Das Ende des katholischen Fundamentalismus

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Die unerträgliche Polemik von Laun hat System: Der radikale Umbruch bringt die letzten Vertreter einer alten Kirchenform schier um Glaube und Verstand.

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Die unerträgliche Polemik von Laun hat System: Der radikale Umbruch bringt die letzten Vertreter einer alten Kirchenform schier um Glaube und Verstand.

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Wieder einmal herrscht Fassungslosigkeit über eine Aussage des emeritierten Salzburger Weihbischofs Andreas Laun. "Ex-Bischof vergleicht Segen für Homosexuelle mit Segen für KZ", meldete der Spiegel vor einer Woche und bezog sich auf einen Gastkommentar Launs für das rechtskatholische Portal kath.net. Darin hatte sich Laun zu Überlegungen deutscher Bischöfe geäußert, kirchliche Segnungen homosexueller Paare zuzulassen:

Den Segen Gottes kann man für Sünder, aber nicht für die Sünde erbitten. Also könnte man kein Bordell einweihen, kein KZ oder Waffen segnen, die nicht ausschließlich zur Jagd oder zur legitimen Verteidigung bestimmt sind. Darum ist klar, man darf auch nicht eine Verbindung segnen, die sündhaft ist, nicht die Mafia, keinen Segen für Vereinigungen oder Einrichtungen geben, die Abtreibung fördern und durchführen oder glaubensfeindliche Ideologien verbreiten, antisemitische Inhalte und andere Formen rassenfeindlichen Denkens.

Wenn man das auf die Waagschale legt, weiß man: Man kann eine Verbindung zweier homosexueller Männer oder lesbischer Frauen nicht segnen.

Immer wieder bemüht Laun den Nationalsozialismus, um die Entschiedenheit seiner Glaubenswahrheit medial auszuleuchten. Systematische Tötung wird zum Schauplatz seiner kirchlichen Lektionen: Konzentrationslager bebildern als Orte der Vernichtung die Lebenswirklichkeit homosexueller Beziehungen.

Diametral gegen Papst Franziskus

Bereits 2011 hatte ihn der damalige Salzburger Erzbischof Kothgasser nach einem Nazi-Vergleich zurechtgewiesen. 2015 musste es sein Nachfolger noch einmal tun, und im aktuellen Fall hat es entschiedenen Einspruch auch von Kardinal Schönborn gegeben. Der Salzburger Erzbischof Lackner stellte unmissverständlich fest: "Weltanschauungsfragen und sexuelle Orientierungen dürfen in keinster Weise mit menschenverachtenden und totalitären Systemen in Verbindung gebracht werden." Aber ändert das etwas? Die als Entschuldigung bezeichnete Erklärung, die Laun vor einigen Tagen abgab, war keine. Er wolle niemand verletzen, schrieb er, ohne erkennen zu geben, dass er das Problem verstanden habe. Entsprechend kommentierte kath.net, dass der Weihbischof seine Position nicht zurückgenommen habe.

Wie auch? Für Laun geht es ums Ganze. Damit liegt er richtig. Verhandelt wird nämlich die Glaubensposition der katholischen Kirche in einem historischen Umbruch, wie ihn die Kirche seit der Reformation nicht mehr erlebt hat.

Das hängt entscheidend mit dem gegenwärtigen Papst zusammen und macht es einem Bischof wie Laun so schwer, angemessen zu reagieren. Dieser Papst fordert die Kirche nämlich dazu auf, die Bedeutung des Evangeliums in den Lebenswirklichkeiten von Menschen zu entdecken, die am Rand stehen. Die in ihrer Existenz gefährdet und verletzt sind. Diesen Menschen hat die Aufmerksamkeit der Kirche zu gelten, um die entscheidende Wahrheit des Evangeliums zur Geltung zu bringen: die unbegrenzte Liebe Gottes. Deshalb steht das Bergoglio-Pontifikat unter dem Vorzeichen der Barmherzigkeit. Der Papst setzt sein Programm in Entscheidungen um, die zu neuen kirchlichen Positionen führen. Die Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion zählt dazu ebenso wie das Ringen um eine andere kirchliche Kultur im Umgang mit homosexuellen Partnerschaften.

