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Den Papst ein der Hand

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Der Papst hat ein Buch geschrieben. Einzigartig? Das sei dahingestellt. Auf Deutsch ist es bei Hoff- mann und Campe erschienen. Katholische Verlage hatten das Nachsehen.

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Der Papst hat ein Buch geschrieben. Einzigartig? Das sei dahingestellt. Auf Deutsch ist es bei Hoff- mann und Campe erschienen. Katholische Verlage hatten das Nachsehen.

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Darf man den Papst fragen, ob es Gott gibt? Was für eine brave Vatikanjournalistin provokant klingt, mag dem nüchternen Zeitgenossen auf gut Wienerisch als eine No-Na-Frage erscheinen. Was soll ein Papst, wenn er einer sein will, und Johannes Paul II. ist Papst in Fülle, darauf denn antworten?

Die meisten der vom italienischen Journalisten Vittorio Messori dem Papst in einem fast unerträglich devoten, fast kriecherischen Ton schriftlich vorgelegten 35 Themen hinterfragen eigentlich nichts. Sie sind bloß Anstoß, dem Papst Gelegenheit zu geben, ausführlich noch einmal - unter Zitierung von Bibel, Kirchenvätern, Philosophen, Theologen, anderen Päpsten (auch Johannes XXIII.) und sich selbst - seine Gedankenwelt der heutigen Welt vorzulegen. Dabei bleibt der Mann aus Polen ganz Papst, nur sein Polesein kann da noch in etwa mithalten. Kaum einmal blitzt die zu Beginn seines Pontifikats so interessant erscheinende, mittlerweile hinter das Amt ganz zurücktretende Persönlichkeit Karol Wojtylas mit ihren alltäglichen Erfahrungen durch. Ja diese werden sogar auf das Amt und des jetzigen Papstes Verständnis von diesem hin instrumentalisiert: wenn der Papst von seiner Kindheit und Jugend oder vom Attentat des 13.

Mai 1981 spricht, dann nur, um auf die darin schon vorhandene mariologische Ausrichtung zu stoßen, Kennzeichen seines Pontifikats.

Aber mit persönlichen Erfahrungen geht der Papst ganz behutsam um. Mit Vittorio Messori beschreitet d| den Weg zu den fundamentalen Fragen, zur wahren Lehre der katholischen Kirche. Dabei sind Zweifel, Sinnfragen, quälende agnosti- sche Anwandlungen bloß Verirrungen, zeitgeistige Störungen, auf die man mit Ideen eines Augustinus oder Thomas von Aquin, vielleicht allzu rasch?, antworten sollte.

Der Papst ist Garant für die Wahrheit des Glaubens. Messori legt das bereits in der ersten Frage über die Bedeutung des Papstamtes Johannes Paul II. in den Mund. Hat der Repräsentant des Gottessohnes, also der Vertreter der Zweiten Person des allmächtigen, dreieinigen Gottes auf Erden, so Messori, eigentlich manchmal Zweifel an der Wahrheit des Credo?

KEIN „BESESSENER“

Johannes Paul II. antwortet biblisch, mit dem Motto, mit dem er sein Amt begann, mit dem Gruß des Auferstandenen: Fürchtet euch nicht. Gemeint ist die Furcht vor der Wahrheit „über uns selbst“, wie sie in der Botschaft Jesu zum Ausdruck kommt. Wie Petrus diese Furcht überwunden habe und zum Fels des Glaubens geworden sei, so habe der Papst authentischer Zeuge des Glaubens zu sein.

Und als solcher — ohne auf aktuelle Fragen des modernen Menschen, einzugehen (sie wurden von Messori bewußt ausgespart) - führt Johannes Paul II. den Leser den Weg zu Christus, zu Maria, zur Heilsgeschichte als Entscheidungsgeschichte zwischen Gut und Bös, zu den letzten Dingen, Tod, Gericht, Himmel, Höl le, beklagt trotz der Frohbotschaft Jesu, daß Prediger in jüngster Zeit den Mut zur Drohung vor der Hölle verloren haben und läßt als Stellvertreter Christi seinen Geist in einer „Geographie des Gebetes“ über die Probleme der Kirche in allen Kontinenten schweifen.

Konkrete Themen wie „Hat nur Rom recht?“, Abtreibung, Menschenrechte, Jugend, Kommunismus, Feminismus behandelt der Papst allzu grundsätzlich, verbunden mit den bekannten Warnungen vor falschen Wegen und Mißbräuchen. Er verwahrt sich außerdem dagegen, in der Abtreibungsfrage ein „Besessener“ zu sein. Nicht selten beantwortet der Papst die gestellte Frage gar nicht direkt, wenn er beispielsweise die Kirche gemäß dem II.Vatikanum erklärt, der Interviewer jedoch wissen wollte, ob Rom immer recht hat. Danach läßt sich nur schwer verstehen, wieso von Rom aus, nachdem der Papst auch die Lehre der Freiheit des Gewissens stark betont, diesem Gewissen in ger wissen Lehrschreiben so wenig Autorität zugesprochen wird.

Die moderne Fragestellung, beginnend mit der Entdeckung des Ichs durch Descartes, Rationalismus und Positivismus, sind für den Papst Abirrungen vom traditionellen Weg, den Thomas von Aquin vorgegeben habe. Die Gewißheit der Rettung durch Christus, wie könnte es anders sein, ist dabei der Angelpunkt der Überlegungen des Papstes. Andere Religionen und Religionsgründer werden so auf Christus hin zentriert gesehen, daß der Papst nur vor gewissen Methoden religiösen Lebens und religiöser Versenkung in diesen Religionen warnen kann. Von dieser Gewißheit aus erfolgt die päpstliche Aufforderung, „die Schwelle der Hoffnung (zu) überschreiten“ (so der vom Papst selbst gewählte Buchtitel), nicht vor ihr stehen zu bleiben.

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