"Das Wichtigste ist Mut"

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Die Furche: Sie machen Filme in Österreich. Ist das ein schwieriges Unterfangen?

Barbara Albert: Ich habe keinen Vergleich zu anderen Ländern, deshalb ist das schwierig zu sagen. Es liegt viel an den Auswahlkommissionen der Filmförderungen. In Österreich kann man keinen Film ohne das Filminstitut machen. Man hat nicht sehr viele Möglichkeiten. Es ist nun mal ein kleines Land, wo wenig Filme produziert werden. Allerdings wird in vergleichbaren Ländern wie Dänemark sehr viel mehr Geld für den Film ausgegeben als hier. Es stellt sich auch die Frage, welche Art von Filmen man macht. Es gibt eine gewisse Konkurrenz zwischen Filmen, die groß angelegt sind, so wie der Trend der Kabarett-Filme, und weniger kommerziellen Projekten. Ich finde, die Kabarett-Filme haben dem österreichischen Film aber sehr viel Positives gebracht. Es ist schön, daß die Leute in österreichische Filme gehen und sich nicht langweilen.

Die Furche: Ihr Erfolgs-Debüt "Nordrand" wurde für die diesjährige Oscar-Verleihung vorgeschlagen. In Hollywood wurde der Film schließlich von einigen Mitgliedern der Jury boykottiert, weil er aus dem schwarz-blauen Österreich kommt. Trifft es immer die Falschen?

Albert: Es gab einen Aufruf zum Boykott von elf Juroren. Ich verstehe es, wenn sie mich boykottieren. Ich akzeptiere es auch. Die "Academy of Motion Picture Arts & Science", die den Oscar vergibt, hat sich aber dagegen ausgesprochen. Ich freue mich, daß die Leute langsam auch differenzierter schauen auf das, was da aus Österreich kommt. Die Künstler und Kreativen haben schon so oft nach außen dargestellt, daß sie diese Regierung nicht wollen. Es gibt viele bildende Künstler, die massive Probleme haben, deren geplante Ausstellungen in New Yorker Museen plötzlich abgelehnt werden.

Die Furche: Wie beurteilen Sie die politische Situation in Österreich?

Albert: Ich bin vehement gegen diese Regierung. Ich war auch demonstrieren und engagiere mich dagegen, wo ich nur kann. Es geht für mich auch gar nicht um konkrete Inhalte wie den Selbstbehalt beim Arzt oder ähnliches. Es fängt früher an: Ich kann eine gewisse Geisteshaltung und Gesinnung der FPÖ nicht akzeptieren.

Die Furche: Was erwarten Sie im Hinblick auf die Filmbranche von der neuen Regierung?

Albert: Ich glaube, die Regierung möchte private Finanzierungsmöglichkeiten für Filme. Das wird es aber so nicht spielen, weil man private Investoren nicht findet. In Österreich wird man mit einem Film, der wie "Nordrand" über 20 Millionen Schilling kostet, nie Gewinn machen. Dazu ist der Markt zu klein, und Private investieren nur in die extrem kommerziellen Projekte. Man kann von einem privaten Investor nicht 20 Millionen Schilling verlangen, wenn er weiß, er macht dabei keinen Gewinn.

Die Furche: Es gibt also zu wenig Geld. Ist eine Aufstockung der Fördermittel die Lösung?

Albert: Es kommt immer darauf an, welche Art von Filmen damit gefördert werden, und wer bestimmt, welche Filme gemacht werden.

Die Furche: Wie erleben Sie den Erfolg in Österreich?

Albert: Ich erlebe das irrsinnig schön. Ich bekomme viele Briefe von Regiekollegen, die meine Arbeit völlig unberechnend loben. Ich habe das Gefühl, das kommt aus dem Bauch, ist einfach ehrlich gemeint. Mir hat es gut getan, ein tolles Feedback zu haben. Ich freue mich über jeden, der mir etwas Nettes über meine Filme sagt, denn gerade die direkte Reaktion des Publikums ist letztlich das, was mich am meisten aufbaut und motiviert.

