"Das liegt hier in der Luft"

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Die einen fliegen dafür nach Uruguay, die anderen ersehnen es sich im Kloster: Über die Suche der Mitte-Losen nach "Mental Wellness" - oder einfach nur nach Sinn.

Am Anfang war Karl Auer, der etwas Neues für seine Kunden brauchte: Etwas, was es im Wellness-Filz noch nicht gab. Etwas, was nicht der altbekannten Entschlackung des Körpers diente, sondern dem Reinemachen im Kopf. Oder der Klärung zwischen zwei Köpfen. Zum Beispiel ein Vater-Sohn-Urlaub, wie ihn der Public Relations-Experte schon in einem Hotel etabliert hatte. Doch wie sollte dieses neuartige Angebot zur Klärung des Geistes und zwischenmenschlicher Beziehungen bloß heißen? "Wir haben zuerst an ,Kopf-Wellness' gedacht", erinnert sich der Erwachsenenbildner Bruno Seebacher an sein Brainstorming mit Auer vor zwei Jahren. "Doch das hat zu sehr nach Lernen und Belastung geklungen." Am Ende wurde es ein Begriff, der Wohlfühlen, Freude und Leichtigkeit suggerieren sollte: "Mental Wellness".

Optimiertes Wohlfühlen?

Dem neuen Begriff folgte schon bald das dazugehörige Unternehmen: die "Mental Wellness Company" mit damaligem Sitz im Schweizerischen Zug, aktueller Heimstatt in München und Vertretung bis nach Südamerika - eine "Koordinations-Organisation", die mittlerweile rund 30 selbstständige Mental-Wellness-Trainerinnen und-Trainer an Hotels, Tourismusbetriebe oder sonstige Interessierte vermittelt. Mit Spiritualität oder Esoterik habe das nichts zu tun, beteuert der "Mental-Wellness"-Erfinder und gebürtige Österreicher Seebacher im Furche-Gespräch. Vielmehr gehe es darum, "die Effekte klassischer Wellness zu optimieren, das immer wichtiger werdende geistige Entschlacken zu ermöglichen und die eigene Leistungsfähigkeit nachhaltig zu steigern." Etwa durch einen zehntägigen "Mental Wellness Experience"-Trip nach Uruguay, bei dem die Reisenden durch Bogenschießen und das Malen von Mandala-Bildern ihren "ganz individuellen Weg zu mentalem Wohlbefinden" erkennen. Oder durch ein vergleichsweise klassisches Seminar, in dem Burnout-gefährdete Pädagogen den Einsatz von Mental-Wellness-Didaktik bei hyperaktiven Schülerinnen und Schülern üben.

Wie wichtig Maßnahmen zur Förderung des mentalen Wohlbefindens seien, zeige nach Ansicht Seebachers auch die "eher deprimierende Bilanz" des "1. Mental Wellness Report", den sein Unternehmen in Kooperation mit der Wirtschaftsuniversität Wien erstellt hat und der am 28. April im Rahmen eines Symposiums in Bad Gleichenberg präsentiert werden wird (siehe Tipps). Demnach behauptet zwar die überwiegende Mehrheit der Personalmanager und Führungskräfte von mehr als 100 untersuchten Unternehmen, dass die mentalen Belastungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stark zunehmen und sich negativ auf deren Gesundheit auswirken würden. "Nur sechs Prozent machen aber etwas dagegen", klagt Bruno Seebacher. Eine Studie gemeinsam mit der deutschen AOK-Versicherung habe zudem gezeigt, dass mentale Störungen der Gesundheit beziehungsweise Burnout mit 37 Prozent mittlerweile die Hauptursachen von Frühpensionierungen bei Frauen sind - bei Männern sind es immerhin 25 Prozent. "Gerade vor dem Hintergrund des europäischen ,war for talents' ist es also notwendig, Bewusstseinsarbeit zu leisten", ergänzt Uwe Seebacher, Sohn des "Mental Wellness Company"-Gründers und Berater der EU im Rahmen des EU-Förderprogramms für "Vocational Training and Management Development".

