Das Ringen um die KIRCHENZUKUNFT

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Nach der Synode ist vor der Entscheidung des Papstes: Was wird Franziskus aus den Beschlüssen der Synode machen? Zwei Bücher markieren, wohin sich die katholische Kirche bewegen sollte.

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Nach der Synode ist vor der Entscheidung des Papstes: Was wird Franziskus aus den Beschlüssen der Synode machen? Zwei Bücher markieren, wohin sich die katholische Kirche bewegen sollte.

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Spannende Zeiten in der katholischen Kirche: Noch nie gab es in einem Entscheidungsvorgang an der Kirchenspitze so viel öffentliche und veröffentlichte Diskussion, wie rund um die Bischofssynode zum Thema Familie, die letztes Wochenende ihre Beratungen schloss. Noch nie konnte die Welt dabei zuschauen, wie kontrovers ums Thema Familie nicht nur an den Linien zwischen "konservativ" und "offen" gestritten wurde, sondern wie regional unterschiedlich sich die Problemlagen wie das jeweilige Bewusstsein zur Lösung derselben darstellen.

Wenn der Feldkircher Bischof Benno Elbs, der Vertreter Österreichs auf der Synode, von Wortmeldungen berichtet, die "für mitteleuropäische Ohren schwer zu ertragen waren" und einen "gravierenden Mangel an Respekt und Aufmerksamkeit für Menschen" gezeigt hätten, spricht das für sich. In seinem Resümee gegenüber der Kathpress, würdigte Elbs die Synode aber als "Weltkirche komprimiert" und "intensive Lernerfahrung für eine zeitgemäße Pastoral".

Der Papst ist radikaler als die Bischöfe

Unterschiedlich fielen auch die Bewertungen der Ergebnisse der Synode aus. Konservative Hardliner wie der australische Kurienkardinal George Pell sahen im Abschlussdokument die Fortschreibung des Kommunionverbots für wiederverheiratete Geschiedene "implizit enthalten". Grundsätzlich wird das Dokument von den Konservativen als "banal und theologisch schwammig"(so der besonders exponierte Kardinal Raymond Burke) bewertet. Andererseits ist auf den einschlägigen Homepages nachzulesen, der Papst hätte "sein" Schlussdokument durchboxen wollen, aber die "glaubenstreuen" Bischöfe hätten so großen Widerstand geleistet, dass die Schlusserklärung umgeschrieben werden musste. Von daher sei das Abschlussdokument eine Niederlage für Franziskus, der aus der Synode "geschwächt und gelähmt" hervorgehe - so beurteilt es etwa der konservative italienische Papstkritiker Roberto De Mattei.

Die mediale Wahrnehmung des Synodenergebnisses war dem entgegen doch von der Rede einer vorsichtigen Öffnung geprägt und würdigte nicht zuletzt den pastoralen, nicht verurteilenden Ton des Dokuments. Vorsichtig bis überzeugt positiv fielen auch die Reaktionen hierzulande aus: Die Präsidentin der Katholischen Aktion, Gerda Schaffelhofer, sprach von "einer Meisterleistung der Diplomatie" und einem "enormen Fortschritt". Der Papst habe mit Zweidrittelmehrheit eine "Carte blanche für weiter Reformen" erhalten. Der Grazer Pastoraltheologe und FURCHE-Kolumnist Rainer Bucher attestierte, die Kirche sei nun endlich "in der Postmoderne angekommen". Bucher meint, die Synode habe gezeigt, dass der "unausgleichbare Widerstreit" in der Kirche "nun auch öffentlich" wurde. Der Pastoraltheologe analysierte auf feinschwarz.net die Abschlussansprache des Papstes bei der Synode, wo Franziskus gemeint hatte, man habe "gesehen, dass das, was einem Bischof eines Kontinentes als normal erscheint, sich für den Bischof eines anderen Kontinents als seltsam, beinahe wie ein Skandal herausstellen kann - beinahe!"

Solche Worte der Kirchenspitze sind vor Franziskus kaum je gehört worden. Es fällt auf, dass der derzeitige Pontifex radikaler spricht als der Gutteil der Bischöfe. Da scheint auf den ersten Blick paradox, dass Franziskus zum einen mehr Synodalität fordert, es dann aber wesentlich auf seine Positionierung ankommt: Denn die polarisierte Synode konnte sich nicht auf eine unzweideutigen Linie verständigen. Also hoffen alle auf den Papst - die Konservativen, dass er es nach den Erfahrungen auf der Synode nicht wagen wird, eine Kehrtwende etwa in Bezug auf die wiederverheirateten Geschiedenen zu machen. Und die Gegenseite ersehnt ein Machtwort, damit sich die Kirche hier endlich bewegt. Man darf gespannt sein, wie Franziskus mit dieser Situation umgeht.

