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Crux der Liberalen mit dem Kreuz

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Differenziert und rational sollte die Kreuz-Debatte in Osterreich geführt werden, um den modus vivendi von Staat & Kirche nicht zu gefährden.

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Differenziert und rational sollte die Kreuz-Debatte in Osterreich geführt werden, um den modus vivendi von Staat & Kirche nicht zu gefährden.

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Wenn wir Liberale einer ganz undifferenzierten Trennung von Kirche und Staat das Wort reden, dann ist es auch mit der Befreiungstheologie aus, die besagt, daß sich Bischöfe und Gläubige in Unrechtssituationen zu Wort melden und politisch agieren.” Das hat der Landesgeschäftsführer des Liberalen Forums in der Steiermark, der gelernte Theologe und Philosoph sowie langjährig in der Entwicklungshilfe der katholischen Kirche engagierte Wolfgang Pumpernig, jetzt seinen Parteifreunden gesagt. Unmittelbarer Anlaßfall: die Kreuzdebatte, deren Ende Pumpernig vergangene Woche in einem aus eigenem Antrieb der „Kleinen Zeitung” gegebenen Interview gefordert hatte.

Gegenüber der furche präzisierte Pumpernig jetzt seine damalige Motivation:. „Ich war geschockt, als sich auf einmal ein Jörg Haider mit Peter Pilz und Heinz Fischer zu Hütern des Kreuzes aufspielten.”

Pumpernig sieht ein, daß die Debatte um das Verhältnis Kirche-Staat, die Sache mit dem Kruzifix in Schulen ist da ein Teilaspekt, nicht mehr gestoppt werden kann: Dem steirischen LIF-Geschäftsführer geht es aber um eine differenzierende Debatte. (Die Furche hat das längst als einen main-stream erkannt und sich als Dialogforum angeboten.) Deswegen hat er an der Grazer Universität vorgefühlt und wird diesen Freitag dazu auch mit Bektor Helmut Konrad sprechen, um eine interfakultäre und interdisziplinäre Veranstaltung zu diesem Thema anzuregen. „Wenn mir das gelingt, habe ich einen konstruktiven Beitrag zu dieser Frage geleistet.”

Konkret auf die jetzige Situation und' den gegenwärtigen Stand der Kruzifix-Debatte bezogen meint Pumpernig, es gehe nicht um die Frage, ob in Schulen darüber abgestimmt werden soll, ein Kreuz in einer Klasse anzubringen, sondern darum, „wie man eine Situation richtig bewältigt”. „Man kann das ganze ja positiv und von Schülern oder Eltern diesbezüglich auftauchende Fragen als Anlaß sehen, daß sich beispielsweise Christen und Moslems an einen Tisch setzen, auch die Schüler, und anfangen, die Positionen zu erklären. Das sollte in einem Klima geschehen, wo nicht der Christ den Moslem oder umgekehrt missionieren will, sondern in einem Klima, das von der Kultur des Zuhörens bestimmt ist.” Vielleicht gelingt es, so Pumpernig, die Situation so zu transformieren, daß erstens alle zuhören lernen, und zweitens - „das ist für mich das Entscheidende” - alle zu einer Kultur finden, „um die Grenzen des Zumutbaren auszuloten ”. Ohne diese Kultur gehe so eine Debatte den Bach hinunter. Jede Beligion sei mit staatlichen Begelungen nicht kompatibel, weil sie, auf absolute Wahrheiten bezogen, auf je eigene Art gut und bös definiere sowie das, was für das persönliche Heil unbedingt notwendig sei. „Das Verhältnis von Kirche und Staat wird also nur mit einem modus vivendi funktionieren. Und deswegen habe ich Angst. In Österreich haben wir diesen modus vivendi. Zum einen haben wir noch Manifestationen unserer kulturellen Identität, zum anderen haben wir auch andere anerkannte Beligionsgemeinschaf-ten - und es funktioniert in der Praxis. Man muß alles unternehmen, um diesen modus vivendi zu bewahren.”

Staat und Kirche in Österreich haben, so Pumpernig, schon viele heikle Situationen bewältigt, ohne daß großes Porzellan zerschlagen worden wäre; als Beispiel nennt Pumpernig die Abtreibungsdebatte. „Wenn wir jetzt aber in ein Diskussionsklima hineinkommen, wo Leute der verschiedensten religiösen und ideologischen Bichtungen mit Abso-lutheitsanspruch gefordert werden und dann das große Wort führen, dann ist es aus. Davor habe ich Angst, dagegen möchte ich etwas tun.”

Und wenn es die Partei der Liberalen selber ist, die zur Spaltung beiträgt, wie kann ein so differenzierter Denker im Liberalen Forum tätig sein? Pumpernig hat damit keine Probleme, fühlt sich wohl im LIF. „Ich sehe das gespalten. Die Kreuzdebatte hat gezeigt, daß es da einen Bereich gibt, der tabuisiert ist, über den man aber cool reden sollte. Ich habe seinerzeit im Bauorden in Frankreich gearbeitet und danach die Trennung von Kirche und Staat befürwortet, weil ich sah, daß sich die Kirche in Frankreich sehr anstrengen mußte; in Österreich lebt die Kirche in einem abgesicherten Baum. Deswegen, nicht aus liberalen oder antiklerikalen Gründen, gefiel mir damals eine solche Lösung. Aber so etwas kann man ja heute schwer in die Debatte bringen, weil es sofort in einen anderen Zusammenhang gerückt wird.”

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