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Die Diskussionen um den Film "Da Vinci Code - Sakrileg" sind ein Beispiel für die Faszination des Themas "Religion und Verbrechen".

Gibt es überhaupt etwas, das eine Auseinandersetzung mit Dan Browns "Da Vinci Code - Sakrileg" für Kirche und Religion lohnend machen würde? Die Ansammlung von theologischen, kirchengeschichtlichen und kunstgeschichtlichen Halbwahrheiten kann es wohl nicht sein. Dennoch ist es bestimmt kein Zufall, dass in zweien seiner Romane, die bekanntlich alle nach demselben Muster gestrickt sind (verschlüsselte Botschaften, Geheimgesellschaften, Verschwörungstheorien usw.), der Vatikan und damit die römisch-katholische Kirche im Mittelpunkt stehen. In dem einen ("Illuminati") mehr oder weniger auf der Opferseite, in dem anderen ("Sakrileg") durch Opus Dei auf Seite der Täter. Damit wird ein Zusammenhang von Religion und Verbrechen, von Kirche und Kriminalität hergestellt, der öffentliche Aufmerksamkeit und nicht zuletzt Erfolg verspricht.

Der Keller des Heiligen

Dieser Zusammenhang erscheint zuerst einmal auf einer trotz aller Geheimniskrämerei sehr rationalen Ebene. Brown präsentiert eine Ansammlung von Rätseln, die allesamt entschlüsselt, decodiert werden können, wenn es einen Fachmann für "Symbologie" (!) gibt. Religion und Kirche haben - so die These - eine lichte Schauseite, aber dahinter verbirgt sich für den Kundigen und die Eingeweihten die wahre Seite der Religion. Um das unkontrollierte Veröffentlichen der zu hütenden Geheimnisse und den damit verbundenen Machtverlust zu verhindern, können rechtlich fragwürdige Handlungen notwendig sein, manchmal sogar richtige Verbrechen. Dieser Grundverdacht gegenüber Religion und Kirche stammt aus dem Rationalismus der Aufklärungszeit, in der er auf die Spitze getrieben wurde. Selbst an der Wurzel des Christentums soll ein solches Verbrechen gestanden haben, nämlich der Betrug der Jünger, die den Leichnam Jesu aus dem Grab gestohlen haben, um so die Erfindung der Auferstehung in die Welt setzen zu können. Man kann sich ungefähr ausmalen, was das für eine Aufregung gegeben hat, als die so genannte "Betrugshypothese" des H. S. Reimarus 1778 von Lessing veröffentlicht wurde!

Aber geht das schon weit genug? Hinter der rationalistischen Ebene liegen tiefere Schichten. Sigmund Freud hat in seinem 1912 erschienenen "Totem und Tabu" die These aufgestellt, dass der Monotheismus generell aus einem Verbrechen entstanden sei, nämlich dem Vatermord der Urhorde. Adolf Holl hat in mehreren Publikationen davon gesprochen, dass Religionen einem Haus mit einem tiefen, mehrstöckigen Keller glichen. Im Keller des Heiligen verbirgt sich das dunkle Geheimnis von Gewalt und Geschlechtlichkeit. Es ist kein Zufall, dass sich die Verschwörungstheorie des Dan Brown rund um die Sexualität Jesu und die Möglichkeit einer Beziehung zu Maria Magdalena rankt. Das berührt ein Tabu und garantiert Aufregung, wir wissen es von der "Letzten Versuchung Christi", von "Jesu Hochzeit", von Herbert Achternbuschs "Gespenst" und vielen anderen Beispielen, deren Reihe mit dem "Liebeskonzil" von Oskar Panizza ihren Anfang genommen hat.

Sex, der alte Aufreger

Die Auseinandersetzung mit den eigenen Schattenseiten und der Gang in den Keller des eigenen Hauses bleibt eine der unerlässlichen Hausaufgaben für jede Kirche und Religion. Sie stellt sich nicht nur als Gebot der Ehrlichkeit, sondern ist eine unerlässliche Voraussetzung für den interreligiösen Dialog und den Widerstand gegen eine fortschreitende Politisierung von Religion. Die evangelische Tradition greift diese Herausforderung auf, indem sie die Kirche selbst als Sünderin versteht und zur steten Reform verpflichtet (eccelsia semper reformanda).

Der Autor ist Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche A.B.

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