Grundzüge für einen Neustart

Es ist in diesem Zusammenhang hilfreich, einen Blick in zwei Bücher österreichischer Autoren zu werfen, die schon kurz vor der Synode herausgekommen sind. Für beide Neuerscheinungen, die ja das Risiko eingingen, nach der Synode schon wieder alt auszusehen, gilt, dass sie wenig von ihrer Aktualität verloren haben - und in ihrer Analyse so brisant bleiben wie vor den drei römischen Synodenwochen.

Das kleinere der beiden Bücher stammt von Wolfgang Bergmann und betitelt sich "Die letzten Päpste. Ein theologischer Neustart für die Kirche". Der Autor, Magister der Theologie, ist im Brotberuf Vorstand der Standard Medien AG. Vor seiner Tätigkeit beim linksliberalen Tagblatt war Bergmann Kommunikationschef der Erzdiözese Wien und enger Mitarbeiter des damaligen Generalvikars Helmut Schüller. Nach dessen abruptem Abgang waren auch Bergmanns diözesane Tage gezählt - aber sein Wissen um kirchliche Vorgänge ist keineswegs verschwunden. In "Die letzten Päpste" beschreibt er, woran die Kirche krankt und wie Franziskus sucht, dem neue Perspektiven entgegenzusetzen. Luzide sind Bergmanns Beobachtungen der Stärken und Schwächen des Jorge Bergoglio, und er bringt die Probleme der katholischen Kirche mit der Welt von heute auf den Punkt. Als größte Baustellen identifiziert er die Partnerschaftsmoral, die "Entmächtigung der Hierarchie", den Zölibat, das Priestertum der Frau und die Notwendigkeit, ehrlich mit der Vergangenheit der Missbrauchsskandale umzugehen.

Dann redet Bergmann - nachvollziehbar! - der Relativierung des Dogmas das Wort und formuliert rudimentär Grundzüge für einen Neustart - etwa eine "Theologie vom Nichtgott" oder eine Theologie der Missverständnisse". Sein Plädoyer für eine "einfache Theologie" kann man taxfrei unterschreiben.

Die imaginierte Kirchenzukunft

Das andere Buch entstammt der Feder zweier Autoren und ist spekulativer. Andreas Salcher, Bestsellerautor zu verschiedenen Themen, und Johannes Huber, Gynäkologe mit theologischem Doktorat und einige Jahre Sekretär von Kardinal König, entwerfen in "Alles oder Nichts - Der große Wurf der Päpste" eine Kirchengeschichte der nächsten 20 Jahre. In der Beobachtung der Lage und der Aktivitäten von Papst Franziskus kommen sie zu ähnlichen Schlüssen wie Wolfgang Bergmann. Aber diese Autoren werfen sich in die Konkretion einer Kirchenzukunft. Was als Gedankenspiel daherkommt, wird in den Szenarien plausibel. Wenn Salcher und Huber etwa ein Treffen der konservativen Hardliner imaginieren, die Franziskus von seinem Weg abbringen wollen, dann gibt ihnen das, was aus der Synode nach außen drang, auch in der Dramaturgie der Szenarien recht. Die Autoren lassen dann Franziskus den Zölibat abschaffen und nach dessen Rücktritt 2019 mit Franziskus II. einen US-Amerikaner den Stuhl Petri erklimmen. Dessen Nachfolger, Johannes XXIV., kommt dann aus Indien. Klingt schräg, ist es aber nicht, denn das Erdachte fußt auf der guten Kenntnis des Bestehenden.

Beide Bücher machen Lust, die Nagelprobe mitzuverfolgen, der sich die katholische Kirche gegenübersieht. Ob Franziskus, der Papst, dabei mittun wird? Zu hoffen wäre es.

Alles oder nichts

Der große Wurf der Päpste. Von Andreas Salcher und Johannes Huber. Ecowin 2015. 256 Seiten, geb. € 21,95

Die letzten Päpste

Ein theologischer Neustart für die Kirche. Von Wolfgang Bergmann. Czernin 2015. 135 Seiten, geb. € 19,90

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