Das Feiern der inneren Neugeburt

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In wenigen Tagen ist der Fastenmonat Ramadan vorbei und dann werden Muslime das Ramadanfest feiern. Was wird da eigentlich gefeiert? Sicher nicht, dass man wieder auch tagsüber essen und trinken darf. Der Prophet Mohammed beschrieb den Fastenden am Ende des Ramadans wie einen Neugeborenen, denn wer den Monat dafür genutzt hat, in sich hineinzugehen, um sich kennenzulernen, der hat es hoffentlich geschafft, die Ordnung und Harmonie seines ganzen "Ichs" wiederherzustellen. Das führt auch zur Heilung der Seele.

Nach der islamischen, aber auch der christlichen Vorstellung hat Gott jedem Menschen von seinem Geist eingehaucht. Das heißt, in jedem Menschen existiert eine heilende Kraft, die in ihm angelegt und latent vorhanden ist. Es handelt sich um eine göttliche Urkraft, die in der Tiefe des Menschen ruht. Wir müssen nicht lange nach ihr suchen. Sie ist da, aber oft verdeckt. Erst durch das Überschreiten der Ich-Grenze, kommt sie zum Vorschein. Sehr oft ist es aber das eigene Ego, das einem im Wege steht. Statt nach dem Empathischen, nach der Liebe und nach der bedingungslosen Zuwendung seinen Mitmenschen gegenüber zu suchen, steht nun nur das oberflächliche "Ich" im Vordergrund und verdeckt alles andere dahinter.

Das Ramadanfest ist ein Fest für den, der es geschafft hat, in sich selbst einzugreifen, sich innerlich zu verändern, für denjenigen, der den Anschluss zu sich selbst und seinem tiefen Wesen gefunden hat, um das Göttliche in sich hervorzuheben. Diese Neugeburt des eigenen tiefen "Ichs", das ist es, was Muslime feiern sollten. Wer aber Essen und Trinken zu sich nimmt, aber seine Seele verhungern lässt, der bleibt spirituell unterernährt. Die islamische Welt leidet heute nicht nur unter politischer, sondern auch spiritueller Unterdrückung und versäumt dadurch, die Befreiungspotenziale im Islam zum Entfalten zu bringen.

Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster

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