Christliche "Religions"-Kritik gefragt?

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Was Reichtümer vermögen. Das ist der Titel eines Buches, das vor wenigen Tagen erschienen ist. Die Armutskonferenz und andere Akteure der Zivilgesellschaft wollen mit der Publikation erreichen, dass im dauernden Reden vom Sparen der Blick nicht am angeblichen Mangel hängenbleibt, sondern auch auf die vorhandene Fülle gerichtet wird. Aber über Reichtümer wird nicht gern geredet. Es ist wenig bekannt über Vermögens- und Gewinneinkommen auf der Personenebene. Bekannt ist allerdings, dass die Situation in europäischen Wohlfahrtsstaaten das Jesuswort "Wer hat, dem wird gegeben" bestätigt: Das oberste Fünftel der Haushalte besitzt die Hälfte der Einkommen und mehr als zwei Drittel der Ersparnisse. Gleichzeitig wird die Gesellschaft insgesamt immer reicher. Heißt das, dass die Zahl der Verlierer und Verliererinnen immer größer werden wird? Wo soll das hinführen?

Seit einiger Zeit wird deshalb gefordert, dass auch in Österreich ein "Reichtumsbericht" erarbeitet wird, der den Bestand und die Funktion von individuellem und gesellschaftlichem Reichtum dokumentieren soll.

Was ist Reichtum? Martin Schenk bietet als Definition die vielschichtige Formulierung von den "kapitalen Möglichkeiten". Die sind im Grunde unbegrenzt. Am Times Square in New York war als leuchtende Botschaft zu sehen: "Too much is not enough." Die Verheißung von Unendlichkeit begründet die schrankenlose Vernutzung von Ressourcen aller Art: Natur, Güter, Dienstleistungen, Beziehungen. Einfach alles.

Diese Entwicklung lässt sich wie eine neue Weltreligion beschreiben. Auf der Basis des Marktfundamentalismus, mit den Gewinnmagazinen als Pfarrblättern, mit den Millionenshows als Gottesdiensten und dem Lottogewinn als Erlösung. Eine säkulare Heilslehre, eine "Geldreligion" und ein "Marktgott". Das alles ist nicht neu. Neu ist aber die Reichweite dieser "Religion" (Stichwort: Globalisierung), neu ist ihre individuelle Akzeptanz und ihre gesellschaftliche Tiefenwirkung. Deshalb wird auch die Notwendigkeit einer Kritik dieser "Religion" aus der christlichen Tradition heraus immer dringender. Der Sozialbericht des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich bietet dafür die Grundlage.

Der Autor ist Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich.

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