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Das Grab Gottes

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WIRD DIE KIRCHE; ZUM GRAB GOTTES? Von Robert Adolfs. (Het graf van God. Deutsch.) — Graz, Wien, Köln. Verlag Styria, 1967. 203 Seiten. S 64.—.

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WIRD DIE KIRCHE; ZUM GRAB GOTTES? Von Robert Adolfs. (Het graf van God. Deutsch.) — Graz, Wien, Köln. Verlag Styria, 1967. 203 Seiten. S 64.—.

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Die katholische Kirche (die anderen Kirchen sind immer mitgemeint) ist in einer säkularisierten Welt, r einer Welt der Verstädterung, der Automation, der Vorherrschaft der Naturwissenschaften und der Technik zu einer bedeutungslosen Institution innerhalb der großen menschlichen Gesellschaft herabgesunken, die keine Zukunft mehr zu haben scheint. Wenn die Menschheit überhaupt noch an einen Gott glaubt, so braucht sie keinesfalls die Kirche als Vermittlerin“. So die düsteren Thesen des Buches. Der Verfasser will eine Analyse dieser gegenwärtigen Lage der Kirche vorlegen, die Ursachen herausfinden, die zu dieser Situation führten und Vorschläge machen, wie die Kirche in der Zukunft ihren heilsvermittelnden und heilanbietenden Dienst der Menschheit gewähren könne. Das Gottesproblem, daß die Tod-Gottes- Theologen (Hamilton, Altizer, Van Buren) in radikaler Weise aufgeworfen haben, hat uns wohl gelehrt, daß unser Gott manchmal eher einem Götzen gleicht als dem lebendigen Gott der Bibel, den Christus Seinen Vater nennt. Mit der Gottesfrage hängt eng zusammen das Problem der Säkularisation. Der zu positive Säkularisationsbegrifl des protestantischen Theologen Gogarten und des katholischen Theologen Metz wird mit Recht kritisiert, da nach diesem Säkularisationsbegriff die Kirche in die Gefahr kommt, in die Privat- sphäre (Wohnviertel, Vereine) abgedrängt zu werden und ihre universale Sendung und ihre Sauerteigexistenz zu verleugnen.

Die Theologie R. Bultmanns und P. Tillichs ist so kompliziert, daß man sie nicht auf einigen Taschenbuchseiten abhandeln kann. Richtig ist sicher, daß das größte Problem der Gegenwart wohl darin besteht, die Botschaft der Offenbarung, wie sie in den Schriften des AT und des NT niedergelegt ist, zeitgemäß zu interpretieren, ohne ihren Inhalt auf einen innerweltlichen Humanismus und ein Interpretment der menschlichen Existenz zu reduzieren. Täglich beobachtbar ist, daß unsere Verkündigung den Inhalt der Offenbarung in einem mythologischen Gewand darbietet und es für die Theologie und die Verkündigung noch genug zu tun gibt, den Inhalt der Offenbarung ohne Abstriche in die Sprache und Denkstrukturen unserer Zeit zu übersetzen. Der zweite Teil des Buches versucht zu zeigen, daß die Kirche, wenn sie in Zukunft bestehen will, die Knechtsgestalt ihres Hauptes, Jesus Christus, annehmen muß. Die Kenosisexistenz der Kirche bedeutet das Ablegen jeglicher Machtgestalt. Die Kirche ist nicht selbst das Heil, sondern der Weg zum Heil. Darum ist auch sie nur vorübergehend, solange das Hereinbrechen des Reiches Gottes noch aussteht. Die Machtgestalt der Kirche im Laufe der Geschichte wird vom Verfasser leider zu einseitig und zu monokausal mit dem viel gebrauchten Begriff des „Konstanti- nischen Zeitalters“ beschrieben. Dieser „Irrweg“ der Kirche wird für alles verantwortlich gemacht. Mit dieser monokausalen Erklärung scheint man nicht genug ernst zu nehmen, daß die Kirche sich in Raum und Zeit immer wieder neu inkar- nieren muß und dabei das Risiko eingeht, zeitweise „Irrwege“ zu beschreiten. Wenn ihr auch der Geist zugesichert ist durch alle Zeiten hindurch das ihr anvertraute Offenbarungsgut zu bewahren und genuin zu interpretieren, so ist sie doch nicht davon verschont, gerade weil sie in der Geschichte existiert, Teilwahrheiten des Glaubensgutes einseitig zu verabsolutieren und damit innerkirchliche Ideologien zu schaffen, vor allem auf den vielen Gebieten, die nicht unmittelbar und ein deutig mit der authentischen Interpretation der Offenbarung Zusammenhängen. Es ist daher ungerecht von unserem Verständnis und unserem Standpunkt aus die früheren Epochen der Kirchengeschichte zu verurteilen, weil es einer Leugnung der geschichtlichen Existenz der Kirche gleichkäme. Unsere Zeit hat erkannt, daß das triumphalistische Kirchenbild in allen Lebensbereichen der Kirche durch die Strukturen der Diakonie und der Kenosis abgelöst beziehungsweise ergänzt werden muß. Das Vaticanum II hat den Weg vorgezeichnet, und überall mehren sich die Zeichen, daß dieser Weg auch beschritten wird. Auf diese Kenosis- und Diakoniegestalt der Kirche eindringlich hingewiesen zu haben, ist das Verdienst des Verfassers, wenn auch manche einseitige Darstellungsweise und manche unwesentliche und utopistische Vorschläge (zum Beispiel der Papst möge eine Wohnung in Rom mieten und St. Peter als Mahnmal für das „Konstantinische Zeitalter“ einrichten) weniger gefallen haben.

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