Das politische Gewicht der Kirche Katholischen

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Das Mariazeller Manifest war die richtige Antwort zur damaligen Zeit. Heute gilt es für die Kirche, neue Antworten zu suchen.

Josef Krainer, der langjährige steirische Landeshauptmann, bezeichnete das Mariazeller Manifest als die "Magna Charta" des neuen Verhältnisses von Kirche und Politik, und mit Sicherheit empfinden viele so wie er, die die Entstehungszeit und vor allem die Ereignisse davor selbst miterlebt hatten. Aber wie andere Grundordnungen, die sich bewährt haben, wurde auch das Mariazeller Manifest mit der Zeit weitgehend zu einer Selbstverständlichkeit. So wie die meisten Bürger etwa das Wahlrecht als unverrückbare Tatsache ansehen, erscheinen heute auch Alternativen zu den im Mariazeller Manifest festgelegten Grundsätzen undenkbar.

Während diese Aspekte des Verhältnisses von Politik und Kirche daher mittlerweile eine eher untergeordnete Rolle spielen, gibt es neue Fragen: Welches Gewicht kommt dem Engagement der katholischen Kirche in der österreichischen Politik überhaupt noch zu? Wie steht es um das Engagement von Katholiken in der Politik? Wie stark ist das katholische Element tatsächlich noch in Österreich? Dazu thesenartig einige Überlegungen.

* Erstens: Die katholische Kirche insgesamt hat deutlich an Gewicht verloren. Aus mehreren Gründen. Zum einen haben die soziopolitischen Entwicklungen - Medialisierung, Individualisierung, Pluralisierung et cetera - generell zu einem politischen Bedeutungsverlust der meisten großen intermediären Institutionen geführt, seien es die Parteien als Organisationen, die Sozialpartner oder eben auch die Kirchen. Zum anderen befindet sich die katholische Kirche in einer Image- und Glaubwürdigkeitskrise, die wesentlich auf internen Konflikten, problematischen Bischofsentscheidungen und Skandalen beruht. In einer solchen Verfassung kann in der Mediengesellschaft politischer Einfluss nur schwer effektiv ausgeübt werden.

* Zweitens: Die öffentliche Resonanz der katholischen Gruppierungen - sei es die Katholische Aktion, sei es der CV - ist sehr klein geworden. Das politische Engagement dieser Einrichtungen erzeugt kaum Außenwirkung. Freilich wirkt es aber nach innen und hilft, Reflexion und Wachheit der hier engagierten Katholiken aufrecht zu erhalten. In der Rekrutierung und Sozialisierung sowie als Netzwerke zeigen diese Einrichtungen freilich beachtliche Resistenz, wobei die Ansätze eines verstärkten Miteinanders noch auszubauen sind.

* Drittens: Nach wie vor sind sehr viele katholische Laien in der österreichischen Politik engagiert. Immer mehr verschwindet dies allerdings aus dem öffentlichen Bewusstsein. Während sich früher viele Politiker offen und ausdrücklich auf ihre religiösen Überzeugungen beriefen, wie dies in anderen Ländern - etwa den USA - gang und gäbe ist, getraut sich in Österreich nur selten ein Politiker Derartiges in den Mund zu nehmen. Der Grundsatz "Religion ist Privatsache" scheint sich in der politischen Praxis daher immer mehr auf alle Parteien auszudehnen.

* Viertens: Für die meisten ist Österreich nach wie vor ein katholisches Land. Aber weniger Glaube und gelebter Katholizismus als wohl eher Tradition und reflexartiges Abwehrverhalten gegenüber Veränderung sind für dieses Festhalten an katholischen Elementen bei einem Großteil der Österreicher verantwortlich. Dies zeigt sich an der Nachfrage nach einer schönen kirchlichen Hochzeit ebenso wie an der Diskussion um die Kruzifixe in den Schulen.

* Fünftens: Schließlich gibt es einen immer kleineren gemeinsamen Nenner, was denn überhaupt die katholischen Grundhaltungen sind, für die man sich einsetzen sollte. Relativ groß ist der Konsens noch im Sozialbereich, in dem es auch die größte Akzeptanz der Öffentlichkeit für katholische Aktionen und Politik gibt. Sehr klein ist der gemeinsame Nenner aber etwa, was den Bereich von Ehe, Familie, Sexualität oder verschiedenen Formen des Zusammenlebens betrifft. Die offizielle Lehre ist hier zu einem Programm einer marginalen Minderheit geworden. Und da es keine Hilfestellungen für die reale - da sündige - Wirklichkeit gibt, muss jeder um sein eigenes Konzept ringen. Nur plakativ Ehe und Familie zu predigen ist zu wenig. Es bedarf eines Gesamtkonzepts, das lebbare Vorstellungen beinhaltet und aus dem konkrete glaubwürdige politische Forderungen ableitbar sind.

Das Mariazeller Manifest hat sich als Grundordnung des Verhältnisses von Kirche und Politik in Österreich bewährt und war die richtige Antwort auf die Probleme der damaligen Zeit. Heute gibt es neue Probleme, auf die es gilt, neue Antworten zu suchen. Die katholische Kirche und das Katholische überhaupt sind - wieder einmal - in einer Umbruchphase. Es gilt für uns alle, auf den Grundsätzen des Evangeliums neue Bausteine für die gemeinsame Zukunft zu schaffen.

Der Autor, Jahrgang 1969, ist Universitätsassistent für Politikwissenschaft in Graz.

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