Das Erbe der Affäre Dreyfus

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Vor 100 Jahren wurde der Elsässer Hauptmann Alfred Dreyfus (1859-1939) durch den Pariser Kassationsgerichtshof vom Vorwurf der Spionage für Deutschland rehabilitiert und zum Mitglied der Ehrenlegion ernannt. Die Affäre Dreyfus beginnt 1894, als eine Putzfrau in der deutschen Botschaft Reste französischer Geheimpapiere findet. Frankreichs Generalstab stempelt den Juden Dreyfus zum Verräter. Er wird mittels gefälschter Beweise zu Lebenslänglich verurteilt und auf die Teufelsinsel verbannt. 12 Jahre Debatte folgen: eine Zerreißprobe der III. Republik. Konservative, katholische Kirche und Armee halten Dreyfus für schuldig, Republikaner und Sozialisten setzen sich für ihn ein. 1898 wendet sich Émile Zola mit seinem offenen Brief "J'accuse" an Staatspräsident Fèlix Faure. Es dauert noch acht Jahre bis zur Rehabilitierung. Der wahre Täter, Ferdinand Walsin Esterhazy, hat sich längst nach England abgesetzt.

Die Affäre Dreyfus war symptomatisch für Frankreichs Antisemitismus und die antijüdischen Ressentiments der katholischen Kirche jener Zeit. Sie hatten dramatische Folgen: In den Wahlen 1902 siegte die Linke. Etwa 2500 kirchlich geführte Schulen wurden geschlossen. Ordensleute aus dem Lehramt entlassen, religiöse Symbole aus der Öffentlichkeit verbannt. 1905 wird die Trennung von Religion und Staat vollzogen, das Konkordat mit dem Vatikan aufgelöst. Staatliche Finanzierung der Kirche gibt es nicht mehr, Religionsunterricht ist freiwillig und seit 2005 religiös begründete Kleidung, Burka wie Habit, im Schulwesen explizit verboten.

Heute erinnert Frankreich an die ungebrochene Loyalität eines jüdischen Offiziers, dem großes Unrecht geschah. Wir Europäer sollten daraus lernen: ein säkularer Staat ist der beste Garant für das Miteinander einer pluralistischen Gesellschaft.

Der Autor leitet das Europäische Rabbinerseminar in Potsdam.

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