Das Privileg, die Mutter zu lieben

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Einst kam ein Mann zum Propheten Mohammed und fragte diesen: "Wer hat das meiste Recht auf meine gute Umgangsweise?“ Der Prophet antwortete: "Deine Mutter.“ Der Mann fragte: "Wer danach?“ Der Prophet sagte: "Danach deine Mutter.“ Der Mann fragte weiter: "Wer danach?“ Und wieder antwortete der Prophet: "Danach deine Mutter.“ Der Mann fragte nochmals: "Wer danach?“ Da sagte der Prophet: "Danach dein Vater.“ - Dass gerade die Mutter diesen großen Stellenwert, nicht nur im Islam, genießt, ist eine Selbstverständlichkeit. Denn ihre Liebe und ihr Dasein sind bedingungslos und erinnern an die göttliche Zuwendung zum Menschen, die auch bedingungslos ist. Und so verwundert es nicht, dass das Gebot zur Güte zu den Eltern an mehreren Stellen im Koran an den Glauben an den einen Gott gekoppelt ist: "Und dient Gott und gesellt ihm nichts bei. Und zu den Eltern sollt ihr gütig sein“ (Koran, 4:36).

Vor ein paar Tagen schrieb ich meiner Mutter ein E-Mail und wartete auf ihre Antwort. Während ich wartete, fing ich an, mein E-Mail an sie zu lesen. Dies tat ich wieder und wieder. Bald wurde mir bewusst, dass das Lesen meines Schreibens an sie mich innerlich so erfüllt hat, dass ich darin ihre Liebe erfahren habe.

Mir fiel dann die Aussage eines muslimischen Gelehrten ein, der auf die Frage, warum Gott nicht antworte, wenn man mit ihm spreche, gesagt hat: "Seine Antwort liegt schon im Sprechen mit ihm.“

Mütter verlangen nichts von ihren Kindern für ihre Liebe. Man tut nicht primär seiner Mutter einen Gefallen, gütig zu ihr zu sein, sondern man tut dadurch sich selbst den Gefallen. Es ist kein Privileg, eine Mutter zu haben bzw. gehabt zu haben, es ist auch kein Privileg, von seiner Mutter geliebt zu werden, es ist aber wohl ein Privileg, seine Mutter zu lieben und gütig zu ihr zu sein.

Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Universität Münster

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