Den Stimmen vieler Wort geliehen

19451960198020002020

Vor vier Jahren, am Karfreitag 1995, rief Thomas Plankensteiner das Kirchenvolks-Begehren ins Leben. Eine Hommage an einen, der sich zurückgezogen hat.

19451960198020002020

Vor vier Jahren, am Karfreitag 1995, rief Thomas Plankensteiner das Kirchenvolks-Begehren ins Leben. Eine Hommage an einen, der sich zurückgezogen hat.

Werbung
Werbung
Werbung

Der "Dialog für Österreich" ist ins Stocken geraten, ja, in Verruf. Bereits das Wort "stinkt", und statt den Dialog zu pflegen, sollte man besser "das Maul halten"! Nein! So kann es doch nicht sein! Der Dialog darf nicht sterben! Im Gegenteil: Er muß weitergeführt werden.

Setzen nicht gerade die noch engagierten Katholiken in die Fortsetzung dieses Dialoges ihre ganze Hoffnung? Ist nicht gerade dieser Dialog das entscheidende Bollwerk gegen die stärker heranbrandende Austrittswelle?

Und genau diese anhaltende und brennende Aktualität lenkt den Blick auf jenen Mann, auf dessen Initiative das alles zurückgeht, nämlich das Kirchenvolks-Begehren, die Plattform "Wir sind Kirche" und letzten Endes auch der von der Plattform stimulierte Dialog: Thomas Plankensteiner! Er hat sich vor einigen Monaten aus der ersten Reihe zurückgezogen und die Initiative Hubert Feichtlbauer übergeben. Seine österreichweite, ja weltweite Bedeutung darf deshalb aber nicht in Vergessenheit geraten.

Als 1995 die Wellen hochgingen und die Affäre Groer wie ein Sturzbach über Österreich hereinbrach, als eine Woge von Entsetzen und Verärgerung über die Kirche hinwegschwappte, da hat er, Thomas Plankensteiner, der Stimme der Wut das Wort geliehen: Er hat ausgesprochen und in Worte gekleidet, was Hunderttausende stumm gefühlt und gedacht haben.

Als damals lähmende Ratlosigkeit um sich griff, als Verzweiflung über solche kirchliche Repräsentanten ausbrach, die doch allgemein als Vorbilder galten und diese Funktion auch für sich in Anspruch nahmen, als Schadensbegrenzung und Krisenmanagement dem Vokabular der österreichischen Hierarchen fremd war, da hat er, Thomas Plankensteiner, der Stimme der Resignation das Wort genommen.

Er ist über den ekligen Anlaß-Skandal vornehm hinweggegangen und hat in erstaunlichem Weitblick und Durchblick fünf konkrete Forderungen erhoben und in Worte gekleidet, woran nach seiner Meinung nicht nur Österreichs Kirche schon lange krankte, und Hunderttausende ergriffen seine Fahne und riefen ein erstaunliches und erleichtertes Ja, so sei es! Dies nicht nur in Österreich, sondern in zahlreichen anderen Ländern, ohne Management, ohne Marketing und ohne Kapital im Hintergrund. Wiederum war die Hierarchie ratlos.

Da hat er, Thomas Plankensteiner, der Stimme der Hoffnung das Wort gegeben und hat die Plattform ins Leben gerufen und ihr den mutigen und selbstsicheren Namen gegeben: "Wir sind Kirche!" Wir sind nicht Aufrührer, nicht Revolutionäre, nicht Spalter! Nein! Wir wollen in der Kirche bleiben, wir wollen mit ihr leiden und mit ihr streiten! Wir wollen sie erneuern helfen! Wir wollen ihr das Gesicht der Trauer nehmen und ihr ein Antlitz der Zuversicht geben!

Es hat lange gedauert, bis diese Botschaft, bis diese Bewegung in ihrer Bedeutung wenigstens von wenigen Kirchenmännern erkannt wurde, von vielen bis heute nicht!

Als dann in diesem Aufruhr der Handlungsbedarf immer dringender wurde, als weitere Untätigkeit der Hierarchie zur Katastrophe zu werden drohte und eine positive Antwort auf diese Bewegung noch immer als Verrat am Auftrag der Bischöfe erschien, da lud - zaghaft, aber doch einsichtig - der Vorsitzende der Bischofskonferenz zu einem "Dialog" - und Thomas Plankensteiner fegte nicht sofort alle Figuren vom Tisch, spottete nicht über diese zunächst linkisch scheinende Reaktion, bot vielmehr seine Männer und Frauen für diesen Dialog auf.

Das alles ist einem Mann zu verdanken, der von keiner Autorität gerufen, wohl aber - von seinem Gewissen und seiner inneren Stimme angespornt - selbstlos auftrat, wochen-, monate-, ja - jetzt kann man es sagen - jahrelang durch das Land gezogen ist, Vorträge gehalten, für seine Ideen und seine Plattform geworben hat, sich in schwierige Diskussionen eingelassen, Artikel geschrieben und seine Crew bis zur Erschöpfung angespornt hat.

Wer kann auch nur annähernd ermessen, wie es der Kirche Österreichs heute erginge ohne Thomas Plankensteiner und ohne sein mutiges, kraftverzehrendes, hoffnunggebendes Einschreiten? Welches andere Gegengewicht zur Resignation, zur Verzweiflung, zur Verbitterung, zur Versuchung des Exodus hätte es denn gegeben, wäre er nicht gewesen?

Vor ein paar Monaten ist er zurückgetreten, in aller Bescheidenheit, hat die Führung anderen übergeben. Was bleibt, ist höchstens die Frage: Wer lohnt es ihm? Wer kann ihm den gebührenden Dank sagen oder tun? Da können nicht Ehrungen oder päpstliche Auszeichnungen gemeint sein. Es geht darum, ihm den gebührenden Platz in der Kirche Österreichs zuzuerkennen. Müssen wir warten, bis Kirchenhistoriker einstens den Nachweis minutiös erbringen? Vielleicht nach seinem Tod, wie es das Schicksal vieler großer Österreicher war? Vielleicht macht man sich bei uns heute bereits einmal darüber Gedanken!

Der Autor ist Rechtsanwalt und lebt in Innsbruck.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung