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Dem Heiligen Geist Zeit lassen

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Auf ungeheures Echo stieß das jüngste Lehrschreiben des Papstes, das der Salzburger Ordinarius für Neues Testament hier für die FURCHE kommentiert.

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Auf ungeheures Echo stieß das jüngste Lehrschreiben des Papstes, das der Salzburger Ordinarius für Neues Testament hier für die FURCHE kommentiert.

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Am Pfingstfest hat Papst Johannes Paul IL ein Apostolisches Schreiben über die nur Männern vorbehaltene Priesterweihe erlassen. Kernsatz: „Damit also jeder Zweifel bezüglich der bedeutenden Angelegenheit, die die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft, beseitigt wird, erkläre ich kraft meines Amtes, die Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32), daß die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und daß sich alle Gläubigen endgültig an diese Entscheidung zu halten haben.”

Das Schreiben folgt den Argumenten von Paul VI. 1975 an den damaligen Primas der Anglikanischen Kirche und der Erklärung In-ter Insigniores der Glaubenskongregation 1976 über die Zulassung von Frauen zum Amtspriestertum. Paul VI. hatte schlußgefolgert: „... daß die Kirche für sich nicht die Vollmacht in Anspruch nimmt, ,Frauen zur Priesterweihe zuzulassen'.” Er sprach von einer von Christus festgelegten „theologischen Anthropologie ..., der dann in der Folge die Tradition der Kirche stets gefolgt ist”.

Das Schreiben und die Erklärung Papst Johannes Pauls II. ist eine Äußerung in Wahrnehmung des ordentlichen Lehramtes mit hohem Verbindlichkeitscharakter, wenn es sich auch nicht im strengen Sinn um eine Aussage mit dem Anspruch auf Unfehlbarkeit handelt (außerordentliches Lehramt). Sehr wohl gilt (Bischof Christoph Schönborn), daß auch eine Aussage des ordentlichen Lehramtes unfehlbar sein kann.

Die ersten hierzulande .wahrnehmbaren Reaktionen in Medien (falsches Zeichen, katastrophale Botschaft, die Tür ist zu, Brüskierung der Frauen, Diskriminierung) und in Gesprächen mit Frauen im langjährigen pastoralen Dienst (beengend, bleibt einem der Atem weg, entwürdigend, läßt sich der Heilige Geist einsperren - dann mußt du heimgehen und über die Kirche schön sprechen) zeigen, wie wenig die bemerkenswerten Aussagen über Würde und Wichtigkeit der Frauen in der Kirche angekommen sind. Wohl auch schon wegen der gewählten Sprache („Wir”, nur die „Brüder” Bischöfe, „Weisheit des Herrn des Universums” und so weiter). Besonders wird kritisiert, daß das Schreiben auf ein Diskussionsverbot hinauslaufe (nachdem eine offizielle öffentliche Diskussion in der Kirche kaum stattgefunden hat - vergleiche „da die Frage ... auch unter Theologen und in manchen katholischen Kreisen umstritten war”). Erstaunlich negativ wurde die Aussage von Bischof Egon Kapellari „Wer als Katholik Christus wirklich liebt, ... wird das Lehrschreiben des Papstes ernstnehmen und annehmen” (wobei der volle Text viel ausgewogener ist: „... wird die Diskussion ... nicht immer wieder bei einem fiktiven Nullpunkt beginnen können”) aufgefaßt. Einsichtige Stimmen betonen, daß im Augenblick unter keinen Umständen in der katholischen Kirche an eine eventuell doch mögliche Änderung der bis heute ungebrochenen Praxis zu denken sei.

