Mariazeller Wandermuttergottes, die alljährlich in einer anderen kroatischen Gemeinde Quartier nimmt (Bild ganz oben), heuer aus Wien ins slowakische ÇCunovo weitergereicht wird, wächst weiter zusammen, was immer zusammengehört hat.

Der Autor ist freier Publizist.

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