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Mit nicht ganz öffentlichkeitstauglichen Sprüchen üben Mitglieder der Katholischen Jugend konstruktive Kritik an der Kirche. Ihr Motto lautet: „Aufbauen statt abhauen.“

„Linz darf nicht St. Pölten werden!“, „Glaubensschwester statt Piusbruder!“, „Kein Ja und Amen zu Kirchendramen!“. Am Sonntag, den 15. Februar, starteten Mitglieder der Katholischen Jugend mit einer aufsehenerregenden Aktion. Unter der Internet Adresse www.trotz-speiben-bleiben.at riefen die Initiatoren dazu auf, Sprüche und Reime zur Situation der katholischen Kirche zu entwickeln und über die Homepage öffentlich zu machen. Die angeführten Beispiele machen deutlich, dass eine spitze Zunge gefragt scheint. Das Ziel der Aktion: „Wir wollen damit ein doppeltes Zeichen der Solidarität setzten“, berichtet Nina Sevelda, Geschäftsführerin der Katholischen Jugend Wien. „Wir wollen den Menschen, die sich angesichts der derzeitigen Situation der Kirche ohnmächtig und verzweifelt fühlen, zeigen, dass wir ihren Ärger ernst nehmen und dass der auch deutlich artikuliert werden darf.“ Die Solidarität gelte aber nicht nur den Proteststimmen, sondern auch der Kirche selbst. „Auch wenn viele Menschen zutiefst verletzt sind, sind wir davon überzeugt, dass die Kirche vor Ort unglaublich viel Gutes bewirkt und dass unser Einsatz dringend gebraucht wird“, sagt Nina Sevelda. Innerhalb weniger Stunden verzeichnete die Homepage tausende Zugriffe. Die Zahl der online gestellten Sprüche wie „Gemeinsam aufmucken statt allein auszucken“ wächst täglich an, wie auch die Rubrik „Ich bleibe in der Kirche, weil …“

Abgeschwächter Schmäh

Die Sprüche, welche über das Internetportal gesammelt werden, sollen jedoch nicht nur auf den virtuellen Raum beschränkt bleiben. „Auf der Homepage kann man mit kreativen Sprüchen virtuelle T-Shirts beschriften“, so Stephan Bazalka, der die Idee zu der ungewöhnlichen Aktion hatte. „Durch eine Online-Abstimmung werden die drei besten Sprüche ermittelt, mit denen anschließend eine große Zahl an T-Shirts bedruckt wird.“ Diese T-Shirts werden nach derzeitigem Stand später verkauft. Im Laufe des darauf folgenden Montags schwächte der jugendliche Schmäh der Initiatoren jedoch deutlich ab. Die Internetseite wandelte sich aufgrund des Rücktritts des designierten Weihbischofs Wagner und des Hirtenbriefs der Bischöfe zur Causa in www.aufbauen-statt-abhauen.at. Woher und warum der Wechsel?

„Diese Frage ist relativ leicht zu beantworten“, sagt der Sprecher der Initiative, Florian Unterberger. „Durch die Entwicklung der letzten Tage geht es den Menschen wieder besser mit der Kirche, es herrscht eine bessere Grundstimmung. Deshalb haben wir unser Motto auch dementsprechend geändert.“ Diese Entscheidung sei jedoch allein von Seiten der Begründer der Aktion gefällt worden, betont Unterberger und dementiert damit jene Meldungen, die äußeren Druck als Verursacher des Sinneswandels angegeben haben. Das Ziel der Initiative – konstruktive Kritik an der Kirche auszusprechen und anzubringen – bleibe hingegen gleich. Nicht alle der eingebrachten Sprüche sind jedoch auch öffentlichkeitstauglich. Nach den Angaben der Verantwortlichen wird ca. ein Viertel aller Zitate wieder von der Homepage entfernt, da sie zu niveau- bzw. respektlos erscheinen.

Am Rande der Pressekonferenz der Bischofskonferenz wurde Kardinal Schönborn letzten Montag eines der ersten T-Shirts mit dem neuen Motto „Aufbauen statt Abhauen“ übergeben. Der Kardinal dankte den Jugendlichen für ihre schnelle Initiative und hob hervor, dass er die Notwendigkeit eines Ventils verstehe, bei dem sich der Ärger der Menschen Luft machen könne. Trotz der schlagartigen Entwicklungen bleibt – wie auf der Homepage von www.aufbauen-statt-abhauen zu lesen ist – noch einiges für eine Rehabilitierung des Images der Kirche zu tun. Auch hier darf ein kecker Spruch nicht fehlen: „Innovativ statt Retro-Mief“ – wird die Devise vorgegeben.

Erster Gegenwind ließ nicht lange auf sich warten. Die konservative Internetseite kath.net berichtet über die „Veröffentlichung dummer Katholiken-Provokationen“ und über eine „Sammlung von dümmlichen Sprüchen“. Im Forum des Nachrichtendienstes schrieb ein Besucher unter dem Pseudonym „Gandalf“: „Provokant gesagt: Dumm, dümmer, Katholische Jugend?“ – Beide Seiten verwenden zumindest dieselben Methoden: pointierte Sprüche. Andere User im Forum von kath.net beschweren sich hingegen darüber, dass ihre positiv formulierten Sprüche für Papst Benedikt XVI. und Pfarrer Gerhard Maria Wagner von den Betreibern nicht freigegeben wurden. Außerdem behauptet kath.net weiter, dass die Sprüche-Aktion bei einigen österreichischen Bischöfen auf große Ablehnung gestoßen sei.

Probleme direkt ansprechen

Kritik am Sprachgebrauch und an den Inhalten mancher Sprüche der Aktion lässt Florian Unterberger nicht zur Gänze gelten. Sätze wie „Bella-Roma im Weihrauch-Koma“ seien zwar forsch, jedoch zum Teil aktuelle jugendliche Kultur. „Ich glaube, es ist Aufgabe der Jugend, ein Sensorium zu sein und Probleme direkt anzusprechen.“ Kritik an der gewählten Sprache kommt jedoch auch von anderen Jugendlichen. „Einerseits finde ich das Bemühen der Katholischen Jugend, die Kirche auch positiv darzustellen und Dialoge anzuregen, sehr wichtig, andererseits schwingt für mich in der Wortwahl der meisten Sprüche auch etwas sehr Boshaftes mit“, meint die 22-jährige Studentin Elisabeth Seibold, die selbst elf Jahre als Ministrantin in einer Wiener Pfarre tätig war.

Die kirchliche Landschaft in Österreich – so ist aus den unterschiedlichsten Medien zu bemerken – ist gespannt. Die Theologin Regina Polak – Leiterin des Instituts für Praktische Theologie der Universität Wien – bezeichnet die Situation als „sehr fragil“. Gerade für junge Menschen, so Regina Polak, ist das besonders schwierig. „Sie haben sich vor Menschen im gleichen Alter zu rechtfertigen, warum sie sich in der Kirche engagieren und einbringen wollen.“ Die gegenwärtigen Konfliktthemen an sich bezeichnet die Theologin nicht als das eigentliche Problem, sondern den polarisierenden Umgang damit. „Konflikte und Differenzen müssen angesprochen und diskutiert werden, ohne wechselseitige Beschimpfungen und Vorwürfe. Es darf aber nichts unter den Tisch fallen!“ Das Bild der Kirche in der Öffentlichkeit ist zum Teil auch ein hausgemachtes. Regina Polak befürchtet, dass im gegenwärtigen innerkirchlichen Diskurs „die Klarheit des Arguments untergeht“, wenn sich die verschiedenen Richtungen statt auf einer „sachlich-argumentativen Ebene“ auf einer ausschließlichen „Beziehungsebene“ begegnen. Dass es auch in Zukunft weiterhin viel Zündstoff geben wird, bestätigt indirekt auch Florian Unterberger. So heißt es in der jüngsten Presseaussendung: „Wem aber nach wie vor zum Speiben zumute ist, erreicht sie (die Homepage, Anm.) natürlich auch weiter unter der alten Adresse.“

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