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Die "Englischen Fräulein", einst heftig verunglimpft, haben sich nach dem Wunsch ihrer Ordensgründerin Mary Ward in "Congregatio Jesu" umbenannt.

Das wuchernde Unkraut muss an der Wurzel vertilgt und ausgerottet werden. Es gehört zu den schwersten Pflichten des Papstes, den Weinberg des Herrn vor unberufenen Arbeitern zu schützen." Noch einmal überfliegt Papst Urban VIII. seine Bulle "Pastoralis Romani Pontificis": Das wird sie zur Vernunft bringen - diese selbst ernannten Ordensfrauen, diese Jesuitinnen! Ziehen in der Weltgeschichte herum und pfeifen auf die Vorschriften des Konzils von Trient, das den Frauenklöstern strenge Klausur auferlegt hat! Gründen eine Niederlassung und eine Schule nach der anderen in ganz Europa! Regieren sich selbst durch eine eigene Generaloberin! Und jetzt wollen sie auch noch in die Türkei, um dort zu missionieren! Nicht umsonst heißt es: "O marito o muro" - die Frau gehört gut aufgehoben, entweder in der Obhut ihres Gatten oder hinter Klostermauern. Sonst gibt es Skandal um Skandal.

Obwohl die Anführerin dieser "Jesuitinnen" eigentlich nichts Skandalöses an sich hat - das muss der Papst zugeben. Sinnend blickt Urban VIII. vor sich hin und erinnert sich an dieses stille Gesicht mit seinen feinen Zügen und den dunklen Augen: Das Gesicht einer Aristokratin, und das ist sie ja auch: Mary Ward, Tochter einer alten und angesehenen Familie der Grafschaft Yorkshire in Norden Englands; geboren 1585 - in einer Zeit, in der die katholische Kirche Englands nur noch im Untergrund existiert. Mit Heinrich VIII. haben sich die englischen Könige von Rom losgesagt. Seitdem gelten Katholiken als Staatsfeinde, alle Orden sind aufgehoben. So muss Mary Ward, die sich zum Klosterleben berufen fühlt, aufs Festland, nach Flandern. Dort tritt sie in ein Klarissinnenkloster ein, spürt aber bald, dass ihr Weg sie aus den Klostermauern hinausführt - in ein Leben, das für eine Frau des 17. Jahrhunderts undenkbar ist.

Jesuitenfreiheit für Frauen?

"Nimm das Gleiche der Gesellschaft Jesu. Der Pater General wird es nie erlauben." Diese Sätze, die Mary Ward 1611 nach langem inneren Ringen als Auftrag Gottes an sich selbst begreift, sagen alles: Die Männer der "Gesellschaft Jesu", die Jesuiten, haben Mary Ward als Seelsorger bisher immer begleitet. Aber ob sie zustimmen, dass ihre Ordensregel, die "Formula instituti" des hl. Ignatius, zur Grundlage des Ordenslebens einer Gemeinschaft von Frauen wird? Schließlich sieht diese Ordensregel nicht nur Klausurfreiheit vor, sondern auch das so genannte vierte Gelübde - die Gehorsamspflicht gegenüber dem Papst, was die Jesuiten bis heute als Freiheit zur Sendung an alle Grenzen dieser Erde verstehen. Solche Freiheiten sollen nach Mary Wards Vision auch für Frauen gelten?

Die Frage spaltet die Ordens-Männer in zwei Lager: Mary Wards Beichtväter unterstützen sie, andere Jesuiten sind vehement dagegen, schrecken vor persönlichen Verleumdungen nicht zurück. Doch diese schüchterne und kränkelnde Frau, überaus vornehm unter ihrer weißen Haube, erweist sich als überraschend widerspenstig. "Das Gleiche der Gesellschaft Jesu" will sie. Punkt. Diese klaren Worte vertragen keinen Kompromiss, den die Männer ihr anbieten: Kein "Pium institutum", eine fromme Vereinigung unter Leitung des Ortsbischofs, keine Lockerung der Klausur, nein: Das Gleiche der Gesellschaft Jesu. Allein dem Beschluss des Papstes über ihre Gemeinschaft werde sie sich unterwerfen, verspricht Mary Ward. Zweimal tritt sie die beschwerliche Reise nach Rom an, um dem Papst eine Genehmigung ihres Instituts abzuringen.

