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Chur: Einübung für Rom?

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Das Zweite Symposion europäischer Bischöfe, das vom 7. bis zum 10. Juli in Chur, Schweiz, stattgefunden hat, ist, von einigen Aktionen des sogenannten „Parallel-Chur“ abgesehen, sensationslos zu Ende gegangen. War es eine Enttäuschung? Hat man Entschlüsse geheimgehalten? Welche Weichen wurden gestellt? In diesen tausendmal gestellten Fragen liegt ein Mißverständnis, das weder dem Vorbereitungskomitee noch der offiziellen Leitung zu beseitigen gelungen war: Chur wollte ■nie eine kontinentale Bischofskonferenz, gleichsam als Zwischenglied von regionaler Bischofskonferenz zur internationalen römischen Synode sein, sondern wollte ganz schlicht und einfach den Bischöfen eine Möglichkeit bieten, unter sich zu sein, gemeinsam Informationen einzuholen und darüber zu beraten, sowie die gemachten Erfahrungen auszutauschen. Schließlich hat die postkonziliare Zeit viel Unruhe in die Kirche gebracht, und die Priester vor ganz neue Situationen gestellt.

Es wäre einfach falsch, im Symposion von Chur eine geheime Ratsversammlung zu erblicken, ein Forum, das Entscheidungen größter Tragweite fällt (oder vorbereitet), Chur als „Einübung für Rom“, das heißt für die kommende Synode, werten zu wollen, eine Verbindung zu dem päpstlichen Motu proprio über die Stellung und Aufgaben der Nuntiaturen, welches Kardinal Suenens zu seinem geharnischten Interview veranlaßte, zu konstruieren. Sosehr das alles behauptet worden ist, so sehr ist es falsch. Es ist der persönliche Kontakt von Bischof zu Bischof, den man am Konzil gewonnen hatte und nun in geeigneten Formen weiter erhalten will, dem dieses und ähnliche Symposien dienen sollen. Entsprechend der Eigenart eines solchen Symposions ist es dann auch schwer genau zu formulieren, was „herausgeschaut“ hat, was die Ergebnisse gewesen sind. Immerhin können Schwerpunkte herausgearbeitet werden.

• Die Stellung des Priesters in einer

sich ändernden Welt zu sehen, war Gegenstand zahlreicher Überlegungen. In zehn markanten Punkten legte der hünenhafte Erzbischof der geteilten Stadt Berlin, Kardinal Bengsch, seine Ansicht dar: Er warnte die Bischöfe, die ohne Zweifel auch „gemachte“, hochgespielte und von manchen Kreisen und Pu-blikationsrr-tteln stark manipulierte Frage nach Sinn und Möglichkeit des Priesters in einer technisierten und urbanisierten Gesellschaft einseitig von der Seite der Anpassung her anzugehen. „Unkritische Anpassung an die Veränderungen in der Welt führt zu falschen Reaktionen, vor allem zur Abschaffung alter Formen ohne Ersatz und zur

Ungeistigkeit!“ „Es ist keine gelungene Anpassung“, erläuterte der Kardinal seine Feststellung, „wenn der Priester seine klerikale Kleidung auszieht, kein Brevier mehr betet, unbedingt Soziologie studieren muß ... Wo Demut, Gehorsam, Gebet, Buße, Kreuz, wo die Früchte des Geistes: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Keuschheit ausfallen, gibt es auch morgen keine christliche Struktur. Und jeder von uns kamn leicht nachprüfen, in wieviel Artikeln, Diskussionen, Programmen dies alles wegfallt.“ In seinem letzten Punkt stieß der Kardinal zum Kern vor: „Der Priester in einer sich wandelnden Welt muß wissen, daß er weder aus den Veränderun-

gen an sich noch aus den Analysen darüber, seinen Weg finden kann, sondern aus den Grundentscheidungen, an denen er festhält, denn menschliches und christliches, auch priesterliches Leben kommt aus Entscheidungen, nicht aus Begründungen allein, nicht aus Analysen, nicht aus Diskussionen ...“

• Ein ganz besonderes Anliegen war die zeitna.he Wortverkündigung. Wieso kommt die Botschaft Jesu Christi, zumal in Arbeiter- und Studentenkreisen, so schwer an? Viele Bischöfe hatten den Eindruck, es werde zuwenig lebensnahe gepredigt, die Wahl der Worte und Bilder sei unseren Tagen fremd geworden. Man mag zu den Vorgängen der florentmischen Pfarrei Isolotto verschiedene Haltungen einnehmen, zu beachten bleibt aber, daß es hier dem schlichten Priester Don Mazzi gelungen ist, die Botschaft Jesu Christi für seine einfachen Pfarrangehörigen aus dem Arbeiterstand verständlich gemacht zu haben. Es wäre falsch, mit dem Hinweis, daß hier manches nicht in Ordnung gewesen sei, den Erfolg Don Mazzis und seine Bedeutung abzutun. Richtig ist vielmehr, das Unzulängliche . zu überwinden und den neuen Weg der Verkündigung und der Seelsorge zu finden.

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