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Ein Vorzeigeprojekt zum Schutz der Biodiversität droht am Widerstand Deutschlands zu scheitern. Ein Duell um Öl und Natur in Ecuador.

In der Dschungelregion im Osten Ecuadors erstreckt sich das Biosphärenreservat Yasuní mit einer Ausdehnung von knapp 10.000 Quadratkilometern. Es ist eine der artenreichsten Regionen der Welt, bewohnt von verschiedenen indigenen Völkern, von denen einige noch keinen Kontakt mit dem Rest der Welt hatten. Eines der letzten Paradiese unseres Planeten, das jedoch beinahe das zerstörerische Schicksal anderer Dschungelgebiete ereilt hätte: das Schicksal Erdöl. Große Landstriche im Osten Ecuadors sind heute verwüstet, die Wälder abgeholzt, die Flüsse und Teiche ölverseucht. Jahrzehntelang haben sich internationale Konzerne, eine Zeitlang auch die österreichische OMV, am Erdöl des ecuadorianischen Dschungels bereichert.

Seit bald vier Jahren ist in der Andenrepublik die Regierung des Linkskatholiken Rafael Correa an der Macht. Sein Energie- und Bergbauminister Alberto Acosta hatte eine visionäre, anfangs als ziemlich verrückt betrachtete Idee: Wir lassen die 850 Millionen Barrel Erdöl, die unter der Oberfläche des Nationalparks vermutet werden, in der Erde, wenn uns die internationale Staatengemeinschaft dafür die Hälfte der erwarteten Erlöse von 7,2 Milliarden Dollar, also 3,6 Mrd., vergütet.

Langwierige Verhandlungen

Die Verhandlungen mit den möglichen Geberländern gestalteten sich sehr schwierig. Präsident Correa war heuer im Frühjahr schon nahe daran, das Modellprojekt abzubrechen und die Region der Erdölförderung zu öffnen. Besonders die reichen Staaten forderten Garantien, ihr Geld wiederzubekommen, falls Ecuador irgendwann in der Zukunft mit der Erdölförderung in der Yasuní-Region doch noch beginnen würde. Doch schließlich kam es zu einer zufriedenstellenden Lösung durch die Einrichtung eines Treuhandfonds unter Leitung der Vereinten Nationen. Im Führungsgremium dieses Fonds, der entsprechend dem dafür vorgesehenen UN-Mechanismus eingerichtet wurde, sitzen VertreterInnen der ecuadorianischen Regierung, von zwei Geberländern, der Zivilgesellschaft und des UNDP.

Im vergangenen August war es endlich so weit: VertreterInnen der ecuadorianischen Regierung, der indigenen Urbevölkerung und des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP) unterzeichneten den Vertrag für die Gründung des Yasuní-ITT-Treuhandfonds. Zahlreiche Länder versprachen nun Einzahlungen in diesen, an führender Stelle Deutschland mit einem sehr hohen Betrag. Doch die Realität sieht anders aus.

Beispiel Deutschland: Im Juni 2008 hatte der Bundestag noch einmütig beschlossen, sich an der Rettung des Yasuní-Parks finanziell zu beteiligen. Doch der neue Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel von der FDP schlägt nun andere Töne an. Die Garantien Ecuadors seien ihm nicht weitreichend genug, andere Länder würden auch nicht zahlen und es könnte nun ja jedes erdölproduzierende Land daherkommen und Kompensationszahlungen für nicht gefördertes Öl fordern!

Deutsche Weigerung

"Wir werden die Einzahlung in den ITT-Treuhandfonds nicht in Betracht ziehen", erklärte der Minister. "Ecuador verliert viel Geld, aber Deutschland das Gesicht", kommentierte María Fernanda Espinosa, Ministerin für das Kultur- und Naturerbe Ecuadors, Ende September bei einem Besuch in Berlin die geänderte deutsche Haltung.

Von Minister Niebel wurde sie nicht empfangen, sondern nur von einem Abteilungsleiter im Ministerium.

Mehr Licht kommt aus Ecuador selbst. Vom 3. bis 5. November tagte in Cuenca die Versammlung europäischer und lateinamerikanischer Parlamente (EUROLAT). Am Ende der Tagung beschlossen die 150 Abgeordneten fast einstimmig die Unterstützung des Yasuní-Projekts. Auf Initiative der beiden EU-Grünen-Abgeordneten Ulrike Lunacek und Catherine Grèze aus Frankreich forderten sie die politische und finanzielle Unterstützung der internationalen Gemeinschaft - insbesondere der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten - für dieses Projekt. "Die Initiative Yasuní ist ein sehr gutes Modell für eine Gesellschaft, die einen respektvolleren Umgang mit der Natur leben will", so Lunacek.

Ecuadors Vizepräsident Lenín Moreno, der auch bei der Unterzeichnung des Yasuní-Vertrages im August dabei war, hatte damals vorgeschlagen, das Wort "yasunisar" ("yasunisieren") in das Wörterbuch der Real Academia Española aufzunehmen. So schnell sind die ehrwürdigen Herren der spanischen Sprachhüterinstitution zwar nicht, doch in Ecuador selbst beginnt sich der Ausdruck schon durchzusetzen. ",Yasunisieren' bedeutet einen evolutionären Fortschritt einer Gesellschaft in Richtung Nachhaltigkeit", schreibt der ecuadorianische Journalist Gustavo Duch Guillot und zählt auf, wo das Beispiel aus dem Andenstaat bereits Auswirkungen zeigt: "Auch im Nigerdelta, in der Laguna del Tigre in Guatemala, im Nationalpark Madidi in Bolivien und in den peruanischen Regenwäldern entwickeln sich zivilgesellschaftliche Initiativen, die die Erdölvorkommen in ihrer Region 'yasunisieren' wollen."

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