Urban VIII. empfängt sie freundlich, sagt ihr aber nicht, was längst beschlossen ist: Alle Niederlassungen von Mary Wards Gemeinschaft sind aufgehoben. Die Kirchendiplomaten in Wien, Köln, Brüssel und Neapel wissen das, nur Mary Ward weiß es noch nicht. In ihrer gradlinigen Art hat sie das Theater nirgendwo durchschaut. Erst die Bulle vom 13. Jänner 1631 schafft Klarheit. Mary Ward erfährt von der Aufhebung ihres Instituts in München. Doch da ist sie bereits verhaftet, die Mühlen der Inquisition haben zu mahlen begonnen. Die Anklage lautet: Häresie, Schisma, Rebellion gegen die Kirche. Schwer krank verbringt sie zwei Monate in Haft, dann kommt sie frei. Eine letzte Reise nach Rom bringt ihr zwar den Freispruch vom Verdacht der Häresie, doch die Inquisition behält sie bis an ihr Lebensende im Auge, und die Bulle vom Unkraut im Weinberg des Herrn wird nie aufgehoben. Bis heute nicht. Mary Ward stirbt am 30. Januar 1645 in England. Ihr Werk liegt in Trümmern.

Doch: "The gaine will be ours every ways in the end" hatte sie 1625 ihrer Weggefährtin Winefrid Wigmore geschrieben (Der Gewinn wird schließlich auf unserer Seite sein). Mary Wards "Englische Fräulein" - seit 1877 als Schwestern des "Institutum Beatae Mariae Virginis" (IBMV) bezeichnet - führten ihr Werk in kleinen Gemeinschaften weiter. Um zu überleben, waren sie zur Anpassung an traditionell-klösterliche Lebensformen gezwungen. Fast 400 Jahre mussten sie durchhalten, bis der Traum ihrer Gründerin Wirklichkeit wurde.

Erst vor zwei Jahren haben die weltweit rund 3.000 Schwestern, die vor allem als Erzieherinnen arbeiten, beschlossen, die Ordensregeln des hl. Ignatius ganz zu übernehmen. Mit Klausurfreiheit und dem vierten Gelübde. "Nicht, weil wir so papstdevot wären, sondern wegen des Gedankens der Sendung an die Grenzen, die so typisch für das ignatianische Charisma ist", erklärt Schwester Martha Zechmeister, Ordensmitglied und Professorin für Fundamentaltheologie in Passau. Heuer haben die Schwestern einen weiteren Wunsch ihrer Gründerin erfüllt: Die Umbenennung des Ordens in "Congregatio Jesu" (CJ). Der Name Jesu sollte, so Mary Ward, Bestandteil des Ordensnamens sein.

Gibt es nun einen weiblichen Zweig der Jesuiten? "Überhaupt nicht!" protestiert Zechmeister. "Wir haben das ignatianische Charisma, aber in Eigenständigkeit und Würde. Mary Ward hat die rechtliche Abhängigkeit von den Jesuiten stets abgelehnt. Sie wollte eine Leitung von Frauen für Frauen." Solch selbstbewusste Worte aus ordensfraulichem Munde sind für die Jesuiten von heute kein Problem mehr. "Ich freue mich, wenn die Schwestern der Congregatio Jesu Anerkennung bekommen" sagt Pater Michael Zacherl, Stellvertreter des Jesuiten-Provinzials in Österreich.

Stachel im Fleisch der Kirche

Ist für Mary Ward und ihren Orden nach Jahrhunderten der Unterdrückung ein kirchengeschichtliches Happy End in Sicht? Es scheint fast so - wäre da nicht der Seligsprechungsprozess, der seit 1931 vor sich hin dümpelt: Das nötige Wunder fehle, lautet die offizielle Begründung. Insider wissen aber, dass jede Selig- oder Heiligsprechung eine starke Lobby und finanzkräftige Unterstützung voraussetzt. Im Fall Mary Wards gilt es zunächst ein großes Hindernis zu überwinden: die Bulle Urbans VIII. Zweitens hat die Kirche ein langes Gedächtnis: "Gestern setzte es zwischen den Kardinälen und uns so heiße Auseinandersetzungen ab, dass man in Jahrhunderten, wenn überhaupt je einmal, nicht dergleichen sehen wird", schrieb Mary Ward in einem Brief. Kein Wunder, dass sie bis 1909 als Ordensgründerin gar nicht genannt werden durfte. Sie bleibt ein Stachel im Fleisch der Kirche, der darauf hinweist: Die Frauenfrage ist noch immer ungelöst.

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