Das Rennen um Petri Stuhl

19451960198020002020

In seinem Papstwahl-Buch nähert sich Furche-Chefredakteur H. Boberski mit kritischer Kompetenz der Frage, wie es mit der katholischen Kirche nach dem Tod eines Papstes weitergeht.

19451960198020002020

In seinem Papstwahl-Buch nähert sich Furche-Chefredakteur H. Boberski mit kritischer Kompetenz der Frage, wie es mit der katholischen Kirche nach dem Tod eines Papstes weitergeht.

Werbung
Werbung
Werbung

Ob die Kardinäle bei der übernächsten Papstwahl auch noch die alleinigen Wähler sein werden, ist nicht sicher. Für das nächste Konklave ist dies allerdings geklärt. Die von Papst Johannes Paul II. erlassene Konstitution über die Wahl seines Nachfolgers aus dem Jahre 1996 hat sich eindeutig festgelegt. Er ist sogar von der Zweidrittelmehrheit nach 30 Wahlgängen abgerückt, eine große starke Gruppe kann also die ersten 30 Wahlgänge aussitzen und am Schluß ihren Kandidaten spielend mit absoluter Mehrheit durchbringen.

Von vielen Bischöfen habe ich schon Argumente gegen das Papstwahlverfahren gehört. Allein schon die Tatsache, daß der jeweilige Papst sich seine Kardinäle mit den nationalen Bischofskonferenzen auswählt, ist problematisch. Die differenzierten Strömungen in den Bischofskonferenzen haben damit keine Möglichkeit der Mitüberlegung und Partizipation bei der Wahl eines Papstes, Laien schon gar nicht. Auch dies ist langfristig eine Frage, um welche die katholische Kirche sich noch einige Gedanken machen muß. Wer nun meint, dies seien besonders progressive Ideen, der sei an alte Traditionen unserer Kirche zurückverwiesen. Es gab bis 1059 genug Päpste, die von Klerus und Laien gewählt wurden. Die derzeitigen Probleme, die sich weltweit in der Besetzung von Bischofssitzen ergeben, sind mit ein Beleg dafür, daß es die Autorität des Papstes stärken würde, wenn er eine breitere Beteiligung der Gesamtkirche nicht nur widerwillig zuließe, sondern vielmehr initiieren würde.

Die derzeitige Lage im Blick auf die Wahl des nächsten Papstes beschreibt Heiner Boberski in seinem Buch "Der nächste Papst" sehr differenziert und mit vielen interessanten Tiefenbohrungen in historischer und konkret zeitgeschichtlicher Dimension. Mit besonderem Interesse liest man natürlich alle zentralen Kapitel über das heutige Kardinalskollegium, das zu 87 Prozent von Johannes Paul II. ernannt ist, über den engeren Kreis der "Papabili" sowie über die Szenarien und Geheimtips, die in den verschiedensten Ebenen des Vatikans, aber auch in den verschiedenen weltkirchlichen Zusammenhängen diskutiert werden.

Die derzeit zwölf aussichtsreichsten Kandidaten als Papst sind nach Einschätzung des Autors: Francis Arinze (Nigeria), Giacomo Biffi, Marco Ce (Italien), Godfried Danneels (Belgien), Roger Etchegaray (Frankreich), Carlo Maria Martini (Italien), Lucas Moreira Neves (Brasilien), Silvano Piovanelli (Italien), Camillo Ruini (Italien), Giovanni Saldarini (Italien) und Jan Pieter Schotte (Belgien).

In der Skizze der einflußreichen "Großwähler", derjenigen Kardinäle also, die großen Einfluß im Konklave haben könnten, selbst aber nicht unmittelbar als "Papabili" gelten, gelingt dem Autor ein differenzierter Überblick über die regional oder überregional wichtigen Einflußträger.

Auch wenn ich mich selbst nicht auf eine solche Namensliste festlegen würde, schildert das Buch interessante Argumente und Gegenargumente, Einschätzungen und selbstkritische Rückfragen. Eine spannende Lektüre, die nachdenklich macht und eine trotz kritischer Einschätzungen einfühlsame Beschreibung auch des "leidenden Papstes" zeigt, daß es dem Autor um einen kirchenpolitischen Einblick mit Hintergrund und Format geht und nicht um oberflächliche Etikettierung.

Die derzeit von besorgten Katholiken immer wieder diskutierte Frage, ob es einen Papst nicht auch erlaubt sein müsse, angesichts massiver Einschränkung durch schwere Krankheit zurückzutreten, halte ich für verständlich. Die Wahl eines neuen Papstes unter solchen Voraussetzungen würde aber zum einen zu einer massiven Beeinflussung des Votums der Kardinäle führen - zumindest aus Rücksichtnahme gegenüber dem Amtsvorgänger, zum anderen ist die Gefahr einer Kirchenspaltung nicht von der Hand zu weisen, wenn der neue Papst Reformen initiiert, die der Amtsvorgänger abgelehnt hatte.

Das besondere Verdienst dieses Bandes liegt darin, mit kritischer Kompetenz auf die gegebene Situation hinzuführen, von der der Papst selbst immer wieder spricht. Dem Buch ist eine weite Verbreitung zu wünschen.

Der Autor ist Professor für Religionspädagogik, an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen.

DER NÄCHSTE PAPST. Die geheimnisvolle Welt des Konklave. Von Heiner Boberski. Otto Müller Verlag, Salzburg 1999. 281 Seiten, geb. öS 278,

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung