7103992-1995_23_02.jpg
Digital In Arbeit

Den Zugang zu den Quellen erschließen

19451960198020002020

Die Mitinitiatorin des Kirchen-volks-Begehrens versucht zu verdeutlichen, welche Anliegen hinter dem Text stehen.

19451960198020002020

Die Mitinitiatorin des Kirchen-volks-Begehrens versucht zu verdeutlichen, welche Anliegen hinter dem Text stehen.

Werbung
Werbung
Werbung

Viel zu vielen Menschen ist die Freude an der Kirche abhanden gekommen. Und leider ist das nur zu verständlich. Wir erfahren und spüren alle, daß mit ihrem äußeren Erscheinungsbild einiges nicht in Ordnung, manches dringend reformbedürftig ist. Vielen (nicht nur jungen) Menschen kommt die Kirche dermaßen seltsam vor, daß ihnen der Zugang zu den eigentlichen Quellen dieser Kirche verwehrt bleibt oder verbarrikadiert wird - zu den Quellen, aus denen wir leben und die uns diese Kirche trotz allem zur Heimat machen.

Eine Kirche, die in ihrer Gesamtheit durchscheinend bleiben will für die Anwesenheit Gottes in der Welt, ist in diesem Ziel immer gefährdet, und das in nicht geringem Ausmaß durch sich selbst. Oft nämlich erzeugt die Kirche nur einen umwerfenden Wortschwall, oft versucht sie die Menschen an sich zu ziehen, als ginge es nur um sie, möchte sie zu folgsamen Untertanen der Hierarchie machen oder zu begeisterten Gefolgsleuten eines strengen und fernen Gottes, der durch eigens aus dem übrigen Gottesvolk herausgehobene Männer repräsentiert wird!

Sie hütet die Frohe Botschaft und verkündet sie allen - zugleich verkürzt sie das Evangelium und verschleiert, vergißt, verdreht Wesentliches. Sie gießt den Segen der Sakramente aus und fördert und ordnet religiöse Erfahrung - und dabei engt sie diese notwendigen Hilfsdienste auf wenige Helfer ein, weil sie auf einigen heute kaum mehr verständlichen Auswahlkriterien besteht. Sie mahnt gegen alle Bösartigkeit zur Liebe und ist dabei oft selbst hinterhältig und gemein. Sie übernimmt Verantwortung für Gerechtigkeit und Frieden in der Welt und löst diesen Anspruch nicht einmal in den eigenen Beihen ein.

Die Erfahrung von Frauen, die sich auf alle Fälle in Nuancen, vermutlich aber insgesamt im Denken und Fühlen unterscheidet, ist auch in der katholischen Kirche viel zu lange an den Band gedrängt worden. Warum können Frauen nicht vollwertige Partnerinnen der Männer sein bei der Verkündigung des Evangeliums und beim Aufbau der Kirche - und bei der Spendung der Sakramente?

In unserer Gesellschaft, wo das Verhältnis von Frauen und Männern immer noch vom Sexismus geprägt ist, könnte die Kirche für die Welt so jenes Heilszeichen sein, das klar macht, daß es „in Christus weder Mann noch Frau” gibt (Gal. 3,28). Dabei geht es bei weitem nicht nur um die Zulassung oder Nicht-Zulassung zum Priesteramt. Es geht viel mehr um die Glaubwürdigkeit dessen, was uns die Bibel in ihren allerersten Aussagen zusagt: daß Männer und Frauen Gott ebenbildlich sind.

Wir wissen es alle: Die Kirche als ganze und jeder einzelne Mensch in ihr macht Fehler und bedarf immer wieder der Umkehr und der Erneuerung. Über die Art der Umkehr und die Wege der Erneuerung gibt es verschiedene Meinungen. Aber jede(r) einzelne ist aufgerufen, das zu tun, wozu ihn/sie das Gewissen drängt. In einer Gemeinschaft zu leben bedeutet Mitverantwortung für sie zu übernehmen. Fragen des Zusammenlebens innerhalb der Gemeinschaft sind von allen gemeinsam zu überdenken und zu ordnen. Wer die Verantwortung nur den „Oberen” überlassen will, gerät in die bedrohliche Nähe obrigkeitshörigen Denkens und Handelns.

Auszug aus den bestehenden, ungerechten Machtverhältnissen

Unsere biblische Beligion baut auf der Veränderung auf, auf dem Exodus. Das grundlegende Motiv ist der Auszug aus der Unterdrückung mit Hilfe des befreienden, rettenden Gottes. Stehenbleiben, gar Bückzug auf Bestehendes wird als die große Versuchung angesehen. Befreit-Werden-Wollen führt zur Erlösung, zur Lösung der Fesseln, die uns einengen und behindern. Auszug aus den bestehenden ungerechten Machtverhältnissen, auch in der Kirche - dazu sind wir ständig von Gott aufgefordert und berufen.

Unsere Widerstandskraft wird gestützt von höchster Stelle. Ob wir also endlich die gleiche Würde für alle Menschen wollen oder ob wir die Auswahlkriterien für die Zulassung zu den Ämtern und die Ämter in ihrer derzeitigen Form in Frage stellen, ob wir den dringenden Wechsel von einer Kirche der Beichen zur Kirche der Armen fordern, ob wir eine Kirche des „herrschaftsfreien Dialogs” einklagen: wir glauben an den Gott des Exodus und wissen uns von Gott geführt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung