Den Himmel offen halten

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Vor mehr als 30 Jahren war ich als Pfarrjugendleiter erstmals im Pfarrgemeinderat aktiv, seit damals arbeite ich in verschiedenen Funktionen in Pfarre und Diözese und bin dadurch mit vielen Pfarrsituationen und Priesterpersönlichkeiten konfrontiert. Einige Blitzlichter zeigen eine differenzierte, oft auch komplizierte Situation.

Es gibt "g'standene" Priester und Pfarrer, die ihre Freude an ihrer Berufung ausdrücken. Sie versehen ihren Dienst in Treue zu Gott, mit persönlichem Einsatz, Charisma, Freude und Humor. Es gibt aber auch die, die glauben, ihre Weihe und ihr Amt verlangen von Laien in erster Linie Gehorsam. Sie arbeiten in einer Struktur, die Unversetzbarkeit und Veto-Rechte möglich macht, in der Fehlverhalten nicht sanktioniert wird, zumindest solange der Bischof keinen Streit will. Und deshalb gibt es immer noch Pfarrherren. Daneben gibt es aber auch die Hilflosen, Überforderten, Einsamen. Manche zerbrechen an den Mühen der Leitungsfunktion.

Keine Korrektive und Supervision

Am besten sind die unterschiedlichen Charaktere in Vorwahlzeiten zu Pfarrgemeinderatswahlen zu sehen: Da sind viele souveräne Geistliche, die unterschiedliche pastorale Modelle mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern leben; manche, die um ihre Rechte fürchten und Ordnungen ignorieren; und einige wenige, die mit der vollen Kraft des Amtes gegen jede Form der echten Demokratisierung, von der wir ohnehin (zu) weit entfernt sind, ankämpfen. Bereicherungen und Korrektive, wie sie aus einer Partnerschaft erwachsen können - Supervision im täglichen Leben - fehlen leider aus bekannten Gründen.

Das Umfeld, in dem Priester heute tätig sind, ändert sich. Sie werden nicht automatisch als Autorität anerkannt, ihre Zahl sinkt aus verschiedenen Gründen und die säkulare Welt braucht sie -angeblich -immer weniger. Dazu kommen Frauen und Männer, die nicht Priester sind, aber theologisch und liturgisch viel zu sagen haben, Gemeinden gut leiten können -und deshalb (gewollt oder ungewollt) eine Konkurrenz darstellen. Es bleibt auch keine Zeit, ein paar Jahre als Kaplan zu lernen, weil Pfarren Pfarrer brauchen. Um hier Abhilfe zu schaffen, werden größere und damit weniger Pfarren angestrebt. In der Erzdiözese Wien geschieht das etwa im "Diözesanen Entwicklungsprozess APG 2.1."(Apostelgeschichte), der neben der Strukturreform auch aus den Elementen "Mission first" und einer "Jüngerschaftsschulung" besteht. Grundsätzlich ist allen Reformen gleich, dass größere pastorale Einheiten gebildet und die Stärkung der Laien in den Pfarren sowie partizipative Leitungsmodelle gefördert werden sollen. Denn in immer größeren Räumen nahe bei den Menschen sein - das kann kein Priester allein.

Doch kann man in einem Priesterseminar auf so eine Situation vorbereitet werden? Und was ist überhaupt das Spezielle, das einen guten Priester ausmacht? Es ist eine besondere Verbindung zu Gott, die im täglichen Leben spürbar wird. Priester und Priesterinnen haben in der Geschichte der Menschheit immer wieder darauf hingewiesen, dass es mehr gibt als das materiell Greifbare. Sie halten den Blick zum Himmel offen, sie versuchen, neben den sakramentalen Aufgaben gemeinsam mit den Gläubigen auf der Spur des Evangeliums zu bleiben und mit den anderen gemeinsam zu erforschen, was das in unserer modernen Welt bedeutet. Und das, ohne gleich mit dem Katechismus zu winken; denn der ist, wie wir spätestens seit letztem Jahr und der Frage um die Todesstrafe wissen, nicht in Stein gemeißelt.

Blick zur Konkurrenz

Vielleicht werden sich in nicht allzu ferner Zukunft die derzeit dringenden Fragen nach Amtsverständnis und Lebensform auflösen, wenn es ehelose Priesterinnen und Priester gibt, die ihre Aufgaben haben - und bewährte Männer und Frauen in den Gemeinden, verheiratet oder nicht, die priesterliche Aufgaben übernehmen. Wenn jede und jeder das macht, was sie und er gut kann, dann erübrigt sich der angstvolle Blick zur vermeintlichen Konkurrentin.

Priesterliche Tätigkeit verlangt Sensibilität und Kreativität in einer Reihe alltäglicher Lebenssituationen von Menschen, ob Kirchenbeitragszahler oder nicht. Dazu gehören der fragende Atheist, das Paar, das trotz nicht übergroßer Kirchennähe sein Kind taufen lassen will, das gemischtkonfessionelle Paar, das sich traut, ja zueinander zu sagen, das homosexuelle Paar, das einen Segen für seine Verbindung wünscht, die sprachlos trauernde Familie, die seit Langem wieder mit Kirche zu tun hat -oder die mit einer zerbrochenen Beziehung konfrontierte Frau. Sie alle brauchen zuallererst einen freundlichen, kompetenten und einfühlsamen Gesprächspartner, sie brauchen jemanden, der das Fenster zu Gott weit aufmacht. Wenn Priester das nicht sein können oder wollen, dann hilft auch die Weihe nichts.

Der Autor ist Flugwetterberater, Pfarrgemeinderat in St. Johann Nepomuk in 1020 Wien und Vorsitzender des Pfarrgemeinderats-Ausschusses Wien-Stadt

In immer größeren Räumen nahe bei den Menschen sein - das kann kein Priester allein. Kann man im Priesterseminar darauf vorbereitet werden?

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