Das große Ringen um den guten Tod

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Vergangenen Samstag hat sich die krebskranke Amerikanerin Brittany Maynard wie angekündigt das Leben genommen. Ist das "Würde am Ende des Lebens"? Und wenn nicht, was dann? Darüber wird die neue Enquete-Kommission im Parlament öffentlich diskutieren.

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Vergangenen Samstag hat sich die krebskranke Amerikanerin Brittany Maynard wie angekündigt das Leben genommen. Ist das "Würde am Ende des Lebens"? Und wenn nicht, was dann? Darüber wird die neue Enquete-Kommission im Parlament öffentlich diskutieren.

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"Heute ist der Tag, den ich gewählt habe, um angesichts meiner unheilbaren Krankheit mit Würde dahinzuscheiden, dieser schreckliche Gehirntumor, der so viel von mir genommen hat aber der so viel mehr genommen hätte." Es war Samstag vergangener Woche, als Brittany Maynard diese Zeilen auf ihrer Facebook-Seite publizierte. Tags darauf teilte die Organisation "Compassion & Choice" mit, dass die 29-Jährige - wie öffentlich angekündigt - tödliche Medikamente eingenommen habe und daraufhin "friedlich in den Armen ihrer Liebsten" gestorben sei. Ärzte hatten der jungen Frau, die an einem aggressiven Gehirntumor litt, im April nur noch sechs Monate zu leben gegeben. Nach dieser Diagnose zog sie mit ihrer Familie nach Oregon, jenem US-Bundesstaat, wo ärztlich assistierter Suizid seit 1998 durch den "Death with Dignity Act" erlaubt ist.

Der Fall sorgte weltweit für Debatten - erst recht jetzt, nach Maynards Tod. "Aktiver Selbstmord ist absurd. Würde bedeutet nicht, dem eigenen Leben ein Ende zu setzen", sagte etwa der Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben, Bischof Ignacio Carrasco de Paula.

Dessen ungeachtet mehren sich Fälle, in denen Menschen das Recht auf einen "geplanten Tod" für sich reklamieren -und diesen Schritt auch setzen. Wie etwa Udo Reiter, ehemaliger Intendant des Mitteldeutschen Rundfunks MDR. Am Freitag, den 10. Oktober, wurde noch jenes Plakatmotiv der "Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben" vorgestellt, auf dem Reiter mit geschlossenen Augen verkündete: "Mein Ende gehört mir!" Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der 70-Jährige, der seit 48 Jahren im Rollstuhl saß, 140 Kilometer entfernt bereits mit seiner "Smith &Wesson" erschossen.

Reiters Tod platzte mitten in die deutsche Debatte über ärztlich assistierten Suizid (vgl. FURCHE Nr. 41). Beihilfe zur Selbsttötung ist dort zwar nicht dezidiert verboten, doch müssten Ärzte nach Gabe tödlicher Medikamente lebensrettende Maßnahmen einleiten, um sich nicht der unterlassenen Hilfeleistung schuldig zu machen. 2015 will man nun im Bundestag eine gesetzliche Lösung finden. Ein erster Meinungsaustausch ist für 13. November geplant.

Fortschreiten auf dem "österreichischen Weg"

In Österreich trifft sich schon diesen Freitag die neue Enquete-Kommission "Würde am Ende des Lebens" zu ihrer ersten, öffentlichen Sitzung im Parlament (Beginn: 10 Uhr). Das Thema des assistierten Suizids, der in Österreich verboten ist, steht dabei freilich nicht im Zentrum - sondern vor allem die Frage, wie das Angebot von palliativmedizinischer Betreuung und von Hospizplätzen so ausgebaut werden kann, dass für alle ein Sterben unter würdevollen Umständen möglich ist. Es geht also darum, den "österreichischen Weg" weiterzugehen, den Kardinal Franz König einst auf den Punkt gebracht hat: "Menschen sollen an der Hand eines anderen Menschen sterben und nicht durch die Hand eines anderen Menschen." Die Frage, ob das bereits bestehende Verbot von "Tötung auf Verlangen" bzw. ein Grundrecht auf ein Sterben in Würde auch in der Verfassung verankert werden soll, wie dies die ÖVP oder auch Bischofskonferenz und Katholische Aktion fordern, ist indes etwas in den Hintergrund gerückt.

Wie diesbezüglich europaweit die Rechtslage ist, zeigt ein interessanter Ländervergleich, den die Parlamentsdirektion vorgenommen und als Stellungnahme veröffentlicht hat (nachzulesen unter www.parlament.gv.at). Demzufolge ist etwa das Prinzip der "Menschenwürde" in zahlreichen Ländern verfassungsmäßig verankert (außer in Frankreich, Irland, Luxemburg, den Niederlanden, Großbritannien und eben Österreich). Was es hingegen in keinem der 25 befragten europäischen Länder gibt, ist ein explizites (Grund-)Recht auf ein würdevolles Sterben; oder auch ein explizites Verbot der Tötung auf Verlangen in der Verfassung.

Bei all diesen existenziellen Fragen ist die Wortwahl von besonderer Bedeutung. Umso mehr verblüfft, dass selbst die Parlamentsdirektion noch von "aktiver bzw. passiver Sterbehilfe" spricht. Bereits 2011 hatte die Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt gefordert, künftig eine andere Terminologie zu verwenden: etwa "Tötung auf Verlangen" oder "Sterben zulassen", also das Unterlassen lebensverlängernder Maßnahmen. Statt "assistiertem Suizid" spricht die Bioethikkommission freilich selbst von "Mitwirkung am Selbstmord". Eine Begrifflichkeit, die Brittany Maynard wohl nie akzeptiert hätte. Sie ist und bleibt also schwierig, die Auseinandersetzung um den guten Tod.

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