Was unter den letzten Päpsten undenkbar schien, führt mit der theologischen Perspektive von Franziskus zu einer anderen kirchlichen Grammatik: Pastoral und Dogmatik bestimmen sich wechselseitig. Die Lebensmacht des Evangeliums bricht im Kontakt mit der Welt durch. Sie steht nicht einfach fest, sondern muss entdeckt werden. Dieser Papst denkt geschichtlich -mit allen Konsequenzen. Das wahrheitssichere Konzept des Naturrechts trifft das am härtesten, denn was als Natur des Menschen gelten soll, ist mit kulturellen Entwicklungen und Festlegungen verwoben. Michel Foucault konnte am Beispiel von Hospizen, Psychiatrien, Gefängnissen und nicht zuletzt der Geschichte der Sexualität nachweisen, dass jede Definition des Menschen an der Macht des Definierenden hängt.

Intellektuelle Vereinfachung

Diese Macht beanspruchte die katholische Kirche lange Zeit erfolgreich. Aber weder überzeugt das theoretische Konzept des Naturrechts angesichts der Herausforderungen von Biotechnologien noch trägt das pastorale Modell des kirchlichen Zugriffs auf die unverrechenbaren persönlichen Erfahrungen von Menschen. Dem wollen Bischöfe Rechnung tragen, wenn sie in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften einen Segen erkennen, den sie vor Gott zum Ausdruck bringen. Sie reagieren nicht nur auf die Tatsache, dass eine verurteilende Kirche Menschen verliert und den Weg zum Evangelium versperrt, sondern auf wissenschaftliche Erkenntnisse in der Beurteilung von Homosexualität. Sie nehmen ernst, was es heißt, geschichtlich an Gott zu glauben, also sich auf Veränderungen im Wissen vom Menschen einzustellen. Katholisch kommt der christliche Fundamentalismus, der sich vor hundert Jahren sein Manifest mit dem Titel "The Fundamentals: A Testimony To The Truth" gab, damit ans Ende. Er scheitert an intellektueller Vereinfachung.

Komplexe Wirklichkeiten verlangen komplexe Antworten und eine entsprechende Glaubensposition. 60 Jahre nach dem letzten Konzil schlägt die katholische Kirche diesen Kurs zunehmend konsequenter ein. Zu diesem Konzil gehört eine theologische Perspektive der Achtsamkeit und Nachdenklichkeit im Kontakt mit der Welt von heute. Die Haltung des Konzils verträgt sich nicht mit einer Sprache verletzender Verurteilungen, in der sich das tödliche Moment der eigenen Glaubenswahrheit durchsetzt: die Politik religiöser Ausschließung und arroganter Besserwisserei. Das Konzil hat damit die Rhetorik jener Abgrenzung überwunden, mit der die ecclesia militans des Antimodernismus gegen Andersdenkende vorging.

Mit welcher kirchlichen Missio?

Als ein letzter Wahrheitsakteur des alten Kirchensystems tritt Weihbischof Laun auf. Fassungslos angesichts der Franziskus-Reformen, bringt er sich um die Katholizität seines Glaubens. Er scheitert an einer Loyalitätspflicht, an die er zu glauben vorgibt, während er konterkariert, was die Regie von Papst Franziskus vorsieht. Die unerträgliche Polemik dieses Bischofs hat von daher System: Der radikale Umbruch bringt die letzten Vertreter einer alten Kirchenform schier um Glaube und Verstand, so wie es schon auf dem letzten Konzil zu beobachten war.

Laun handelt konsequent. Er kann sich nicht entschuldigen, denn daran hängt seine Glaubensexistenz. Für sie kämpft er. Aber aus seiner Wahrheit bricht sprachlich kaum verschleierte Gewalt hervor. Zuletzt haben Bischöfe klar gemacht, dass es in der Kirche keinen Ort für diese Sprache und für diese Perspektive auf Menschen gibt. Anzeigen gegen Laun verpuffen. Die katholische Kirche verfügt über eigene Möglichkeiten. Theologen kann die Lehrerlaubnis entzogen werden. Mit welcher kirchlichen Missio darf dieser Wiederholungstäter bis heute sprechen?

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