"Da muss man doch etwas tun!“

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An seinem Arbeitsplatz berät er Unternehmen. In seiner Freizeit wirbt Martin Winkler mit dem Hut in der Hand für mehr Zivilcourage - und sammelt als Gründer von "Respekt.net“ Ideen, Zeit und Geld für ein respektvolleres Miteinander.

Eigentlich agiert er gern im Hintergrund: diskret, vertraulich, ohne unkalkulierbares Risiko. Eine Vorliebe, die ihm als Unternehmensberater mit Schwerpunkt Treasury-Management durchaus entgegen kommt. Über Geld spricht schließlich niemand gerne öffentlich, auch nicht Martin Winklers Kunden.

Doch heute ist der 48-Jährige gekommen, um sich zu exponieren: Mit wachem Blick hinter der markanten Brille und einem mulmigen Gefühl im Bauch, wie er coram publico gesteht, sitzt er im Wiener MuseumsQuartier vor einer Journalisten-Schar - nicht als Berater in Bonitätsfragen, sondern als ganz normaler Bürger. Es geht um sein Herzensanliegen, die von ihm gegründete Internet-Plattform "Respekt.net“, auf der kreative Köpfe ihre Projekt-Ideen für ein respektvolles Miteinander präsentieren und Interessierte Zeit und Geld für deren Umsetzung investieren können. "Die etablierte Politik hat offenbar momentan keine ausreichenden Antworten für die Sorgen und Ängste vieler Menschen parat“, sagt Winkler in die Mikrofone. "Hier ist die Zivilgesellschaft gefordert.“ Eine Online-Börse für engagierte Projekte sei eben ein zeitgemäßer Weg.

Engagement per Mausklick

Als Motto für seine Plattform hat sich der begabte Kommunikator eine knackige Kurzformel ausgedacht: "Engagement per Mausklick“. Jeder sei eingeladen, online Ideen einzubringen oder sie mit Zeit bzw. Geld zu unterstützen. Das Kopieren bereits eingereichter Projekte sei dabei ausdrücklich erwünscht - zum Beispiel jener Initiative, über die der sonst so toughe Finanzstratege beinah ins Schwärmen gerät: das OMA/OPA-Projekt des Vereins NL40. Seniorinnen und Senioren unterstützen dabei Schüler mit Migrationshintergrund beim Lesen - und lernen dabei selbst, Vorurteile abzubauen. "Eine geniale Sache“, ist Winkler begeistert.

Und der Zustrom an Ideen reißt nicht ab: Heute, ein Jahr nach dem öffentlichen Launch von "Respekt.net“, wurden bereits mehr als 160 Projekte eingereicht. Immerhin 50 - darunter das OMA/OPA-Projekt - sind schon ausfinanziert. Rund 700 Investorinnen und Investoren haben über 150.000 Euro für konkrete Projekte gespendet; dazu kommen jene 500.000 Euro der Mitglieder des Vereins "Respekt.net“: "Auf der Website sehen Sie alle Namen und die dazugehörigen Beträge“, stellt Martin Winkler klar. "Ich bin ein Fan von Transparenz.“

Dass man sich damit nicht nur Freunde macht, ist ihm bewusst. "Fürchtest du nicht, dass das auf dich zurückfallen könnte?“, hätten ihn Bekannte gefragt - vor allem angesichts des für Oktober geplanten Projektes "meineabgeordneten.at“, bei dem es um die Offenlegung der Einkünfte, Engagements und Mitgliedschaften von Mandataren geht. Doch mittlerweile könne er sich abgrenzen: "Ich sage Ihnen ehrlich: Ich habe mir das lange genug überlegt.“

Engagement habe schließlich schon immer zu seiner Lebenseinstellung gehört. 1963 als einziger Sohn einer alleinerziehenden Hebamme im Mühlviertler Ort Katsdorf geboren und katholisch sozialisiert, beginnt er in Linz das Studium der Volkswirtschaftslehre. Eine berufspolitische Karriere wäre für ihn, obwohl bei der sozialistischen Jugend aktiv, nie vorstellbar gewesen. "Ich wollte immer unabhängig sein“, erinnert sich Winkler. In Linz bei der voestalpine beginnt er als Controller zu arbeiten, später im Austrian-Industries-Konzern im Bereich Treasury. 1993 tritt er schließlich bei der Unternehmensberatung Schwabe, Ley & Greiner ein und wird ein Jahr später Partner und Geschäftsführer. "Geld hat mich immer fasziniert“, sagt er heute, "und zwar im Hinblick darauf, wie der Wohlstand der Menschen vermehrt werden kann.“ Der Markt selbst habe natürlich kein Sensorium für Gerechtigkeit. Dafür müssten schon die Menschen selber sorgen.

Hetzblatt als Auslöser

Dass es daran - und am gegenseitigen Respekt - oft krankt, habe er am deutlichsten durch seine drei Kinder erlebt, seine "direkte Verbindung zur Welt“. Als sie ihm immer öfter von Rangeleien und Vorurteilen in ihren öffentlichen Schulen berichten, wird er unruhig. Als sie ihm von Social Medias wie "Myspace“ vorschwärmen, wird er neugierig. Und als sie ihm im Rahmen der Wienwahl 2010 ein hetzerisches Flugblatt vor die Nase halten, wird er aktiv: Bekannten mit unterschiedlichsten politischen Beheimatungen schlägt er vor, eine Plattform für engagierte Vorzeigeprojekte zu lancieren - jene Art von Engagement, die sich mit seinem 60-, 70-Stunden-Job gerade noch vereinbaren lässt. "Das Echo war extrem positiv“, erinnert sich Winkler, "alle haben gesagt: Da muss man doch etwas tun!“

20 Leute wurden damals aktiv. Zum ersten Geburtstag seiner Initiative am 20. September, dem "Tag des Respekts“, werden wohl Hunderte ins MuseumsQuartier strömen (siehe Tipp rechts). "Respekt.net muss letztlich so einfach funktionieren, dass man auch völlig ohne Plan und absolut ideenlos die Welt retten kann“, sagt der Finanzstratege. Und er meint das wirklich ernst.

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