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Die Partei "Die Christen" steht bei der Landtagswahl in Niederösterreich erstmals auf den Wahlzetteln. Ihr Programm ist von extremen und skurrilen Ansichten geprägt.

Kleinparteien haben einen großen Vorteil. Man kommt leicht mit ihnen ins Gespräch. So kommen auch Gernot Steier und Dietmar Fischer, die die Plätze sechs und sieben auf der Landesliste der "Christen-Partei" einnehmen, bereitwillig nach Wien zu einem Gespräch mit niederösterreichischen Studenten. Was sie dort im Vorfeld der NÖ-Landtagswahl von sich geben, ist allerdings wenig rühmlich: "Moscheen sind ein Problem, weil sie nicht wie Kirchen bloß Gebetsräume sind, sondern Kasernen Allahs", sagt beispielsweise Steier zur Islam-Debatte, in der er eigentlich für Integration zu sein vorgibt. Wo es eine Moschee gebe, so Steier, entstünden Subkulturen, weil die Leute sich dort abschotten könnten und die Umwelt nicht mehr bräuchten. Dass gerade solche Aussagen einer funktionierenden Integration im Wege stehen, glaubt Steier nicht.

Pharma-Verschwörung?

Dietmar Fischer geht noch einige Schritte weiter und zeichnet das Bild einer haarsträubenden Verschwörungstheorie. Seiner Meinung nach hat Österreich, oder viel eher das gesamte christliche Abendland, ein einziges großes Problem: Die Verhütungs- und Abtreibungsmentalität. Die Pharmaindustrie sorge dafür, dass die Kinder an den Schulen nicht vollständig aufgeklärt würden, um mehr Verhütungsmittel verkaufen zu können. Durch diese "Werbung" hätten die Jugendlichen immer früher Sex, und weil die Verhütungsmittel nicht wirkten, stiege die Abtreibungsrate. "Dadurch fehlt in jeder österreichischen Schulklasse jedes dritte oder vierte Kind." Denn durch Verhütung und Abtreibung würden so viele Kinder getötet, dass man deshalb überhaupt erst Gastarbeiter benötigt. "Bei uns brauchen sie den heiligen Krieg nicht, das machen sie durch Gebären." Grobe Anschuldigungen kommen von Fischer vor allem auch in Richtung des ehemaligen Familienministers Martin Bartenstein. Dessen Familie sei, laut Fischer, eng mit der Pharmaindustrie verbandelt und er selbst habe in seiner Zeit als Familienminister den Grundstein für diese Verhütungs- und Abtreibungsmentalität in Österreich gelegt.

Ähnlich radikale Aussagen bekommen die zunehmend entrüsteten Studenten auch zu den Themen Ehe, Lebensplanung, Kunstfreiheit oder Sterbehilfe. Dabei werden extreme Beispiele herangezogen, etwa "Niemand hat ein Problem mit der Anti-Baby-Pille, aber was wäre wenn jemand eine Anti-Juden-Pille erfinden würde." Auf die gleiche Weise wird auch die Sterbehilfe mit der Ausrottung von ganzen Volksgruppen verglichen, oder die Genforschung mit den Experimenten des berüchtigten Dr. Mengele. Fischer meint, er kenne die absolute Wahrheit in Jesus Christus. Dieser Grundsatz ist für ihn unangreifbar. "Man muss den jungen Leuten zeigen, wie man glücklich wird. Wenn sie das nicht wollen, sind sie selbst Schuld."

Fischer traut seiner Partei in NÖ ein besseres Ergebnis als den Grünen zu. Der Politologe Peter Filzmaier dagegen sieht das Antreten in 20 von 21 Wahlbezirken als größten Erfolg, den "Die Christen" verbuchen werden können: "Die eigentliche Leistung haben sie damit schon vollbracht. Das sind immerhin drei Bezirke mehr als das BZÖ." Die vier Prozent der Wählerstimmen, die für einen Einzug in den Landtag notwendig wären, traut Filzmaier der "Christen-Partei" allerdings nicht zu. Zu klein sei das abgedeckte Wählerspektrum, das klarerweise vor allem aus der Klientel der ÖVP, aber auch aus der der FPÖ komme. Das unvollständige Programm der Christen sieht Filzmaier nicht als Problem, es sei für eine Kleinstpartei nicht erforderlich, alle Themen abzudecken.

