Chance, einen dicken Fisch zu fangen gfangen

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Ein Buch für jene, die nicht ausschließen können, dass beim nächsten Heurigenbesuch wieder einmal amerikanische Touristen am selben Tisch Platz nehmen, und die Runde nach zwei, drei G'spritzten auf den "Nazi" Waldheim zu sprechen kommt. Kein Buch für solche, die sich bei der Stichwahl zur österreichischen Bundespräsidentschaft am 8. Juni 1986 für oder gegen Kurt Waldheim entschieden und damit ihr Urteil ein für allemal getroffen haben.

Kein Buch für solche, die Waldheim stellvertretend für eine Generation von Opportunisten, Karrieristen und Mitläufer am Pranger wissen wollen, die in ihm das Symbol für das unzureichende Verantwortungsgefühl der Österreicher gegenüber ihrer Vergangenheit sehen und denen die Frage, ob damit die richtige Person für die falsche Sache büßt, bes-tenfalls zweitrangig ist. Ein Buch aber für jene, die auch gegen die eigene Meinung recherchieren, die sich von besseren Argumenten überzeugen lassen und für die der Rechtsstaat mit der Gerechtigkeit gegenüber dem Einzelnen steht oder fällt.

Obwohl primär für ein amerikanisches Publikum geschrieben, ist Harold Tittmanns Buch zur Affäre Waldheim mit dem Titel "Die Verteufelung" auch für heimische Leserinnen und Leser eine gelungene Lektüre. Zum einen, weil das Buch trotz aller Detailgenauigkeit spannend ist und sich leicht liest; zum anderen, weil Tittmann der Versuchung widersteht, Verschwörungstheorien nachzubeten. Statt dessen zählt der Jurist die Protagonisten der Kampagne gegen Waldheim auf, erläutert deren Motive, Vorgangsweisen und Vorwürfe und versucht letztere akribisch zu widerlegen.

Nur kurz geht Tittmann auf die Rolle der SPÖ ein, der es - die Niederlage bei der Präsidentschaftswahl vor Augen - gelegen war, wenn Waldheim "braun eingefärbt" würde. Tittmann verfolgt den Weg der Affäre zum Jüdischen Weltkongress und zu dem zum US-Justizministerium gehörigen Office of Special Inves-tigations (OSI). Die Aufgabe dieser Behörde ("der wichtigsten Schaltstelle für die Affäre Waldheim") bestand darin, Kriegsverbrecher aufzuspüren und des Landes zu verweisen.

Noch bevor Tittmann auf die Chronologie der Ereignisse rund um Waldheim eingeht, beschreibt er die Arbeitsweise des OSI. Ein geschickter, aber legitimer Schachzug des Autors, der damit alle Antipathien der Leser auf diese Organisation lenkt. Anhand von drei krassen Fällen beschreibt Tittmann deren Vorgehen: Heranziehung auch unglaubwürdiger Zeugen, Verdeckthalten von für die Angeklagten günstigen Beweisstücken und eine anscheinende Gleichgültigkeit der Gerechtigkeit gegenüber. "Für Routinearbeit des OSI mag dieses Vorgehen möglicherweise nicht typisch sein, doch wenn es um die Chance ging, einen dicken Fisch zu fangen, verfolgten die Juris-ten dieser Behörde die Strategie des Gewinnens um jeden Preis." Waldheim ist ein "dicker Fisch", und Tittmann zeigt, wie dieses "Gewinnen um jeden Preis" jegliche Unschuldsvermutung, alle Einwände und Gegenargumente, die für den "Verteufelten" sprechen, aussticht.

Die einzige grobe Kritik, die man an Tittmanns Buch anbringen könnte, trifft sich mit einem Versäumnis, das auch Waldheim vorgehalten wird. Im ersten Kapitel beschreibt Tittmann die für die ganze Affäre ausschlaggebende Dienstzeit Waldheims am Balkan in einem Halbsatz. Später dann, wenn diese "ärgerliche Kürze" als Hauptvorwurf herhalten muss, geht Tittmann ins Detail. Ein Fehler, der schon Waldheim viel Glaubwürdigkeit gekostet hat.

Trotzdem, wenn es Tittmann nicht gelingt, Kurt Waldheim von der Watchlist zu bringen, liegt es nicht an der Qualität und Überzeugungskraft seiner Recherche. Für die Tilgung Waldheims aus der einen oder anderen persönlichen Watchlist leistet Tittmann aber einen wertvollen Beitrag.

Die Verteufelung. Dokumentation der US-Rufmord-Kampagne, gegen Waldheim.

Von Harold Tittmann, Molden Verlag, Wien 2001, 208 Seiten, geb., öS 268,-/e 19,48

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