Die Furche: "Nordrand" ist eine Geschichte mit Anspruch. Was reizte Sie an dem Thema? Würden Sie auch so etwas Kommerzielles wie Stefan Ruzowitzkys "Anatomie" machen?

Albert: Ich möchte meine Geschichten immer selber schreiben und dann auf die Leinwand bringen. Sollte ich einmal Lust haben, einen Horrorfilm zu schreiben, dann könnte ich mir das schon vorstellen. Einen Film zu machen dauert ein bis drei Jahre meines Lebens, und ich möchte daher nur etwas machen, womit ich hundertprozentig zufrieden bin. Das ist mir wichtig.

Die Furche: Frauen sind als Regisseure eher die Ausnahme. Haben Sie es schwerer als Männer?

Albert: Tragisch ist, daß auf der Filmakademie gleich viele Frauen wie Männer studieren, aber es sind dann doch eher Männer, die Filme machen. Christine Maier (Kamerafrau bei "Nordrand", Anm.) ist die erste österreichische Kamerafrau, die in Österreich einen abendfüllenden Kinofilm gedreht hat. Das muß man sich mal vorstellen! In letzter Zeit hat sich das etwas gebessert.

Die Furche: Im europäischen Kino wird oft über die Diskrepanz zwischen Kunst und Kommerz diskutiert?Sehen Sie sich als Künstlerin?

Albert: Ich finde es schade, daß das so streng unterschieden wird. Ich sehe mich weniger als Künstlerin, sondern viel mehr als Schaffende. Ich fühle mich sicher bei dem, was ich mache. Wenn ich ein Drehbuch schreibe, dann sitze ich selbst immer im Zuschauerraum und denke mir, wie ich die jeweilige Geschichte als Zuschauer sehen würde.

Die Furche: Die deutschen Privatsender drehen eine Unmenge an sogenannten TV-Movies, das sind schnell gedrehte Filme fürs Fernsehen, mit meist anspruchslosem Inhalt. Besteht nicht die Gefahr, so etwas hier machen zu müssen, um leben zu können?

Albert: Ich mache mir keine allzu großen Sorgen um die Zukunft. Mein Ziel ist es, die Filme zu machen, die ich machen will, und ich möchte nicht darauf angewiesen sein, solche Movies zu machen. Wenn ich das trotzdem einmal machen muß, weil mir das Geld ausgeht, dann muß es etwas sein, was ich verantworten kann.

Die Furche: Was ist Ihre Motivation beim Filmemachen? Wollen Sie etwas ändern?

Albert: Es ist illusorisch, zu glauben, ein Film ändert die Welt. Er kann aber zum Nachdenken anregen. Ich fand es immer toll, wenn mir Leute gesagt haben, sie hätten nach "Nordrand" noch lange darüber diskutiert. Es ist schön, wenn Filme anregen. Aber die Welt verändern sie nicht.

Die Furche: Sie haben die Wiener Filmakademie besucht. Wie ist die Filmausbildung für den Nachwuchs in Österreich?

Albert: Sie hat sich sehr gebessert, seit ich vor acht Jahren an der Filmakademie angefangen habe, wobei ich in den letzten Jahren eigentlich nur mehr außerhalb gearbeitet habe. Ich glaube, daß mit Wolfgang Glück (Direktor der Filmakademie, Anm.) jemand gekommen ist, der frischen Wind hineingebracht hat.

Die Furche: Was sind Ihre kommenden Projekte?

Albert: Ich hatte bisher kaum Zeit, darüber nachzudenken. Es gibt die Idee, daß mehrere Regisseure anläßlich der politischen Lage etwas machen. Vielleicht liefere ich da einen kurzen Beitrag.

Die Furche: Ihr Tip an angehende österreichische Filmemacher?

Albert: Ich bin nicht in der Position, anderen Tips zu geben. Ich habe ja erst einen Spielfilm gemacht. Leute, die Filme machen wollen, sind auf der Filmakademie ganz gut aufgehoben. Das Wichtigste aber ist Mut. Dinge zu tun, an die man glaubt.

Das Gespräch führte Matthias Greuling.

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