Das "Phänomen König“

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Spurensuche nach dem geistig-geistlichen Erbe des Franz König.

"Wie schön!“, flüsterte der alte Herr in der Nacht zum 13. März 2004, ehe er von dieser Welt Abschied nahm. Was er damit gemeint hat - wir wissen es nicht. Sicher ist nur: Selbst in seiner Todesstunde blieb Kardinal Franz König ganz er selbst: dankbar, glaubensstark und in ruhiger Erwartung dessen "was kein Auge je gesehen und kein Ohr je gehört hat“.

Was dann, in den Tagen nach seinem Heimgang, geschah, bleibt ungewöhnlich: Die tiefe Betroffenheit und Trauer Hunderttausender Landsleute über den Tod dieses 99-jährigen Priesters; eines Mannes, der seit nahezu 20 Jahren kein öffentliches Amt bekleidet hatte. Die Hommagen aus Kirchen, Politik und Medien, national und international. Und die zahllosen Gesten des Respekts und der Dankbarkeit - auch von vielen, deren Nähe zu Kirche und Glauben erloschen war.

Seit zehn Jahren ruht seine sterbliche Hülle nun in der Gruft unter dem Wiener Stephansdom. Die Zeit ist nicht stehen geblieben. Und doch: Wie oft fällt sein Name noch heute in Staat und Kirche? Wie viele Institutionen wirken aus seinem Vermächtnis? Und welch Interesse findet noch immer, was dieser Bauernsohn aus dem Pielachtal zur Versöhnung der politischen Lager, zum Zweiten Vatikanischen Konzil und zur geistigen Öffnung seiner Kirche beigetragen hat?

Wer dem "Phänomen König“ aus der Distanz eines Jahrzehnts nachspürt, stößt rasch auf einen Widerspruch: Als Denker, Beter und Weltgeist bleibt Franz König eine Ausnahme-Erscheinung; nicht wiederholbar, auch, weil untrennbar mit seiner Zeit, seiner Biografie und seinen Charismen verbunden. Und doch ist seine Kirche noch immer gut beraten, seinen Worten und Werten nachzuspüren. Denn: Geblieben ist - neu bestärkt durch seinen Namensbruder Franziskus in Rom — das sichere Gefühl so vieler Menschen: "Wenn Kirche, dann so!“

Kein "Modernist“, auch kein "Liberaler“

Ein zweiter Widerspruch: Franz König, der große Brückenbauer hin zu anderen Konfessionen und Religionen, zu Wissenschaft und Kunst, zu Sozialdemokratie, Freimaurern und …, er war kein "Modernist“ und Reformer, auch kein "Liberaler“ im gängigen Wortsinn. Er wusste sehr genau, was ihm sein tradierter, seit Kindheit eingeübter Glaube und seine Werte bedeuteten. Nie aber wollte er darauf verzichten, über das Eigene hinauszublicken und sein Welt- und Gottesbild mit den Erfahrungen und Einsichten anderer in Beziehung zu setzen.

Für Kardinal König hat es keine Trennlinie zwischen gläubigen, suchenden und glaubensfernen Menschen gegeben - aber auch keinen religionsfreien Raum im menschlichen Leben.

Seine großen Gaben: Wachheit und Wissensdurst, auch Respekt und Ehrfurcht vor dem "Wunder Mensch“ in all seinen Facetten. Dazu die stete Suche nach dem Bleibenden im Vergänglichen. Fundamentalismus war ihm zuwider, Gettodenken fremd. Alle unhinterfragbare Sicherheit hielt er für eine Respektlosigkeit vor dem menschlichen "Recht auf Zweifel“. In jeder Begegnung horchte er zunächst auf den anderen, wollte verstehen und suchte nach dem Gemeinsamen. So nahm er dem Trennenden jede Bitterkeit und Schärfe.

Seine innere Freiheit und Angstlosigkeit, seine Herzenswärme und Güte wuchsen mit den Jahresringen. Sein Schöpfer hat ihm dafür viel Zeit geschenkt - und er hat sie genützt: Dort, wo andere immer enger werden, dort wurde er weiter. Dort, wo der Geist sonst zu ermüden, ja auch zu verflachen droht, dort ist er tiefer geworden. Seine natürliche Würde brauchte kein Amt und keinen Purpur mehr, sein Glaube keinen frommen Augenaufschlag.

Überzeugende Botschaft des eigenen Lebens

Franz König hat viele große, aber auch bittere Stunden erlebt. Das "Leiden an der Kirche“ war ihm nicht fremd. Kaum jemand aber hat Worte der Verärgerung, Verbitterung von ihm gehört. Dem Risiko, anderen Vertrauen zu schenken, sie gewähren zu lassen, ist er trotz mancher Enttäuschung treu geblieben. Wer ihm auf seiner letzten Lebensetappe nahe war, der spürte bisweilen, was ihn belastete: Der Verlust des Heiligen in unserer Zeit; die Auflösung der Familien; die wachsende Ratlosigkeit darüber, wo menschliches Leben beginnt und endet; das Misstrauen zwischen Religionen, die Gott im Munde führen; die Frustration so vieler Frauen in der Kirche; die Aushöhlung des Sonntags, auch das Papst-Amt als Spaltpilz zwischen Christen.

Kardinal König, der selbst nur um Haaresbreite am Pontifikat vorbeiging, hat sich schon zu Lebzeiten in die Geschichte seines Landes und seiner Kirche eingeschrieben. Wo sich beide mehr und mehr außerstande sahen, das Bedürfnis nach Vorbild-Figuren zu erfüllen, wurde der stille alte Herr zur vermutlich einzigen unbestrittenen Vatergestalt. Seine überzeugendste Botschaft war sein eigenes Leben.

An ihm war offenkundig geworden, was jetzt ein anderer "Franziskus“ vor den Augen der Welt deutlich macht: Den Weg zu den Herzen findet die Kirche immer dann, wenn sie sich als dialogisch und bescheiden, als fürsorglich und zuhörend erweist.

* FURCHE-Herausgeber H. Nußbaumer ist Vizepräsident der "Kardinal König Stiftung“

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