Altbewährtes Konzept

Im Kneipp-Kurhaus und Entspannungszentrum Marienkron steht man dem hippen Begriff der "Mental Wellness" indes abwartend gegenüber. "Das habe ich noch nicht so oft mit Inhalt gefüllt gesehen", meint die Kurdirektorin, Schwester Scholastica Buchmüller. Lieber versucht man es im Burgenland mit einem traditionsreicheren Wort: Sinn. "Die Suche nach Sinn geht jedenfalls über das bloße Wohlfühlen hinaus", stellt sie fest, "hier geht es darum, dass ich auch meine Fragen stellen, meditieren und mich im Gebet einüben kann."

Nicht durch Zufall haben die 15 Zisterzienserinnen die Messfeier mittags anberaumt, sodass auch Urlaubs-oder Kur-Gäste daran teilnehmen können. Auch dem Chorgebet der Schwestern können sie lauschen, wie die Äbtissin des Hauses, Schwester Miriam Dinkelbach, verrät: "Dem heiligen Benedikt, nach dessen Regel wir ja leben, ging es darum, die Menschen ganzheitlich zu betreuen, sie also nicht an der Klosterpforte mit einer Suppe abzuspeisen, sondern sie im wahrsten Sinn des Wortes aufzunehmen", erklärt Dinkelbach. Eine Philosophie, die sich weitgehend mit jener von Pfarrer Sebastian Kneipp deckt. Und so hat man sich 1969 bei der Gründung des Hauses in der Puszta - nicht zuletzt mangels Heilquelle - für sein Konzept entschieden.

Rund 100 Gäste befinden sich heute jahraus, jahrein in Marienkron und werden von den Schwestern gemeinsam mit 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie vier Ärzten betreut. Und obwohl sie - neben klassischer Kneipp-Kur - auch Aerobic light, Fußzonenreflexmassage, Qi Gong oder Yoga in Anspruch nehmen können, wissen die meisten den Unterschied zu herkömmlichen "Wellness-Hotels" zu schätzen.

"Dort fehlt zur Form oft der Inhalt, der mich auf tiefere Weise zu mir bringt", meint Schwester Scholastica. "Ich habe einmal in einem solchen Hotel geschnuppert, wo es einen wunderschönen, japanischen Ruheraum gegeben hat. Und was haben die Leute darin gemacht? Zeitung gelesen." Auch Äbtissin Dinkelbach sieht im spirituellen Rahmen ihres Klosters das besondere Atout gegenüber der massiven Wellness-Konkurrenz - und nennt als Beleg das Kompliment einer Fastenleiterin: "Die hat zu mir gesagt, dass sie anderswo den Raum erst gestalten muss, damit man überhaupt auf die Idee kommt, dass Fasten mehr sein kann als wenig essen. Doch bei uns, hat sie gemeint, liegt das alles in der Luft."

VERANSTALTUNGSTIPPS:

Das Katholische Bildungswerk Wien lädt am Freitag, 21. April von 15 Uhr bis 19 Uhr 30 zu einem Bildungstag über "Wellness: Tankstelle der Gesundheit - Weg zum Glück" ins Pfarrzentrum Hollabrunn (Kirchenplatz 5) ein. Es referieren u.a. Michael Heinrich (VAMED Austria); Sr. Scholastica Buchmüller (Marienkron) und Claudia Krist-Dungl. Moderation: Doris Helmberger. Anmeldungen unter 0664/8270788 bzw. weinviertelwest@bildungswerk.at

Die FH Joanneum richtet am Freitag,

28. April ein Symposium zum Thema "Mentale Wellness" aus (Kaiser-Franz-Josef-Straße 418, 8344 Bad Gleichenberg). Es referieren u.a. Robert-Benjamin Illing, Bruno Seebacher und

Christian Hlade.

Anmeldungen unter 0316/5453-6700 und www.fh-joanneum.at/kw17

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