Die Schwerpunkte der "Christen" lauten Familie, Erziehung, Lebensschutz und Kultur, ihre Forderungen rücken sie teilweise sehr nah an den rechten Rand des politischen Spektrums. So ergibt sich beispielsweise bei der kategorischen Ablehnung des Hermann-Nitsch-Museums in Mistelbach eine auffällige Parallelität zur FPÖ. Für Filzmaier ist klar: "Hier wird versucht, an Protestwählerstimmen zu kommen."

Doch auch auf anderen Gebieten geben die Forderungen der "Christen-Partei" Rätsel auf. Wenn sie in ihrem Schwerpunkt Lebensschutz beispielsweise ein Verbot des Klonens von Menschen fordern, fragt man sich durchaus zu Recht, ob es wirklich Wähler gibt, denen etwas daran liegt, bereits verbotene Dinge zu verbieten. Gleiches gilt für das geforderte Verbot von aktiver Sterbehilfe sowie die Abschaffung der "Privilegien von Homosexuellen". Steier bekennt sich in dieser Hinsicht zum Populismus: "Die, Aufrechterhaltung eines Verbots' liest sich nicht so gut im Parteiprogramm."

Kritik der Kirchen

Sowohl von der katholischen als auch von der evangelischen Kirche kommt teilweise heftige Kritik. Etwa von Maximilian Fürnsinn, Propst von Stift Herzogenburg, der einen Brief an den niederösterreichischen Landesobmann der Partei, Rudolf Gehring, richtete. In dem Schreiben, das am 18. Februar in den NÖ Nachrichten veröffentlicht wurde, meint Fürnsinn: "Ich halte es für eine gewissen Zumutung, dass eine Kleinstpartei das Logo, Die Christen' verwendet und sich sogar als Sprachrohr aller Christen versteht. Dieser Vertretungsanspruch steht euch nicht zu und schadet in gewisser Weise der Kirche. Diese wird durch euch in eine Geiselhaft genommen." Er könne sich nicht vorstellen, dass einer der Bischöfe eine Wahlempfehlung für die Christen abgeben würde.

Der Bischof der evangelischen Kirche, Michael Bünker, findet ähnliche Worte: "Für das evangelische Verständnis von Religion und Politik ist es immer notwendig, dass sich Christen politisch engagieren und gestaltend auf die Gesellschaft einwirken. Dazu ist es aber nicht nötig, eine Partei zu gründen oder zu unterstützen, die das hohe C im Titel führt, und versucht, christliche Anliegen für sich zu monopolisieren."

Die Erzdiözese Wien gibt sich dagegen zurückhaltend. Allerdings wurde ein Rundschreiben an alle Pfarren versendet, das darauf aufmerksam macht, dass der kirchliche Raum nicht für parteipolitische Wahlwerbungen und dergleichen verwendet werden darf. Pressesprecher Erich Leitenberger verweist dabei auf das Zweite Vatikanische Konzil, wo festgestellt wurde, "dass Christen in politischen Fragen - bei gleicher Sorgfalt der Gewissensentscheidung - zu unterschiedlichen Lösungsvorschlägen kommen können. Für diese Vorschläge dürfen sie aber nicht die Autorität der Kirche in Anspruch nehmen, sondern handeln in eigener Verantwortung." Zu den Anliegen der "Christen-Partei" will Leitenberger nicht Stellung nehmen. Sie sei ein Randphänomen und keiner größeren Aufmerksamkeit würdig.

Roman Fröhlich, Präsident der Katholischen Aktion der Diözese St. Pölten spricht im Zusammenhang mit der "Christen-Partei" von einer "weltfremden und eingegrenzten Sichtweise". "Die Anliegen, die diese Partei vertritt, zeigen sehr deutlich den konservativen Dunstkreis, in dem sie sich bewegt. Das ist weder abgestimmt noch im Einklang mit den Ansichten der Katholischen Aktion oder auch der Amtskirche."

Der Weg für die "Christen-Partei" ist jedenfalls noch sehr weit. Waren für den Achtungserfolg des Antritts bei der Landtagswahl noch 50 Unterschriften pro Bezirk notwendig, so liegt die Vier-Prozent-Hürde für den Einzug in den Landtag doch wesentlich höher. Bei etwa 1,4 Millionen Wahlberechtigten in Niederösterreich und einer Wahlbeteiligung von etwa 70 Prozent, dem Wert bei der letzten Wahl 2003, wären knapp 40.000 Stimmen notwendig. Man muss kein Politikwissenschafter sein, um Filzmaiers Aussage nachvollziehen zu können: "Ein Einzug in den Landtag wäre eine sehr große Überraschung."

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