Der Sozialwissenschafter Matthias Weber über unterschiedliche Sichtweisen auf die Brennstoffzellen.
Die Furche: Herr Weber, Anfang der 1990er Jahre ist das mediale Interesse an der Brennstoffzellen-Technologie rasant gestiegen. Warum?
Matthias Weber: Ein Grund dafür ist, dass damals die ersten Fahrzeuge vorgestellt wurden, die nicht mehr wie riesige Monstren, sondern wie normale Autos aussahen.
Die Furche: Weshalb erreichte der Hype um 2001 einen Höhepunkt?
Weber: Ein Faktor war sicherlich, dass zu jener Zeit auch die Politik die schädigenden Auswirkungen des Klimawandels als Thema entdeckte. In Kalifornien etwa wurde über strenge Umwelt-Regulierungen diskutiert. Gleichzeitig kam das Versprechen, dass sich mit den Brennstoffzellen-Autos eine massive Reduktion der CO2-Emissionen erreichen ließe.
Die Furche: Daimler Chrysler kündigte damals ein Serienauto für 2004 an. Um 2004 gab es nicht nur kein Auto, sondern auch relativ wenige Medienberichte.
Weber: Wäre Ihnen das eine Nachricht wert gewesen? Wahrscheinlich nicht. Ganz allgemein wurden ungelöste Probleme in den Medien weniger thematisiert. Der Fachdiskurs ist da anders verlaufen: Es gab von Anfang an kritische und euphorische Stimmen. Dabei hat das Interesse an der Technologie ständig zugenommen.
Die Furche: Wenn die Medien den Fachdiskurs nicht 1:1 wiedergeben, ist das nicht ein Problem? Oder haben sie eine andere Rolle?
Weber: Medien sind ein wichtiger Akteur im Innovationsprozess. Gerade auch die Politik schenkt öffentlichen Diskussionen große Aufmerksamkeit. Ja, wir beobachten, dass die Forschungsprogramme ein paar Jahre auf den medialen Hype folgen.
Die Furche: Das heißt: Wenn man Geld für Forschung will, sollte man zuerst einen medialen Hype schaffen?
Weber: Vor so einfachen Schlüssen kann ich nur warnen: Technische Entwicklungen sind immer vielschichtig. Daran sind Wissenschafter, Ingenieure, Politiker, Medien etc. beteiligt. Es ist eine Illusion zu glauben, dass dieses komplexe System von einem einzigen Akteur - etwa einer PR-Abteilung - gesteuert werden könnte.
Die Furche: Was lässt sich denn aus Ihrer Analyse lernen?
Weber: Auf jeden Fall sollte man nicht jeden Hype für bare Münze nehmen. Klassisch glaubt man ja immer, wo viele Wissenschafter arbeiten, kommt der nächste große Durchbruch. Aber das ist ein Trugschluss. Es geht auch um das konkrete Anwendungspotenzial - und da reden andere Leute mit, die andere Probleme sehen, andere Wünsche haben. Es ist wichtig diese unterschiedlichen Diskurse zu berücksichtigen.
Das Gespräch führte Thomas Mündle.