In der inhaltlichen Beurteilung des Schreibens fällt auf, daß wesentliche Inhalte der bisherigen Diskussion nicht erwähnt werden: So die pastoral-anthropologische Erfahrung („Beichtgespräche” in der Fernstehendenseelsorge, Krankenhausseelsorge, Erfahrungen bei Beichten von Frauen, Gemeindeleiterinnen in weiten Gebieten der Kirche, zum Beispiel Südamerika - das Prinzip Sacramenta prop-ter homines gilt ungebrochen!), die zwölf Apostel sind das Zeichen der neuen Stammväter (nach der alten bis 1824 geltenden Biologie und Anthropologie kommt das menschliche Leben aus dem Vater, und daher läßt sich jede menschliche Gemeinschaft auf den Stammvater zurückführen), das Argument, daß nur Männer beim Abendmahl gewesen seien (nicht ausdrücklich so im Schreiben verwendet), ist daher fraglich (jüdische Sitte der Teilnahme der ganzen Familie beim Paschamahl, also auch der Frauen, im Gegensatz zur sonstigen Mahlsitte), die im Neuen Testament erwähnten Mitarbeiten, die Wahrscheinlichkeit, daß wenigstens eine Frau als Aposteh im Neuen Testament bezeugt ist (Junia, Rom 16,7), vor allem die Prophetinnen (1 Kor 11,5, und öfter). Das Argument von „in persona Christi” ist nicht relevant (auch bei Nottaufe und Ehe handelt die jeweilige Frau in persona Christi). Es ist auf Inkonsequenzen in der kirchlichen Theorie und Praxis zu verweisen. Warum nicht so unter Berufung auf den Willen Christi Eidverbot (man erinnere sich an die verschärfte Einforderung gerade jetzt unter Johannes Paul IL, zu Matth 5,34), warum „Heiliger Vater11 (entgegen Matth 23,9), warum „untragbare Lasten” (vergleiche Apg 15,10) bezüglich Menschen, die die Gabe der sexuellen Enthaltsamkeit nicht haben (vergleiche Matth 23,2 f zu 1 Kor 7,2 f), das Thema „Gewaltlosigkeit und gerechter Krieg” (zu Matth 5,38-42) und so weiter. Es fragt sich, welchen Unterschied tatsächlich die Bischof- und die Priesterweihe (vergleiche Matth 18,18 und Lk 10,16) haben. Warum nimmt die Kirche für die Zwölf (wenn das die Bischöfe sind) nicht den Auftrag, zu heilen und Dämonen auszutreiben, ernster und so weiter.

Daß alle Katholiken (Katholikinnen!) das Schreiben (mit Freude) annehmen, ist nicht zu erwarten. Gleichgültigkeit, Austritt, Übertritt (das Argument, man könne ja ..., wirkt zynisch, wenn die Kirche nicht sagen kann, daß man solches guten Gewissens tun dürfe!) sind menschlich unerwünscht (darf man beitragen, seine „Heimat” zu verlieren?). Gerade solche, die (noch immer) die Frage für ein Problem der kirchlichen Disziplin halten, mögen Disziplin wahren und so dem Heiligen Geist Zeit und Raum lassen.

Überfällig ist die Wkderherstel-lung der Einrichtung der Diakoninnen in der katholischen Kirche. Die

Glaubwürdigkeit der päpstlichen Argumentation würde sprunghaft steigen, wenn gerade Frauen die verantwortliche Entscheidungsgewalt über kirchliche Gelder (das stünde im Gegensatz zur Praxis der Aufgabe, die Kirche zu leiten, in Einklang mit der Weisung Jesu im Evangelium), Posten, und ähnliches übertragen erhielten. Was wäre, wenn paritätisch Frauen zur Wahl des Papstes berechtigt wären (sie brauchten weder Bischof noch Priester sein: „was alle angeht, soll von allen entschieden werden”, vergleiche die Päpste Gela-sius I. und Leo I.)?

Die Nutzung wichtiger Elemente der Glaubens- und Frömmigkeitsgeschichte, wie Laienbeichte, Be-gierdtaufe, geistliche Kommunion und ähnliche, könnte zu einem weniger sakramentalistischen und so erneuerten Kirchenverständnis beitragen. Es könnte auch Chance für die Ökumene sein. Man erinnere sich nur an die differenziert-kriti-sche Einstellung des Johannes-Evangeliums zur Sakramentenfrömmigkeit. Wem das ein Schritt zu einer spiritualistisch verstandenen Kirche scheint, der wird wohl auch darüber nachdenken, wer nun der sichtbar verfaßten Kirche Jesu besser dient: die, die durchaus respektierenswer-terweise sich nach Roma locuta -causa finita verhalten, oder jene, die aus Gründen, wie den genannten, meinen, die Kirche muß geduldig nach Möglichkeiten suchen, Frauen radikal mehr als bisher für möglich erachtet in die Vermittlung kirchlichen Dienstes einzubinden, in welcher Weise auch immer.

Es ist möglich, daß Christus seiner Kirche durch den Heiligen Geist Möglichkeiten eröffnet, die sie derzeit nicht als bestehend erkennen kann. Wenn Bischof Kapellari sehr richtig äußerte, „niemand darf die Kirche Zerreißproben aussetzen”, so gilt das eben für alle und daher gerade auch für die Träger des Lehr-und Leitungsamtes in der Kirche.

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