Das Kreuz muss aufrecht stehen bleiben

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Die Politik führt in Linz eine heftige Debatte um die in öffentlichen Kindergärten nicht angebrachten Kreuze. Dieser politische Streit um eine religiöse Frage dient der Sache nicht. Die Kirche hält sich zurück, argumentiert nicht politisch. Ihre Kritiker kennen die positiven Entwicklungen der Religionspädagogik nicht.

Das Kreuz, so erinnere ich mich an eine Predigt aus meiner Schulzeit vor fast vierzig Jahren, besteht aus einem vertikalen Balken und einem horizontalen – und das sei von höchst symbolhafter Bedeutung: Die Horizontale bedeute die Verbundenheit des Gekreuzigten mit Welt und Gesellschaft, die Vertikale bringe die Gottverbundenheit des Gekreuzigten zum Ausdruck – und eröffne diese Dimension auch dem, der auf das Kreuz schaut. Seither habe ich diese Symboldeutung oft gehört und gelesen. Keiner der Schergen wird bei der Kreuzigung diese Bedeutung im Sinn gehabt haben. Pilatus, der Verurteiler, wird wohl auch nur an die Zweckmäßigkeit dieses Tötungsinstrumentes gedacht haben.

Das Bild mit der Horizontalen und Vertikalen fällt mir ein, wenn ich an den in Linz wie aus heiterem Himmel entbrannten Streit um fehlende Kreuze in Linzer Kindergärten denke.

Streit im Vorfeld der Wahl 2009

Es ist ein Streit in der Horizontalen. 37 SPÖ, 15 ÖVP, 7 Grüne und 5 FPÖ. Das ist die Mandatsverteilung im derzeitigen Linzer Gemeinderat. Eine satte rote Mehrheit also. Und es ist nicht mehr weit bis zu den Wahlen. Alles, was ab jetzt gesagt, getan wird, wie man sich jetzt positioniert, könnte eine Auswirkung auf das Ergebnis haben – schon im kommenden Jahr 2009.

Eine vom Gesetz her klare Regel – Kreuze in öffentlichen Räumen anzubringen – ist noch lange keine klare Sache in Linz.

Doch in Linzer öffentlichen Kinderbetreuungseinrichtungen hängen keine Kreuze. Seit fünfzig Jahren nicht, sagt der SP-Bürgermeister. Dem angedrohten Geldentzug auf der einen, der VP-Seite folgte die Drohung mit dem Verfassungsgerichtshof auf der anderen, der SP-Seite. Auf Leserbriefseiten wird nicht so genau unterschieden. Da werden Kreuzzüge geführt.

Besonders Empörte sind auch von der Kirche enttäuscht. Warum unterstützt sie den guten Kampf nicht ausdrücklicher?

In der Tat: Kirchlicherseits will keine rechte Freude aufkommen über den entflammten Streit; die schwarze Schützenhilfe in Bezug auf die Kreuze war nicht abgesprochen – und wäre sie es gewesen, hätte man wohl eher zu einer ruhigeren Vorgangsweise geraten. Man setzt auf Gespräch, aber in unaufgeregtem Klima. Von einer Verpolitisierung oder einem Durchboxen des Kreuzes hält man hier wenig – und das mit gutem Grund.

Der Streit um das Kreuz wird nur in der horizontalen Dimension geführt: Das Kreuz gilt hier als Symbol der christlich-kulturellen Prägung des Landes. Ein Zeichen, das sagt: Wir sind da, wir lassen uns nicht verdrängen. Wir fordern Achtung und Beachtung.

Das Kreuz – nur so verstanden – wird sozusagen umgedreht: Der Querbalken ragt in die Höhe, mit ihm zeigt man auf. Um diese – horizontale – Bedeutung des Christentums für dieses Land geht es dann, um „Flagge zu zeigen“, gerade in Zeiten, da dies schwieriger ist.

Wer aber das Kreuz umdreht, muss wissen, dass damit die Vertikale nicht mehr nach oben zeigt. Sie weist aus der Ebene nicht mehr hinaus. Das Kreuz verliert seine Kraft als Transzendenz-Symbol – und wird dann missverstanden als bloßes Zeichen von Macht, Behauptung und Position. Kirchen haben gelernt: Mit dem Kreuz muss man vorsichtig sein. Es wurde zu oft missbraucht.

Kirche kann sich Geduld leisten

Die Instrumentarien der Politik sind eben nicht jene der Kirchen. Die Politik streitet – und in Oberösterreich ist das seit dem letzten Landtagswahlkampf in bis dahin nicht gekanntem Ausmaß der Fall gewesen – roher, angriffiger, auch untergriffiger. Taktik ist wichtig und Kalkül. Inhalte werden als für das Volk zu kompliziert erachtet. Politiker, die für ihre Sache argumentieren, sind rar geworden und noch seltener erfolgreich.

Würde Kirche in diesem Sinn „politisch“ agieren, würde sie die Religion kaputt machen. „Bei euch soll es nicht so sein.“ Religion verlangt Behutsamkeit. Den langen Weg der Pädagogik soll und darf man nicht scheuen. Glaube kommt nicht aus Zwangsbeglückung. Wo man in religiösen Fragen mit der Tür ins Haus fällt, hat man meist schon verspielt.

So ist es viel wesentlicher, dass generell die Dimension des Religiösen nicht aus den öffentlichen Kindergärten ausgeschlossen wird. Und da besteht zu Recht Grund zur Kritik. Wer Lebensrealitäten ausschließt, nimmt Kindern etwas weg. Er schützt sie nicht.

Kirche – und nicht nur die katholische – setzt auf Vertrauensbildung. Über Vorbehalte muss man reden. Über Vorurteile auch.

Das ist eben der Vorteil der Kirche. Sie kann sich Geduld leisten. Die Politik kann das nicht. Aber so viel Zeit muss sein.

In solchen Gesprächen können Vertreter der Religionen deutlich machen: Man hat mit den Kindern nichts Böses oder Gefährliches im Sinn.

Die Angst mancher Linker rührt vielleicht von daher, dass sie die positive Entwicklung der Religionspädagogik nie kennen gelernt haben. Das ist eben auch das Kreuz: Es gibt so viele alte Erfahrungen – und oft nur wenig neue Praxis.

Aber kann man mit – zugegeben, es hat sie gegeben – alten negativen Erfahrungen die Gesellschaft von morgen gestalten? Das wäre, als ob man keinen Euro mehr einer Bank anvertrauen dürfte, weil es einmal den BAWAG-Skandal gegeben hat.

Also: Das Kreuz muss aufrecht stehen. Dann kann man es besser lesen.

Der Autor ist Chefredakteur der „Linzer Kirchenzeitung“

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