Das Zeugnis einer intakten Volkskirche

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Die griechisch-katholische Kirche in der Slowakei feiert ihre Auferstehung vor fünfzig Jahren und noch vieles mehr. Eine Hommage an eine kleine, aber lebendige Gemeinschaft, deren Geschichte auch die Irrungen und Wirrungen des 20. Jahrhunderts widerspiegelt.

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Die griechisch-katholische Kirche in der Slowakei feiert ihre Auferstehung vor fünfzig Jahren und noch vieles mehr. Eine Hommage an eine kleine, aber lebendige Gemeinschaft, deren Geschichte auch die Irrungen und Wirrungen des 20. Jahrhunderts widerspiegelt.

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Bringst du mir wieder Pilze?" Mit diesen Worten pflegt Papst Franziskus seinen Ordensbruder Ján Babjak zu begrüßen, wenn dieser ihn im Vatikan aufsucht. Die nächste Gelegenheit dafür bietet sich am 6. Oktober, wenn der Metropolit von Preˇsov mit einer Dankwallfahrt nach Rom kommt. Denn 2018 ist für die griechisch-katholische Kirche in der Slowakei ein Jubeljahr sondergleichen, wobei die Jubiläen der jüngeren Zeit zugleich solche ihres Oberhaupts sind.

Vor 200 Jahren wurde die Eparchie Preˇsov errichtet und von Mukaˇcevo abgetrennt. Beide Bischofssitze lagen damals im Königreich Ungarn, heute liegt ersterer in der Ostslowakei, letzterer in der Karpatoukraine. Die Selbstständigkeit Preˇsovs wurde am 22. September in L'utina gefeiert, einem der griechisch-katholischen Wallfahrtsorte, die sich nicht durch eine touristische Infrastruktur, dafür aber enorme Pilgerziffern auszeichnen.

Das Gnadenbild aus Mária Pócs

Das gilt übrigens auch für das weiterhin ungarische Mária Pócs, den berühmtesten griechisch-katholischen Wallfahrtsort im Karpatenbogen. Kaiser Leopold I. ließ das Gnadenbild nach Wien bringen, wo es im Stephansdom am Maria-Pötsch-Altar nach wie vor die Betenden anzieht. Die seit 100 Jahren auf mehrere Länder aufgesplitterte griechisch-katholische Kirche im ehemaligen Königreich Ungarn geht auf die Union von Uˇzgorod im Jahr 1646 zurück, die griechisch-katholische Kirche jenseits der Karpaten im einstigen Königreich Polen auf die Union von Brest von 1596.

Im 20. Jahrhundert wurden die Katholiken des byzantinischen Ritus in Osteuropa von der geschichtlichen Entwicklung derart gebeutelt, dass es nicht leicht ist, den Überblick zu wahren. Da die junge Tschechoslowakei auch die Karpatoukraine umfasste, verblieben Preˇsov und Mukaˇcevo zunächst im gemeinsamen Staatsverband. Als dieser 1939 zerbrach, fand sich Preˇsov im kurzlebigen Slowakischen Staat wieder, und als 1948 in der wiedererrichteten Tschechoslowakei die Kommunisten die Macht ergriffen, verfinsterte sich der Himmel völlig: 1950 wurde die griechisch-katholische Kirche, so wie jene in der nunmehr sowjetischen Karpatoukraine, aufgelöst und der orthodoxen Kirche einverleibt.

1968 wurde sie wieder zugelassen, und dieses 50-Jahr-Jubiläum wurde heuer im Juni und Juli geradezu überschwänglich gefeiert. Während die römisch-katholische Kirche in Tschechien und der Slowakei das Gedenken an den Prager Frühling geradezu demonstrativ überging, weihte Erzbischof Babjak die Stadt Preˇsov einem der Märtyrer aus der Zeit des Kommunismus, dem vor 130 Jahren geborenen, von Johannes Paul II. seliggesprochenen Märtyrerbischof Pavol Gojdiˇc, und enthüllte ein Denkmal, das die Erniedrigung der Kirche, mehr noch aber ihre Auferstehung symbolisiert.

Der Schutt der Katakombenzeit

Zu dieser kam es vollends allerdings erst mit der "zärtlichen" Revolution von 1989, und auch dann war zunächst der Schutt der Katakombenzeit wegzuräumen. Nunmehr fanden sich die Orthodoxen mit der Forderung der Katholiken konfrontiert, konfiszierte Kirchen zurückzugeben. Heute wird von beiden Seiten betont, dass die Entwicklung nach 1945 vom Staat erzwungen war, und der zunächst heftige Streit um die Restitutionen ist weitgehend beigelegt. Generell erscheint das ökumenische Klima im Osten des Landes weitaus freundlicher als im Westen.

Vor 15 Jahren weihte Papst Johannes Paul II. den damals im 50. Lebensjahr stehenden Ján Babjak im Petersdom zum Bischof. Fünf Jahre später, also vor zehn Jahren, wurden die kirchlichen Strukturen in der Slowakei so wie in der römischen auch in der griechischkatholischen Kirche neu geordnet: Preˇsov wurde in den Rang einer Archieparchie erhoben und Ján Babjak zum ersten Chef der das ganze Land umfassenden Metropolie ernannt. Koˇsice wurde von einem Exarchat in eine Eparchie umgewandelt, und in der Hauptstadt Bratislava wurde eine neue Eparchie für die mittlere und westliche Slowakei errichtet. Letzteres trägt der starken Abwanderung aus der Ostslowakei Rechnung.

Heute ist die griechisch-katholische Kirche in der Slowakei eine der dynamischsten weit und breit. Bei nur 209.000 Gläubigen standen ihr im Februar 2018 laut grkatpo. sk 505 Priester zur Verfügung und waren an der Theologischen Fakultät in Preˇsov 393 Studierende inskribiert, davon 87 Seminaristen. Die Vitalität hat viele Wurzeln: die historische einer wieder ans Tageslicht getretenen Katakombenkirche; die regionale einer Organisation, die in einem geografischen Outback Identität stiftet; die dörfliche und kleinstädtische Struktur, in der die Kirche noch immer lebt; die soziologische einer Institution, die den vom Staat finanzierten Amtsträgern die Existenz sichert; und last, not least wohl auch das Fehlen des Pflichtzölibats, der auf die Bischöfe beschränkt ist.

Kein Wunder also, wenn Erzbischof Babjak dem Papst, wie er sagt, "ohne Tremor" gegenübertritt. Er bringt nicht nur selbst gebrockte Pilze mit (einmal waren es sogar 5 kg), sondern auch das Zeugnis einer intakten Volkskirche.

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